Anselm von Canterbury – Jesus

Herr Jesu Christe, du mein Herr und mein Gott, in Wirkung deiner Gnade gedenke ich daran, daß du nach der Verheißung, die du von Anfang der Welt an durch deine Heiligen gegeben, von der Jungfrau Maria geboren, aus ihr wahrhaftiges Fleisch und Blut angenommen, aus ihrer jungfräulichen Brust wahrhaftige Milch gezogen hat; ach erquicke meine sündige Seele mit deinem heiligen Fleische, sättige sie mit deiner Süßigkeit.

Als du in der Krippe lagst, warst du in Windeln gehüllt; hülle meine Seele in die Windeln deines Erbarmens, daß sie nicht bloß vor dir dastehe. Die Hirten und die Weisen aus dem Morgenlande kamen und beteten dich an, da du noch in der Krippe lagt; laß, o Herr, mich treulich dich anbeten, der du nun im Himmel sitzest.

Du hast die Beschneidung am Fleische erduldet; beschneide du mich dem Geiste nach, auf daß ich nimmer sündige. Du wurdest im Tempel dargestellt, und Simeon nahm dich auf seine Arme; stelle mich dar deiner heiligen Majestät, und ich will dich mit den Armen meiner Seele umfassen.

In deiner Kindheit warst du den Aeltern unterthan; laß mich dir unterthänig sein und Allen, denen du mich unterthänig machen wolltest. Du bist von Johannes getauft; in meiner Kindheit hast du mich getauft. Aber da ich nach deiner heiligen Taufe oftmals wieder befleckt worden bin, so taufe mich durch aufrichtiges Sündenbekenntniß und aufrichtige Buße. Du hast den Sündern befohlen Buße zu thun, und hat den wahrhaft Bußfertigen Vergebung verheißen; ach laß mich meine Sünden also bereuen, daß ich würdig werde, ihrethalben von dir Verzeihung zu erlangen.

Du warst der Lehrer der Wahrheit, der Leutseligkeit, der Gerechtigkeit; ach lehre mein Herz und erleuchte es, auf daß ich zu denen zählen möge, die du durch deine Lehre mit dem inneren Lichte erleuchtet hat. Wenn es dir gefiel, hast du in wunderbarer Weise die Leiber und Seelen der Menschen mit Kraft und Gesundheit erfüllt; ach heile die Krankheiten meiner Seele, die sich an dir versündigt hat. Um meinetwillen hast du gefastet; gib, daß ich mich um deiner Liebe willen von aller Sünde enthalte. Um meinetwillen hast du gehungert; gib, daß ich wahrhaftiglich hungere nach dir, der du das wahrhaftige Brot bist. Du bist um meinetwillen müde gewesen; stärke, kräftige meine matte Seele.

Herr Jesu Christe, du freundlicher und erbarmungsreicher Heiland, da du mit deinen Jüngern zu Tische saßest, hast du ihnen die Füße gewaschen, mit deinem Leibe und mit deinem Blute hat du sie erquicket; du wollest auch meinen Leib und meine Seele von aller Befleckung reinwaschen und auch mich mit deinem Leibe und Blute stärken, daß mir die Kraft nicht entgehe.

Soll ich noch mehr sagen? Du Herr Jesu Christe, du bist mein Leben, mein Heil, meine Wonne, meine Stärke, meine Freude, meine Ergötzung, meine Erlösung, meine Auferstehung. Um meinetwillen bist du dahingegeben worden, weil du meine Seele nicht hingeben wolltest den reißenden Wölfen. Du wurdest um meinetwillen gebunden; so löse nun die Fesseln meiner Sünden. Um meinetwillen wurdest du verspottet; ach laß mich nicht den bösen Geistern ein Spott werden. Du freundlicher Herr, den allein Niemand einer Sünde zeihen konnte, du bist um meinetwillen gegeißelt worden; so befreie mich von den Geißelhieben, die meine Missethaten verdienen. Du barmherziger Herr wurdest um meinetwillen mit Dornen gekrönt; ziehe mir aus die Dornen und Stacheln meiner Sünden.

Gnädigster Herr Jesu, du trugt auf deinen heiligen Schultern dein Kreuz; ach laß mich dir nachfolgen und dir meine Seele nachtragen. Du allerhöchster Herr hast ans Kreuz erhöht, Alles zu dir gezogen; o ziehe auch mich zu dir. O liebreicher Herr, du ließest deine Hände und Füße mit eisernen Nägeln durchbohren, deine Seite mit dem Speere öffnen, dein Blut für die Sünden vergießen; mit diesem deinem Blute wasche nun meine Seele von allen ihren Sünden, und nimm alle Schmerzen von ihr um der Angst willen, die du für uns erduldet hast.

Du liebreicher Herr hat das Gebet des Schächers angenommen, so nimm auch mein Gebet an, ich bin auch ein Sünder. Um meinetwillen bist du mit Essig getränkt worden; tränke meine Seele mit dem Honig deiner Süßigkeit. Du guter Hirte hast dein Leben gelassen für deine Schafe; ach laß meine sündige Seele nicht verderben und sterben. Du hast aus der Hölle errettet die Seelen der Frommen; errette meine Seele von der Verdammniß der Gottlosen.

Du starker, allmächtiger Herr Jesu, nachdem du den Tod besiegt hast, bist du auferstanden von den Todten und hast dich deinen Jüngern als lebendig und unsterblich erwiesen, du hast ihre Trauer um deinen Tod in Freude verwandelt, hat oftmals mit ihnen gegessen und getrunken, hat ihre Herzen festgemacht im Glauben an deine heilige Auferstehung; so erfülle nun auch meine Seele, die Seele deines Knechtes, mit Freude und Kraft im Glauben an deine heilige Auferstehung. Amen.

Anselm von Canterbury – Bewahrung

Gnädigster Herr Jesu, du Quell des Lebens, Quell des Erbarmens, von dem alle Heiligen trinken, von des unaussprechlich süßer Labe sie trinken und trunken werden, so daß sie volles Genüge haben für und für, ach verleihe mir, daß ich in diesem Leben immer also nach dir dürfte, daß ich im zukünftigen mit allen Heiligen von dir ewiglich gesättigt werden möge.

So bitte ich denn, gütiger lieber Herr Jesus, du wollest um deiner erbarmenden Freundlichkeit willen meine arme Seele erquicken durch das Gedächtniß deiner Wohlthaten, auf daß sie nicht zusammenbreche unter der Erschöpfung ihres Pilgerlaufes, unter der Bürde ihrer Sünden. Deine Güte, o Herr, ist es, die mich erschaffen und durch deine Taufe neu geschaffen, die mich bis heute trotz meiner täglichen Sünden in Geduld getragen hat. Die Macht deiner Gottheit hat mich gemacht, deiner Menschheit. Ohnmacht hat mich neu gemacht.

