Friedrich Christoph Oetinger

O Herr, du erforschest uns und kennest uns. Es ist kein Wort auf unserer Zunge, das du nicht vorher weißt. Darum bitten wir dich, da wir nichts sind in uns selbst, so schaffe durch deine Gnade, daß wir etwas seien zum Lobe deiner Herrlichkeit, damit wir erkennen, du seiest treu, und alle deine Verheißungen seien Ja und Amen in Christo. Laß ferne von uns sein das ungeduldige, mürrische Wesen, das sich beim Lesen deines Wortes nicht demütigt, sondern nur tadelt, meistert und alles nach seinem Kopf haben will! Deine Wege sind groß, du willst dich aller deiner Werke erbarmen; darum gebühret uns, dich zu fürchten und auf deine Güte zu warten.

Friedrich Christoph von Oetinger – Nachfolge

In dir, o Gott, ist lauter Leben und Licht. Wenn schon der Schatten des Todes uns verfinstert, so leben wir doch in der Hoffnung: Du wirst uns von allem Übel erlösen. Du, Herr, hast deine Stunden, uns zu demütigen und uns zu erhöhen. Laß nicht zu, dass wir uns an den Wegen deiner heiligen Vorsehung ärgern oder über der Bösen Glück zürnen, sondern lass uns groß und wichtig sein das Los und Teil deiner kleinen Herde. Und wenn auch wir wider unseren Vorsatz etwas Übereiltes tun, so lass uns in der Fürbitte Jesu allezeit gewissen Trost finden. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Fürbitte für Ungläubige

Bleibe, o Herr, bei uns, denn es ist Nacht; und es ist schwer, den Tag über die Freude deines zukünftigen Königreiches den einschläfernden Zeiten entgegenzusetzen, wo die Bruderliebe erkaltet. Unsere Kinder und Hausleute und viele Gemeindeglieder haben noch keine geöffneten Ohren für die Herrlichkeit deines Reiches. Gedenke an deinen Bund. Das Land ist allenthalben jämmerlich verheert. Wenn aber Menschen wider dich wüten, so legst du uns Ehre ein. Auch das tobende Sinnen und Wüten der Menschen muss dich bekennen. O Herr, wir nehmen mit Unrecht Anstoß an der Verwirrung der Zeit. Denn du wirst lauter Wunder deines Reiches daraus machen, die wir jetzt nicht sehen können. Dein Heil ist unter allem diesen nahe denen, die dich fürchten. Sie trösten sich des Jerusalems, das droben ist. Wohl dem Volk, welches die Zeichen deiner Gegenwart versteht! Sie können über deinen Namen den ganzen Tag frohlocken und in deiner Gerechtigkeit herrlich sein. Das Reich Christi ist der Anfang und das Ziel der Schöpfung auf Erden; es besteht und dauert durch alles hindurch. Die Himmel werden deine Gerechtigkeit verkündigen und alle Völker werden deine Herrlichkeit sehen. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Nähe Gottes

O Herr, du verbirgst dich vor uns, dass wir dich nicht sehen; wir denken, wenn du uns auch so nahe wärst als einst dem Petrus, so wollten wir im Segen arbeiten. Nun aber scheinst du ferne zu treten und lässest es in der Welt also durcheinander gehen, als wolltest du dir nichts mit uns zu tun machen. Es ist aber nicht so, wie es scheint. Es geht nach deinem Wort. Den Gerechten, den Redlichen, den Gläubigen bist du so nahe als Petrus; ihre Arbeit regierst du, wenn du auch Fehler zulässest, und beweisest dich endlich herrlich. Die Ungläubigen und Heuchler lässest du ihre Wege gehen, und wenn sie ihre Sache klüglich anfangen, finden sie Glück, welches aber zuletzt auf das größte Unglück hinausläuft. Herr, erzeige uns deine Gnade und hilf uns. Führe uns und unsere Kinder heraus aus der Menge der Ungläubigen und errette unsere Seelen. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Danksagung

Herr Jesu, du Wort, Leben und Licht der Menschen, wie glücklich sind wir gegenüber Plato und Sokrates und allen heidnischen Weisen, dass wir dich kennen. Aber wir schätzen diese Seligkeit nicht hoch genug. Durch der Heiden Verlangen nach deiner Gnade, Lieblichkeit und Schönheit, lass uns unsere Gemeinschaft mit dir recht wichtig werden, damit sie uns nicht einmal ins Gesicht sagen, über dem Tische Abrahams: Wenn wir zu eurer Zeit gelebt hätten, so sollten alle unsere Gebeine die Wunder der erscheinenden Gnade in Christo gepriesen haben, aber eure Liebe ist kalt und erstarrt. Sollte sich nicht der Himmel darüber entsetzen? Sollten nicht die, welche in Abrahams Schoß sind, darüber ergrimmen?

