Gerson – Leid der Seele

Ach, wie ist durch die List des bösen Feindes meine arme Seele so verloren gegangen und erschlagen worden. Wie ein Schlächter an einem grünen Reise oder schwachen Halme ein Lamm zum Tode führt, das, ohne zu wissen, wohin es geht, lustig und munter ihm nachspringt; also hat er meine thörichte Seele ins Verderben geführt. Durch die flüchtige und kurze Weltlust lockte er sie an sich, band sie, blendete ihre Augen, und verwundete sie darauf tödtlich durch Lasterstiche aller Art. Dann legte er auf sie jenen schweren und großen Stein der bösen Gewohnheit und begrub sie zuletzt in dem kalten Grabe der Verstockung und Herzenshärtigkeit. Da moderte und verwesete sie, ein Greuel vor Gott und allen Heiligen. Ach, theuerster Herr Jesu, Seelenarzt, Quell aller Liebe; wenn dich menschliches Elend je gerührt hat, so siehe doch jetzt auf sie hin, die nun erwacht, ihren Jammer und ihre Bloße erkennt und sich vor Schaam nicht zu Dir aufzublicken getraut. Barmherziger Herr, nach Dir streckt sie Arme und Hände aus, ziehe sie heraus aus dem Schlamme des Verderbens. Gieb ihr den Stab des Glaubens, schmücke sie mit dem Kleide der Liebe, reiche ihr die Leiter der Hoffnung.