Wahrheit

Zu dir, mein Gott, rufe ich; zu dir rufe ich, der du nahe bist Allen, die dich anrufen, Allen, die in der Wahrheit dich anrufen, der du die Wahrheit bist. Lehre mich, du heilige Wahrheit, ich bitte dich um deiner Güte willen, lehre mich dich anrufen in der Wahrheit, denn ich weiß nicht, wie ich das machen soll, aber ich flehe dich, du selige Wahrheit, fußfällig an, du wollest mich das lehren. Ohne dich klug sein wollen, heißt voller Thorheit sein, aber dich kennen ist vollkommene Weisheit. So leite mich denn, du göttliche Weisheit, und dein Gesetz wollest du mich lehren. Ich glaube festiglich, wen du leitet, wen du lehrest in deinem Gesetz, der wird selig werden. Meine Seele sehnet sich dich anzurufen; ach gib, daß es geschehe in der Wahrheit. Die Wahrheit anrufen in der Wahrheit, was heißt das wohl anders, als den Vater anrufen im Sohne? Fürwahr, heiliger Vater, dein Wort ist die Wahrheit, die Wahrheit ist deiner Worte. Anfang denn deiner Worte. Anfang ist eben dasselbige Wort, das da war im Anfang. In diesem Anfange bete ich zu dir, du ewiger Anfang; in diesem Worte der Wahrheit rufe ich zu dir, du vollkommene Wahrheit; in ihm wollest du, der du die Wahrheit selber bist, mich leiten und lehren in der Wahrheit. Was kann es wohl Gewinnenderes geben, als den Erzeuger im Namen seines Eingeborenen um Erhörung zu bitten, als den Vater durch die Erinnerung an seinen Sohn zur Barmherzigkeit zu bewegen, als den König durch Nennung seines liebsten Kindes zur Milde zu stimmen? Oft schon wurden Schuldige dem Kerker entrissen, Gefangene der Fesseln entledigt, zu traurigem Tode Verurtheilte nicht nur freigelassen, sondern obenein mit nie erfahrenen Gnaden überschüttet, wenn sie nur den erzürnten Fürsten an ein geliebtes wohlgerathenes Kind zu erinnern verstanden. Oft schon entgingen Diener, die sich vergangen hatten, der Strafe von Seiten ihrer Herren, weil für sie die süße liebe Kinderschaar Fürbitte einlegte. Allmächtiger Vater, gleich also bitte ich dringlich, um der Liebe deines allmächtigen Sohnes willen wollest du meine Seele aus dem Kerker führen, daß sie deinen Namen bekenne; im Namen deines eingeborenen mit dir gleich ewigen Sohnes flehe ich dich an, du wollest mich von den Banden der Sünde befreien; und ob mir schon meiner bösen Werke wegen das wohlverdiente Todesurtheil droht, wollest du mir dennoch das Leben schenken, um der gewichtigen Fürsprache des Sohnes willen, der zu deiner Rechten sitzt. Was für einen andern Fürsprecher sollte ich wohl vor dich bringen, als ihn, der die Versöhnung ist für unsere Sünden, der da zu deiner Rechten sitzet und bittet für uns. Er ist mein Sachwalter bei dir, mein Gott und Vater, er ist der vollkommenste. Hohepriester, der nicht durch fremdes Blut versöhnt zu werden braucht, denn er ist vom Strahlenglanze eines eigenen übergossen. Er ist das heilige, wohlgefällige und vollkommene Opfer, das als ein süßer Geruch dargebracht und angenommen ward. Er ist das unbefleckte Lamm, das verstummte vor seinen Scheerern, das mit Fäusten geschlagen, verspottet und verspielen seinen Mund nicht aufthat. Der von keiner Sünde wußte, hat unsere Sünde getragen, und unsere Krankheit durch seine Wunden geheilet. Siehe an, o frommer Vater, deinen allerfrömmsten Sohn, wie er für mich so Schändliches erduldet. Siehe doch, du gütigster König, wer es ist, der da duldet, und gedenke in Gnaden des, für den er duldet. O mein Herr, ist es nicht dein unschuldiger Sohn, den du dahingegeben hat, um einen Knecht zu erlösen? Ist es nicht der Ursprung alles Lebens, der wie ein Schaf zur Schlachtbank geführt, und dir gehorsam bis zum letzten Odemzuge, nicht anstand den allergrausamsten Tod zu erleiden? Erwäge doch, du Spender alles Heiles, den du durch deine Kraft gezeuget hat, er ist dennoch derselbe, der nach deinem Willen meine Schwachheit getragen hat. Fürwahr, es ist deine Gottheit, die eingehüllt in mein Wesen hinaufstieg zum Stamme des Kreuzes, und im Kleide des Fleisches schreckliche Martern ertrug. O mein Gott, wende die Augen deiner Majestät auf das Werk einer unsäglichen Barmherzigkeit; schaue doch, wie dein lieber Sohn mit ganzem Leibe ausgespannt hängt; betrachte die schuldlosen Hände, die von theurem Blute triefen, und erlaß in Gnaden die Missethaten, die meine Hände vollbrachten. Betrachte mit Fleiß seine wehrlose Seite, die mit grausamem Speere durchstochen ward, und erneuere mich in dem heiligen Quell, der aus ihr entsprang. Siehe an seine makelreinen Füße, die nicht traten auf den Weg der Sünder, sondern stetiglich in deinem Gesetz wandelten, wie sie angeheftet sind mit schauerlichen Nägeln, und laß mich gewisse Schritte thun auf deinen Steigen, laß mich hassen alle verkehrten Wege; ja den verkehrten Weg wollest du von mir wenden nach deinem Erbarmen, und mich willig machen den Weg der Wahrheit zu erwählen. Ich bitte dich, du König in Ewigkeit, um dieses meines Erlösers willen laß mich laufenden Weg deiner Gebote, auf daß ich im Geiste eins werden möge mit ihm, der nicht verschmähte mein Fleisch an sich zu nehmen. Du Vater voll Liebe, beachtest du nicht, wie deines jugendfrischen Sohnes schneeweißer Nacken sich beugt, wie ein hochgeliebtes Haupt in theuerwerthem Tode sich neigt? Siehe doch, mildherziger Schöpfer, die menschliche Hinfälligkeit deines lieben Sohnes, und erbarme dich der Ohnmacht deines schwachen Geschöpfes. Weiß glänzt eine nackte Brust, roth seine blutige Seite, heiß glüht ein ausgespannter Leib, matt blickt sein herrliches Auge, es erbleicht sein königliches Antlitz, seine ausgestreckten Arme erstarren, schlaff hängt nieder ein marmorgleiches Gebein, seine durchgrabenen Füße überfließt ein Strom heiligen Blutes. Schaue, ruhmreicher Erzeuger, die zerfleischten Glieder deines liebsten Kindes, und denke in Gnaden an mich, dein armes Gemächte. Richte deinen Blick auf die Strafe des Gottmenschen, und lindere das Elend des, den du zum Menschen erschuft. Siehe an die Martern des Erlösers und vergib dem Erlösten