Friedrich Christoph von Oetinger – Fürbitte im Glaubenskampf

O Jesu, es ist Zeit, jetzt ist es Zeit, mich mit Wahrheit zu umgürten und die Gerechtigkeit als einen Panzer anzulegen, den Helm des Heils, das Schwert des Geistes und den Schild des Glaubens zu gebrauchen. Wie aber? Herr, ich bete zu dir, ich rufe dich an. Lehre mich segnen meine Feinde. Doch du willst ja, daß diese Bösen in sich gehen und ihre Bosheit fühlen. Behalte ihnen ihre Sünden, bis sie Buße tun. O Herr, hilf mir, mach mich los von allem Zweifel. Ich muß werden wie ein Tier vor dir. Du allein hilfst heraus aus diesem Schlamm, da man nicht gewiss treten kann, da man glaubt und zweifelt, da man vergibt und zürnt, da man dein Recht und deine Erbarmung anfleht. O Gott, o Jesu, heute früh nahte ich mich vor deinem Gnadenthron, aber ich hatte keine Kraft zu beten. Die satanischen Anfälle der vielen Gedanken halten mich ab und schwächen das Gebet. Ich vergesse auch, dass ich in einem solchen Kampf mit dem Satan bin. Ich übe mich nicht genug, die Wahrheit umgürtet zu haben, die zu diesen Versuchungen gehört. Ich sehe, dass ich mich viel zu stark auf Wahrheit verlasse, die ich noch nicht bereitet habe als einen Gurt wider die Zerstreuung. O lehre du mich, mein Jesu, wider Satan streiten. Ach Jesu, soll ich denn nicht festen Grund bekommen in dieser zweifelhaften Sache? Offenbare es doch, dass ich Ruhe habe, weil es aber nicht schnell geht, lass mich dein harren und nichts tun, bis du deinen Willen zu erkennen gibst. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Nachfolge

Herr Jesu, du versprichst mir, du wolltest mir immer gegenwärtig sein und über mich wachen. Wir Armen schreiben uns so gern zu, was wir doch von dir gelernt haben. Präge dies tief durch deine geheime Führung meinem Herzen ein. Lass mich nicht von deinen Regeln abweichen, sondern mich auf dich verlassen, damit ich Gnade finde bei Gott und den Menschen. Lass mich bei allem, was ich zu tun habe, denken, du tuest es durch mich. Du kannst auch meine krummen Wege gerade machen. Lass mich dich immer vor Augen haben, so bleibt mein Herz in der Ruhe. Denn sonst mache ich mir viele vergebliche Unruhe. Züchtige mich durch deinen Geist, wenn ich irre gehe,. dass ich mich immer wieder zurechtfinde und in deiner Kraft getrost meinen Weg fortsetze. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Bekehrung

Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben. Ich habe von Jugend an viel Gebete auswendig gelernt, habe aber noch nicht gelernt, wie ich dich in Wahrheit kennen und nennen soll. Herr, lehre mich durch deinen Geist, damit ich in die wahre Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Sohne komme und aus dieser Gemeinschaft zeugen und reden könne; denn ich empfinde soviel Vorgeschmack der zukünftigen Herrlichekit als die Jünger auf dem heiligen Berge bei dir, als sie dich mit Mose und Elia in deiner Klarheit gesehen haben.

Friedrich Christoph von Oetinger – Umwandlung

O Herr, du erforschest uns und kennst uns. Es ist kein Wort auf unserer Zunge, das du nicht vorher weisst. Darum bitten wir dich, da wir nichts sind in uns selbst, so schaffe durch deine Gnade, dass wir etwas seien zum Lobe deiner Herrlichkeit, damit wir erkennen, du seiest treu und alle deine Verheißungen seien Ja und Amen in Christo. Lass ferne von uns sein das ungeduldige, mürrische Wesen, das sich beim Lesen deines Wortes nicht demütigt, sondern nur tadelt, meistert und alles nach seinem Kopf haben will. Deine Wege sind groß, du willst dich aller deiner Werke erbarmen, darum gebühret uns, dich zu fürchten und auf deine Güte zu warten. Amen.