seine Vergehungen. Dieser ist es, o Herr, den du um der Sünden deines Volkes willen zerschlagen hast, obschon er der Geliebte war, an dem du Wohlgefallen hattest. Er ist der Unschuldige, in dem kein Betrug erfunden ward, und dennoch ward er unter die Uebelthäter gerechnet. Was hast du begangen, du liebes Kind, daß du also gerichtet wurdest Was hast du begangen, du Sohn, der aller Liebe werth war, daß man dich also mißhandelte? Was ist dein Verbrechen, was deine Schuld, was die Ursach deines Todes, was der Grund deiner Verdammung? Ich bin der Geißelhieb, der dich schmerzte, ich verschuldete, daß sie dich tödteten. Ich bin der Faustschlag, der dir wehe that, ich machte dir Arbeit am Kreuzesstamme. Ich bin es, der dir den Tod verdiente, meine Missethat hat über dich den Stab gebrochen. Welch wundersame Art von Urtheilsspruch, welch unaussprechlich geheimnißvolle Ordnung der Dinge! Es sündigt der Ungerechte, und der Gerechte wird bestraft; der Schuldige hat sich vergangen, und die Schläge erhält der Unschuldige; der Gottlose gab Aergerniß und verdammt wird der Fromme; was der Böse verdient, erleidet der Gute; was der Knecht verschuldet, bezahlt der Herr; was der Mensch verwirkt, nimmt auf sich Gott. Wie tief, du Sohn Gottes, wie tief erniedrigte sich deine Demuth? Wie heiß entbrannte dein Erbarmen? Wie weit ging deine Freundlichkeit? Welche Größe erreichte deine Güte, welche Höhe deine Liebe, welche Tiefe dein Mitleid? Ich bins, der unrecht gehandelt, du wirst mit der Strafe belegt; ich habe Missethat begangen, du wirst von der Vergeltung getroffen; ich habe Schweres verbrochen, du wirst der Marter unterworfen; ich habe Hochmuth geübt, du wirst gedemüthigt; ich that groß, du wirst gering gehalten; ich erwies mich ungehorsam, du, der Gehorsame, bezahlt dem Vater die Schuld des Ungehorsams; ich pflegte der Gaumenfreuden, du mußt hungern; mich riß die Fleischesbegier zu verbotener Gluth hin, dich führt die vollkommene Liebe zum Kreuze; ich erlaubte mir das Verbotene, du nahmst auf dich Folterqual; ich sitze ruhig zu Tische, du arbeitet am Holze des Fluches; ich lebe in Herrlichkeit und Freuden, du wirst von Nägeln zerrissen; ich schmecke den süßen Saft der Früchte, du die Bitterkeit der Galle; mit mir freut sich die lächelnde Eva, mit dir trägt Leid die weinende Maria. Siehe, du König der Ehren, siehe doch meine Gottlosigkeit, aber hell strahlt daneben deine Frömmigkeit; siehe meine Ungerechtigkeit, aber licht leuchtet daneben deine Gerechtigkeit. Was, o mein König und mein Gott, was kann ich dir wohl wiedergeben für alles das, was du mir wiedergabst? Im menschlichen Herzen ist nichts zu finden, was eine würdige Vergeltung sein könnte für solche köstliche Gaben. Vermag menschliche Weisheit wohl etwas auszudenken, dem das göttliche Erbarmen zu gleichen wäre? Doch es liegt dem Geschöpfe nicht ob, sich mit dem Gedanken abzumühen, wie es etwa die Hülfe seines Schöpfers entsprechend lohnen könnte. Eins aber, du Sohn Gottes, eins vermag bei dieser deiner wundersamen Heilsordnung meine Schwachheit doch noch zu leisten, es vermag der Geist, der durch deine Gnadenwirkung zur Buße erweckt ist, sein Fleisch zu kreuzigen sammt den Lüften und Begierden. So du ihm das gewährt, fängt er gleichsam schon an mit dir zu leiden, der du nach deiner Barmherzigkeit um meiner Sünde willen gestorben bist. Hat man also unter deiner Leitung den Sieg über den inwendigen Menschen errungen, so ist man recht gerüstet auch äußerlich die Palme zu gewinnen. Mit Ueberwindung der geistigen Feinde hört die Furcht auf um deiner Liebe willen irdischen Waffen zu erliegen. Also vermag das geringe Geschöpf, das deinem frommen Herzen gefällt, den hohen Anforderungen des Schöpfers zu entsprechen, so weit das möglich ist, das Alles, lieber Herr Jesu, kraft des himmlischen Heilmittels, kraft der Heilswirkung deiner Liebe. Um deiner von Alters her geübten Barmherzigkeit willen bitte ich dich, du wollest mein Herz mit der Kraft erfüllen, die das bittere Schlangengift austreibt und mich erneuert zur ewigen Reinheit; mit der Kraft, die da schafft, daß ich, nachdem ich einmal den süßen Wein deiner Liebe geschmeckt habe, die verführerische Freundschaft der Welt von ganzer Seele verachte, und ihre Feindschaft, die mich um deinetwillen trifft, nimmer fürchte. Eingedenk meines ewigen Adels müsse ich es immer unter meiner Würde finden, mich hinzugeben den Wogen und Wellen der Sorge um vergängliche Dinge. Ach gib doch, daß mir nichts lieblich däuchten, nichts gefallen, nichts werthvoll, nichts schön erscheinen möge, außer dir. Ohne dich laß mich Alles für nichts, die ganze Welt für Schaden achten. Was dir zuwider ist, soll mir eine lästige Bürde sein, und was dir wohlgefällt, soll mir unaufhörliches Verlangen erwecken; es müsse mir widerstreben, mich zu freuen ohne dich, und mich ergötzen, zu leiden für dich. Dein Name müsse mir eine süße Labe, und dein Gedächtniß mein Trost sein; meine Thränen müssen meine Speise sein Tag und Nacht, bis ich deine Gerechtigkeit erlange; das Gesetz deines Mundes sei mir lieber denn tausend Stücke Silbers und Goldes; dir zu gehorchen sei mir köstlich, und dir zu widerstreben abscheulich. Ich bitte dich, der du meine Hoffnung bist, um deines frommen Lebens willen wollest du mir vergeben all meinen gottlosen Wandel. Oeffne meine Ohren deinen Geboten, und laß mein Herz nicht abweichen auf krumme Wege, meine Sünde mit Worten zu entschuldigen, die selber wieder der Entschuldigung bedürfen; davor behüte mich um deines heiligen Namens willen. Auch bitte ich dich um deiner staunenswerthen Demuth willen, du wollest hindern, daß zu mir der Fuß des Stolzen trete, und die Hand des Sünders mich irre leite. Allmächtiger Gott, du Vater meines Herrn, so laß nun in Gnaden mir dein Erbarmen zu Theil werden. Habe ich doch das Köstlichste vor dich gebracht, was ich erlangen konnte; habe ich doch unter flehentlichen Gebet dir das Theuerste vor Augen gestellt, was ich finden konnte; ich habe nun nichts mehr, was ich deiner hohen Majestät darbieten, es ist nichts mehr da, was ich noch hinzufügen könnte, denn es steht nun vor dir meine ganze Hoffnung. Ich ließ vor dich treten meinen Sachwalter, deinen geliebten Sohn, ich sandte dein glorreiches Kind, den Mittler zwischen mir und dir. Ja, ich habe den Fürsprecher gesendet, durch den ich, wie ich fest vertraue, Vergebung erlangen werde; durch Worte endete ich das Wort, das, wie ich weiß, um meiner Werke willen gesendet worden ist, und erinnerte dich an deines heiligen Kindes Tod, den es, wie ich gewißlich glaube, um meiner Sünden willen erlitten hat. Ich glaube, daß die von dir gesandte Gottheit unsere Menschheit an sich genommen, und in ihr nach wunderbarem Rath Bande und Schläge, Spott und Speichel ertragen, und des Kreuzes und der Nägel Marter auf sich geladen hat. Zuvor ward sie in der Kindheit Tagen vom Weinen erschüttert, in schlechte Windeln gebunden, im Mannesalter mit schwerer Arbeit belastet, durch Fasten entkräftet, durch Wachen geschwächt, durch Reisen ermattet; hernach ward sie mit Ruthen zerschlagen, von Geißeln zerrissen, unter die Todten geworfen; aber mit glorreicher Auferstehung begnadet trat sie ein in die Freuden des Himmels, und setzte sich zur Rechten der Majestät in der Höhe. Du bist meine Versöhnung und meine Erlösung. Siehe, du frommer Gott, siehe hier steht der Sohn, den du gezeugt, und der Knecht, den du erkauft hat; hier erblickst du den Schöpfer, ach blicke nicht weg vom Geschöpfe; umfasse freundlich den Hirten, und nimm in Gnaden an das Schaf, das er auf seinen Achseln herzuträgt. Fürwahr, er ist der allertreueste Hirt: schon längst hatte er auf schroffen Bergen, in klüftereichen Thälern, unter vieler und mancherlei Mühe ein irres Schäflein gesucht; und als er schon im Tode lag, und ihm auf langem Irrwege schon alle Kraft entgangen war, hat ers endlich gefunden, mit Freuden seine Hand nach ihm ausgestreckt, und mit Aufbietung aller seiner Liebeskraft aus dem tiefen Abgrunde herausgezogen, in den es sich verirrt, und aus dem es herauswollte; er hat es mit seinen treuen Armen fest umfaßt, und das Eine Schäflein, das verloren war, zu den Neunundneunzig zurückgetragen. Siehe, mein Herr und König, allmächtiger Gott, siehe der gute Hirt bringt dir wieder, was du ihm anvertraut hat. Er nimmt sich des Menschen an, des Rettung du ihm befohlen; er stellt ihn vor dich gereinigt von jeglichem Flecken. Siehe, wie dein liebster Sohn wieder zu dir sammelt dein Geschöpf, das sich weit von dir verirrt hatte. Siehe der mildherzige Hirt führt wieder zu deiner Heerde zurück, was der gewaltthätige Räuber hinweggetrieben; er bringt den Knecht wieder vor dein Antlitz, den ein böses Gewissen vor dir fliehen hieß. Er hatte Strafe verdient, nun soll er durch das Verdienst des Weltenschöpfers die Gnade erlangen; um seiner Verschuldungen willen wartete die Hölle auf ihn, aber da du ein starker Helfer bist, darf er nun fest hoffen auf Heimberufung ins Vaterhaus. Dich, heiliger Vater, beleidigen, das konnte ich aus eigener Kraft, aber ich konnte nicht aus eigener Kraft dich wieder versöhnen. So ist, mein Gott, dein lieber Sohn mein Beistand worden, und hat meine Menschheit an sich genommen, um meine Schwachheit zu heilen. Weil aus ihr die Sünde und Schuld hervorstoß, die dich beleidigt, bat er aus ihr dir ein Brandopfer bereitet, das dich ehret. Durch denselbigen Opferleib wollte er mich mit dir, dem Heiligen, versöhnen, in welchem er zu deiner Rechten sitzt, um täglich zu erweisen, daß er meiner Natur, meines Wesens theilhaftig worden ist. Siehe, er ist meine Hoffnung, siehe, er ist meine ganze Zuversicht. Wenn du mit Recht mich verachtest um meiner Uebertretung willen, so blicke mich doch mit Erbarmen an, um der Liebe deines geliebten Sohnes willen; siehe der Sohn hat, was versöhnet den Knecht. Siehe an das heilige Geheimniß seines Fleisches, und vergib die Schuld meines Fleisches. So oft du die offenen Wunden deines seligen Kindes anschaut, laß, ich bitte dich, meine Missethaten zugedeckt sein, so oft du das Roth seines kostbaren Blutes an seiner heiligen Seite ansieht, laß, ich beschwöre dich, hinweggewischt ein alle Befleckung meiner Unreinigkeit. Und weil Fleisch dich zum Zorn reizte, müsse dich Fleisch, ach gib das doch, zur Barmherzigkeit bewegen, auf daß, wie Fleisch der Verführer zur Sünde war, gleich also Fleisch der Führer zur Gnade werde. So viel es auch ist, was meine Gottlosigkeit zu leiden verdiente, so ists doch noch bei weitem mehr, was dem gegenüber meines Erlösers Frömmigkeit mit vollem Rechte fordern darf; und ist auch meine Ungerechtigkeit gar groß, so ist fürwahr viel größer meines Erlösers Gerechtigkeit. Denn um wie viel höher Gott über dem Menschen steht, um so viel tiefer steht mein Böse sein unter einem Gutsein, sowohl nach Beschaffenheit als Fülle. Denn was auch für Sünde der Mensch begehen könnte, hat sie nicht bezahlet der Sohn Gottes, der Mensch ward? Wie hoch auch Hochmuth sich erheben möge, hat ihn nicht eben so tiefe Demuth zu Boden geschlagen? Wie stark auch des Todes Gewalt sei, hat nicht die Kreuzespein des Sohnes Gottes sie zerbrochen? Gewiß, mein Gott, es ist kein Zweifel, wenn die Missethaten der sündigen Menschheit, und die Gnade des Erlösers, der sie versöhnt hat, auf gerechter Wage gewogen werden sollten, so würde ein größerer Zwischen raum sie trennen, als zwischen Morgen und Abend, zwischen unterster Hölle und oberstem Himmel ist. So vergib, erhabener Schöpfer des Lichtes, so vergib meine Sünden und der unsäglich schweren Heilsarbeit deines geliebten Sohnes willen, So verzeihe doch meine Gottlosigkeit um seiner Frömmigkeit, meine Ungebühr um seiner Bescheidenheit, mein jaches Wesen um seiner Sanftmuth willen. So laß ungestraft meinen Stolz um seine Demuth, Ungeduld um Geduld, Härte um Güte, Ungehorsam um Gehorsam, Bitterkeit um Freundlichkeit, Zorn um Milde, Grausamkeit um Liebe. Das Alles um des willen, der mit dir lebet und regieret in Ewigkeit. Amen.

Sündenbekenntnis

Mein Gott, du Hocherhabener, mildherziger Freund aller Menschen, Schöpfer und Regierer aller Creatur, vor dir, dem unsäglich Erbarmungsreichen, bekenne ich alle meine Sünden, die ich irgendwie gethan von der Stunde an, da ich zu sündigen anfing, bis zur heutigen, die du nach deiner Barmherzigkeit mich noch erleben lässest. Freilich vermag ich nicht mich an sie alle zu erinnern, es sind ihrer zu viele, und ist darum nicht möglich sie aufzuzählen. Du aber, gnädiger und barmherziger Gott, der du alle unsere Thaten weißt, noch ehe sie geschehen, und versteht unsere Gedanken von ferne, und prüfest Herz und Nieren in Gerechtigkeit, du kennst alle meine Sünden, die ich begangen habe und noch begehe, sei es nun inwendig in den geheimen Gedanken meiner Seele, oder auswendig in offenbaren Werken. Und weil ich gar wohl erkannt habe, daß ich in dem Allem deinem Willen zuwider handelte, so bekenne ich vor deiner Majestät und vor allen deinen Heiligen, daß ich schuldig und strafbar bin, und, wenn nicht zuvor dein nachsichtsvolles Erbarmen mir zu Hülfe kommt, nach dem Tode des Fleisches zum ewigen Tode verdammt, und in der ewigen Qual ohne Aufhören gepeinigt werden muß.

Ich weiß, du gnädiger Gott, ich weiß, daß du mich erschaffen, und den du schuft voll Erbarmen geliebt hat; und daß du mich dazu geschaffen, daß auch ich hin wieder dich meinen Schöpfer nach Würden lieben, und in allen Dingen deinen Geboten gehorsam sein sollte. Das Alles aber hat du also geordnet zu meinem Besten, und nicht, daß du durch mich besser, oder nach irgend einer Seite reicher gemacht würdest. Brauchst du doch in keinem Punkte besser zu werden, weil du selbst das schlechthin. Gute bist, und erst von dir aus gut wurde, wer gut ist. Eben darum kannst du weder besser noch reicher werden; und nicht aus kraftloser Ohnmacht kannst du das nicht, sondern weil du der vollkommene Inbegriff aller Kraft bist. Denn wer Böses zu thun vermag und wirklich thut, vermag und thut es kraft des Bösen, das in ihm ist, weil er durch die Kraft desselbigen nicht zu seinem Heile aufwärts in die Höhe, sondern zu seinem Unheile abwärts in die Tiefe gezogen wird. Durch diese Kraft, oder vielmehr Kraftlosigkeit schmählich irregeführt, und gleichsam in eine von leerem Winde aufgeschwellte Blase verwandelt, alles Verstandes beraubt, und gleichsam der unvernünftigen Creatur ähnlich geworden, vom Pfeile des Hochmuths jämmerlich durchbohrt und zu Boden gestreckt, habe ich dich meinen Schöpfer und überaus barmherzigen Herrn verachtet sammt deinen Geboten, die du mir zu meiner Besserung gabst, wenn anders ich sie hätte befolgen wollen. Aber ich habe sie verachtet, kam ganz von Sinnen, ward ein Spielball des Hochmuthes, ging aller wahren Kraft verlustig, und bin nun auf die Wege des Verderbens und Todes gerathen, und laufe, wie ein wahnsinniger Thor, der Eitelkeit und dem Winde eitlen Ruhmes nach. Ich bekenne dir, du grundgütiger Gott, ich bekenne vor dir dem Allmächtigen, daß mein Stolz, meine Eitelkeit alles Maß übersteigt, daß ich aller Arten von Hochmuth voll bin. Auch glaube ich, wenn ich in dieser Welt zu einiger Macht gelangte, so würde. Niemand meinen Hochmuth zu ertragen vermögen. Aber mag auch der Hochmuth, von dem ich Menschen gegenüber so schwer geplagt werde, noch so fluchwürdig, noch so gefährlich sein, so gibt es doch noch eine andere Art von Hochmuth, von der ich bei scharfer und rückhaltsloser Durchforschung der geheimen Tiefen meines Geistes befinde, daß sie in nicht geringerem Grade meine unglückliche Seele zerquält und zerreißt. Denn wenn es zur Seltenheit einmal vor kommt, daß ich irgend eine unselige That thue, die nach Meinung der Leute noch einen Zug von Gutem an sich zu tragen scheint, so bilde ich mir nicht wenig darauf ein. Und wer nicht davon spricht, auch nicht in leisester Weise mir darüber Lob spenden will, den verachte ich als thöricht und urtheilsunfähig. Ja selbst, wenn ich in scheinbarer Gleichgültigkeit dem Lobe der Menschen als eitel und werthlos ausweiche, so thue ich doch im innersten Herzensgrunde, dahin Gott allein sieht, mir nicht wenig darauf zu Gute. Und gerade während ich dem Lobe in aller Weise aus dem Wege gehe, verlange ich um so stärker nach Lob und eitler Ehre. Jawohl, mein Gott und mein Schöpfer, jawohl, du siehest, daß ich also thue, also lebe, und meinen ganzen Wandel beflecke, du siehet es und verflucht es, und drohet solchem Leben eitel Strafe und Pein. Darum eile, du mein Schöpfer, eile mir zu helfen zur rechten Zeit, eile und errette meine Seele, und zerbrich und zerscheitere meinen Hochmuth um deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit willen. Siehe, mein Herr und mein Gott, siehe ich bekenne deiner unermeßlichen Gütigkeit, daß ich vom Gifte dieser Bosheit ganz durchzogen, verderbt und zerrüttet bin; ja, ich wäre schon gänzlich zu Grunde gerichtet, hätte nicht deine Barmherzigkeit sich ins Mittel gestellt. Aber vor deiner Majestät erkenne ich meine Schuld, ich habe Strafe und Fluch verdient, und erflehe Vergebung und Verzeihung für diese und alle meine Sünde von dir, du erbarmungsreicher Schöpfer, der du nicht den Tod der Sünder willst, und hat kein Gefallen daran, wenn sie ins Verderben dahinfahren. Gleichermaßen bekenne ich, daß noch viele andere Sünden, die aus jener giftigen Wurzel entspringen, mich beschweren und belasten, mir keine geringe Unruhe machen, und mich gar oft ganz niederdrücken. Auch für diese alle bitte ich um Vergebung und Verzeihung; als da sind: Zorn, Ungeduld, Zwietracht, die Gott zuwider und allen Heiligen verhaßt ist, Unwille, Groll, Unmuth, Gefräßigkeit, mürrisches Wesen, Geiz, Habsucht, und vieles Andere der Art, was, wie ich fühle, meine Seele zu ihrem Unheile plagt und peinigt, zerreißt und zerrüttet. Und außerdem gibt es noch Ein Uebel, es ist das Uebel aller Uebel, von dem ich meine Seele um so schwerer und schmählicher beschwert und verwüstet befinde, da es von Kindesbeinen an stets mit mir ging. Es ist mit mir groß geworden, es hat mich durch das Knaben-, Jünglings- und Mannesalter fortwährend begleitet, und auch jetzt mein altermorsches Gebein noch nicht verlassen. Dies Uebel ist die sinnliche fleischliche Lust, die wilde böse Begier, die in vielfacher, mannichfaltiger Weise meine Seele zernagt und zerplagt, sie aller Kraft beraubt, sie entleert und lähmt. Du freundlicher gütiger Gott, vor dir dem Allmächtigen gestehe ich, daß ich oft mit solchen schandbaren Dingen befleckt, und von unreinen Gedanken an solche Schandbarkeiten entzündet worden bin, daß ich in dieser jachen und schändlichen Gluth oft habe leiden müssen, und daß nicht allein die verwerfliche Erinnerung und das thörichte Denken an meine fleischlichen Vergehungen mir Schaden zufügt, sondern auch die Erzählungen von schlechten Thaten Anderer, die mir durch schmutzige Gedankenreihen wieder ins Gedächtniß zurückgerufen werden, und die mein Herz mit dem Schlamme der Sünde in nicht geringem Maße besudeln. „Siehe, mein Gott, du mein gnädiger und barmherziger Herr, obschon mir die Scham den Mund verschließen wollte, habe ich doch meine Uebertretungen vor dir offen dargelegt, dir meine Sündenwunden gewiesen, und dir gezeigt, wie meine Seele mit bösen Werken befleckt, von böser Lust vergiftet, und durch das Zurückdenken an böse Fleisches Vergehungen geschändet ist. Erbarmungsreicher Gott, siehe an meine Buße, siehe an deine Güte, nimm mein Bekenntniß gnädig an, und handle mit mir nach deiner Barmherzigkeit. Willst du freilich nach meinen Sünden mit mir handeln, Herr, wer wird bestehen? Oder wer mag durch seine Gerechtigkeit errettet werden ohne deine Barmherzigkeit? Darum sei mir gnädig, o Herr, sei gnädig mir und meiner Sünde. Strafe mich nicht um meiner Sünden und Uebertretungen willen, sondern nach deiner Barmherzigkeit reinige mich und wasche mich wohl von allen Lasterflecken, und sprich nach deiner Güte mich frei, los und ledig aller meiner Missethat, auf daß, wenn mein zeitlicher Pilgerlauf zu Ende geht, ich eingehen darf in dein Himmelreich, wo ich mit allen Heiligen dich loben und benedeien und preisen will von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Vergebung

„Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.“ Ps. 51, 3. Ohne Zweifel ist es dem Walten des heiligen Geistes zu verdanken, wenn mit diesen von ihm eingegebenen Worten der zur Buße und zum Glauben erweckte Sünder begehrt, daß ihn Gott gnädig sein, und daß nach seiner großen Barmherzigkeit der alle Sünde tilgen möge, den er im gläubigem Vertrauen für den allmächtigen Gott und für den allbarmherzigen Herrn hält. Fürwahr, es ein Werk des heiligen Geistes, wenn ein Sünder an einen Uebel hatten Mißfallen findet, und sich Mühe gibt, so zu handeln, wie es seinem Schöpfer gefällt. Aber auch das vermag er nicht aus eigener Kraft, sondern nur, wenn er durch die Gnade desselbigen heiligen Geistes erleuchtet wird; erfüllt dieser mit seiner Gnade ein Herz, so reinigt er es alsbald von allen Flecken der Sünde. Ja, der Herr ist gnädig und freundlich gegen ein Geschöpf, das er nach seinen Bilde und Gleichniß erschaffen; und weil er es so hoch und sehr geehrt hat, läßt er einzig und allein im Falle großen Sündenverderbens seinen Untergang zu. Ist doch der Schöpfer der Welt der vollkommen Gütige und Milde, und von großem Erbarmen gegen Alle, die ihn anrufen, gegen Alle, die ihn mit Ernst anrufen; er thut, was die Gottesfürchtigen begehren, und höret ihr Schreien, er errettet sie um seiner großen Barmherzigkeit willen, und hilft ihnen aus zur ewigen Herrlichkeit. Denn er erbarmet sich aller seiner Werke, und haftet nichts, was er gemacht hat; darum übersiehet er die Sünden der Menschen, die da Buße thun, und verschont ihrer, weil er voller Gnade ist. Der Herr ist barmherzig gegen Sünder, die ihre Missethat lassen, durch wahrhaftige Reue und rechtschaffene Früchte aufrichtiger Buße sich reinigen von ihren bösen Werken, und in rückhaltsloser Sündenerkenntniß und rückhaltslosem Sündenbekenntniß sich selbst zum Opfer dar, bringen. Die wahre Buße und das wahre Bekenntniß besteht aber darin, daß man das begangene Böse schmerzlich beklagt, und, was man beklagt, sich nicht länger zu Schulden kommen läßt. Wie sich nun ein Vater über Kinder erbarmet, und viel mehr noch, als Einer, der nach dem Fleisch der Vater seiner Kinder ist, so erbarmet sich der gnädige und barmherzige Herr über die, so ihn fürchten. Denn er kennet, was für ein Gemächte wir sind; er weiß noch recht gut, woraus er uns unsern Erdenleib gemacht hat. Er gedenket daran, daß wir Staub und Asche, dennoch aber nach einem Bilde geschaffen sind. Wenn wir nun ins Auge fassen und der Wahrheit gemäß bekennen, daß die Barmherzigkeit unseres Schöpfers gegen sein Geschöpf so groß sei, so können wir an der Erlassung unserer Schuld nicht verzweifeln. Denn wenn wir von ganzem Herzen Buße thun, und unsere Missethat mit reichen Thränenflüssen verdammen, so werden wir ohne allen Zweifel seine Alles vergebende Gnade erlangen. Aber vielleicht meinet eine gesunkene Seele, die schon im Rachen der ewigen Verdammniß steckt, in Anbetracht der Riesengröße ihrer Sünden, an der Barmherzigkeit Gottes verzweifeln und bei sich selber sprechen zu müssen: Was ließe sich wohl noch für ein Weg ausfinden, auf dem ich Heil erlangen könnte, oder woher sollte ich das Trostwort nehmen, das mir auch nur leise die Vergebung meiner Uebeln hatten verhieße? Seit ich zu sündigen vermochte, habe ich nie abgelassen von Sünden und bösen Werken. Ohne Aufhören habe ich Sünde auf Sünde gehäuft, und wenn ich sie etwa nicht ins Werk zu setzen vermochte, so habe ich doch unablässig den bösen Willen, die böse Lust dazu gehabt. Bin ich nun in so großes Uebel und Unrecht verwickelt, von so großen Sünden und Missethaten umringt, was Anderes könnte ich noch hoffen, als das ewige Verderben und die ewige Verdammnis zum ewigen Verderben? Und selbst wenn ich einmal durch Gottes Erbarmen es bis zum Bekennen meiner Sünden gebracht, und in rechtschaffener Buße Besserung von Sünden zugesagt habe, alsbald, oder doch kurze Zeit darauf habe ich dieselbigen Sünden und noch schlimmere von neuem begangen, und bin wie ein Hund umgekehrt zu meinem Gespei; was ich durch das Bekenntniß gleichsam aus Mund und Herz ausgespieen, das habe ich in schmutzigerem Zustande, denn zuvor wieder hineingenommen. Selbst geschworen habe ich öfter, daß ich für immer von Sünden ablassen, nie mehr den verkehrten Weg betreten, und die Steige der Gerechtigkeit beharrlich gehen wolle. Aber weder die Furcht vor Meineid, noch die Furcht vor Gott, der von seiner Höhe herunter. Alles sieht, konnte mich vom Sündigen abhalten. Fürwahr, mein Gott, du liebreicher Freund des Menschengeschlechts, wenn du herabsiehen von deinem Heiligthume, und herunterblickest aus deiner erhabenen Himmelsbehausung, so hast du einen armen Menschen vor dir, der dir den Rücken zukehrt, dich und deine Gebote verachtet, und wegen seiner großen Sünden an dir und deiner großen Barmherzigkeit verzweifelt, ja einen überaus elenden Sünder hast du vor dir. Und dennoch sieht und schaut da dich nach ihm um, weil er von dir geschaffen, und so lange er in dieser Welt lebt, durch dein Wohlthun erhalten worden ist. So ende, du guter Gott, in seine Seele die rechte Furcht vor dir, und nimm hinweg aus seinem Herzen das knechtische Zittern. Schaue in Gnaden an und erleuchte ein verdüstertes Herz, daß es sehen und erkennen möge, wie groß, o Herr, und wie lieblich sei die Fülle deiner Freundlichkeit, die du verborgen hat denen, die an dir zweifeln, aber an denen offenbart, die auf dich hoffen. Es müsse, du grundgütiger Gott, es müsse die tobende Fluth ihn nicht versenken, die Tiefe ihn nicht verschlingen, die Hölle gegen ihn das Maul nicht aufsperren, damit meine ich den Abgrund seiner Sünden und das Verzweifeln an deinem Erbarmen. Daß du, o Gott, du mildfreundlicher Schöpfer der Menschen, allmächtig bist, und Alles machen kannst, was du willst, das glauben wir, Sagt doch von dir der Prophet: „Alles, was er will, das thut er, in Himmel, auf Erden, im Meer, und in allen Tiefen.“ Ps. 135, 6. Wir wissen aber, daß du nicht willst das Verderben der Sünder, sondern daß sie von Sünden ablassen, und leben. Bist du nun allmächtig, wie du denn das wirklich bist, denn du kannst machen, was du willst, und willst du nicht, daß der Sünder verderbe, sondern daß er sich vom Bösen wende und lebe, so dürfen wir an der Größe deines Erbarmens nicht zweifeln, sondern in der gewissen Hoffnung auf Vergebung müssen wir fest auf Barmherzigkeit rechnen. Es ist ja ganz wahr, daß unsere Sünden viel und groß sind, aber wir sind auch gewiß, daß deine Barmherzigkeit viel und groß ist.

Allmächtiger und barmherziger Gott, wir wissen, daß du der aller vollkommenste Geist bist, unveränderlich und ewig, lebendig in deinem eigenen Leben, welches du selbst bist, und in deiner eigenen Ewigkeit, und daß wir, deine Geschöpfe, aus Güte und Erbarmen von dir geschaffen sind. Wenn wir aber sündigen, d. h. wenn wir nicht thun, was du gebietet, so sterben wir um unserer Sünde willen, obschon deine Barmherzigkeit es zu läßt, daß auch in uns den bereits Erstorbenen noch eine Art von Leben bleibt. Wenn wir dir aber wiederum gehorsam werden, unter dem Beistand deiner Gnade uns von bösen Werken enthalten, und mit dir, dem lebendig machenden Geiste und Schöpfer, eins werden in guten Werken, so werden wir aufs neue lebendig, werden auch nach dem Tode mit dir in der ewigen Herrlichkeit leben, das Alles nur, wenn wir unser Lebelang ohne Aufhören gute Früchte bringen in Geduld. Nachdem Elisa der Prophet längst gestorben und begraben war, ist ein Todter, der mit jenes Gebeinen in Berührung kam, wiederum lebendig auf erstanden; durch die Berührung mit dem Leibe des hochverdienten Propheten ward ihm aufs neue das Leben geschenkt. Wenn also durch Berührung mit einem todten Propheten ein Todter wieder auferstanden ist, wie viel mehr werden wir von neuem lebendig werden, wenn wir mit dir, unserem Schöpfer, mit dir, dem lebendigen, unsterblichen Geiste eins werden in guten Werken. Darum erbarme dich unser, du Schöpfer unser Aller, erbarme dich unser nach deiner Güte, und tilge unsere Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit; erwecke uns während des jetzigen Lebens vom Tode zum Leben, d. h. vom Tode der Sünde zum Leben der Gerechtigkeit, und am jüngsten Tage erwecke uns, die wir durch deine Barmherzigkeit gerecht geworden sind, zur ewigen Herrlichkeit. Du selber wirft sie uns aus Gnaden geben, du selber, der du lebest und regierest in Ewigkeit. Amen.

Verlangen nach Gott

O Herr, mein Gott, gib meinem Herzen, daß es nach dir verlange, voll Verlangen dich suche, im Suchen dich finde, im Finden dich liebe, im Lieben von Sünden frei werde, und, frei geworden von ihnen, nicht wiederum sündige. Mein Herr und Gott, gib meinem Herzen, daß es Reue spüre, meiner Seele, daß sie Buße empfinde, meinen Augen, daß sie von Thränen quellen, meinen Händen, daß sie reichliche Almosen spenden. Du, mein König, lösche aus in mir die Lüste des Fleisches, entzünde in mir das Feuer deiner Liebe. Mein Erlöser, treibe hinaus aus mir den Geist des Hochmuthes, verleihe mir in Gnaden den Geist der Demuth. Lieber Heiland, laß ferne von mir weichen die Wuth des Zornes, rüste mich nach deiner Güte mit dem Schilde der Geduld. Mein Schöpfer, reiße aus meinem Herzen allen Haß und Groll, und schenke ihm mildiglich einen sanftmüthigen Sinn. Gib mir, du erbarmungsreicher Vater, einen festen Glauben, eine lebendige Hoffnung, ausharrende Liebe

Du bist mein Regierer, nimm du meiner Seele alles eitle Wesen, meinem Geiste die Unbeständigkeit, meinem Herzen den zerstreuten Sinn, meinem Munde die leichtfertige Rede, meinen Augen den stolzen Blick, meinem Gaumen die Lüsternheit, nimm hinweg das Afterreden und Verläumden, unruhige Neugier, Geldgier, das Trachten nach Macht, das Verlangen nach eitler Ehre, das Laster der Heuchelei, das Gift der Schmeichelei, die Geringschätzung gegen Geringe, die Lust Schwache zu unterdrücken, gierigen Geiz, nagenden Neid, todbringende Lästerung. Du hast mich gemacht, so tilge aus in mir alle Voreiligkeit, falsche Hartnäckigkeit, Friedlose Rastlosigkeit, faule Schläfrigkeit, geistige Stumpfheit, des Herzens Blindheit, Gefühllosigkeit, barsches Benehmen, Abneigung das Gute zu thun, Widerspruch gegen guten Rath, Zügellosigkeit der Zunge, Beraubung der Armen, Gewaltthätigkeit gegen Machtlose, Schmähworte gegen Unschuldige, Nachlässigkeit gegen Pflegebefohlene, Unfreundlichkeit gegen Hausgenossen, Lieblosigkeit gegen Familienglieder, Hartherzigkeit gegen den Nächsten. Herr Gott, mein Erbarmer, ich bitte dich um deines lieben Sohnes willen, gib mir Werke der Barmherzigkeit, Thaten der Liebe, gib, daß ich Mitleid empfinde mit den Heimgesuchten, Unterstützung reiche den Dürftigen, Hülfe leiste den Elenden, Rath ertheile den Irrenden, Trost spende den Traurigen, daß ich den Unterdrückten Erleichterung, den Armen Erquickung schaffe, beklagenswerthen Theilnahme biete; daß ich Schuldnern ihre Schuld erlasse, gern vergebe denen, die sich an mir versündigen, liebe, die mich hassen, Böses mit Gutem vergelte, Niemand verachte, sondern Jedermann seine Ehre gebe, den Guten nacheifere, die Bösen meide, aller Tugenden mich befleiße, alle Laster verabscheue, im Unglück Geduld, im Glücke Mäßigung erweise, meinen Mund mit einem Schlosse und meine Lippen mit einer Thür verwahre, das Irdische unter mich trete und nach dem, was himmlisch ist, sehnlich verlange. Siehe, mein Schöpfer, ich habe. Vieles gebeten, obschon ich nicht das Geringste verdient habe. Muß ich doch zu meinem Herzeleide bekennen, daß mir nicht allein die Gaben nicht gebühren, die ich soeben erbat, sondern daß ich im Gegentheil vieler und ausgesuchter Strafen schuldig bin. Aber es machen mir Muth die Zöllner, Hurer und Uebelthäter, die kraft ihrer demüthigen Buße in einem Augenblicke dem Rachen des Feindes entrissen und vom guten Hirten auf die Schultern genommen wurden. Herr Gott, der du Alles geschaffen, so wunderbar du auch bist in allen deinen Werken, das Allerwunderbarste bleibt doch die Tiefe deiner Liebe. Darum hast du durch einen deiner Knechte über dich selbst gesagt: „Der Herr ist. Allen gütig, und erbarmet sich aller seiner Werke.“ Ps. 145,9. Und gewiß gilt es nicht nur einem einzelnen Manne, sondern deinem ganzen Volke, wenn du spricht: „Aber meine Gnade will ich nicht von ihm wenden.“ Ps. 89, 34. Denn du verachtet, verwirft und verschmäht nur, die sich verkehrter Weise ganz von dir wenden; darum zerscheitert du auch nicht alsbald im Zorne, die dich zum Zorne reizen, sondern gibt ihnen allerlei Gutes, so sie dich bitten, mein Gott, Herr meines Heils, und mein Schutz. Wehe mir, ich habe die beleidigt, ich habe übel vor dir gethan, deinen Zorn verdient, deine Rache herausgefordert; ich habe gesündigt, und du hast es gelitten, ich habe gefehlt, und du hast es bis heute ertragen. Wenn ich Buße thue, schont du meiner, wenn ich mich zu dir kehre, nimmst du mich auf; ja selbst wenn ich zögere also zu thun, so harrest du meiner. Du ruft mich zurück, so ich irre gehe, du lockt mich, so ich widerstrebe, du erweckt mich, wenn ich wie todt daliege, du umfängt mich, wenn ich heimkehre; du belehrt meine Unwissenheit, tröstet mich in Trübsal; du hältst mich, so ich gleite, und hilft mir auf, wenn ich gefallen bin; du gibst mir, so ich bitte, lässest dich finden, so ich dich suche, thut mir auf, so ich anklopfe. Herr, mein Heil, was könnte ich wohl noch vorwenden, womit könnte ich mich wohl noch entschuldigen; du hast mir gar keine Ausflucht, gar keinen Schlupfwinkel übrig gelassen, dahin ich mich vor dir verbergen könnte. Hast du mir doch den Weg des Lebens deutlich gezeigt, und mir gewiesen, wie ich ihn gehen soll, hast du mir doch die Hölle gedroht, und die Herrlichkeit des Paradieses verheißen. Vater der Barmherzigkeit, Gott alles Trostes, so kreuzige nun durch die Furcht vor dir mein Fleisch, auf daß ich erschrocken deinen Drohungen zu entrinnen trachte; verleihe mir in Gnaden, daß ich, fröhlich in deinem Heile, alles was du verheißest auch erlangen möge, darum, daß, ich dich lieb habe. Herr, mein Fels, meine Burg, mein Hort, auf den ich traue, und mein Erretter, leite mich, Gutes von dir zu denken, lehre mich, in rechter Weise zu dir zu beten, gib mir, daß ich thue nach deinem Wohl gefallen. Nun weiß ich, ja ich weiß. Eines, das dich versöhnet, und das Andere verachtest du auch nicht. Fürwahr ein geängsteter Geist ist ein dir wohlgefälliges Opfer, und in Gnaden nimmst du an ein zerschlagenes und gedemüthigtes Herz. Mit diesem Schätzen wollest du, Gott, mein Erlöser, mich begaben. Mit dieser Schutzwehr wollest du gegen meinen Feind mich umschirmen, dies kühle Bad mir bereiten, wenn meine Sünden mich brennen, diese Zuflucht freundlich mir öffnen, wenn ich zu leiden habe unter meinen bösen Begierden. O Herr, du meine Kraft und mein Heil, schaffe doch, daß ich nicht unter denen erfunden werde, die eine kleine Zeit glauben, darnach aber, zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Sei du meines Hauptes Schirm, wenn sich Krieg wider mich erhebt, sei du meine Hoffnung am Tage der Heimsuchung, und mein Trost in Trübsal. Siehe Herr, mein Licht, und mein Heil, ich habe gebeten, weiß ich bedarf, ich habe dir aufs Herz gelegt meine Sorgen und Furcht; aber mein Gewissen beißt mich, meines Herzens Gedanken verklagen sich untereinander: was deine Liebe baut, reißt meine Furcht wieder ein; wozu dein Eifergeist antreibt, davon räth mein Sorgengeist ab; meine Thaten erschrecken mich, dein Erbarmen gibt mir eine gute Zuversicht; deine Güte macht mir Muth, meine Bosheit entmuthigt mich; ja, um ganz offen zu sein, es erwachen in meiner Erinnerung Lasterscenen, die zu Boden schlagen müssen die kühne Hoffnung auch des vermessensten Geistes. Wenn Einer des Hasses werth ist, mit welcher Stirn soll er um Gnade für seine Sünden bitten? Wenn sich Einer der Strafe schuldig gemacht hat, welche Frechheit gehört dazu die Herrlichkeit zu begehren? Es muß den Richter reizen, wenn Einer gar nicht an die Sühnung seines Vergehens denkt, vielmehr ehrenvolle Belohnung verlangt. Ein König muß sich beleidigt fühlen, wenn Einer, der Strafe verdient hat, ihn um unverdiente Auszeichnung angeht. Auch die zärtliche Liebe eines Vaters muß in Erbitterung umschlagen, wenn der Sohn thörlichter Weise ein schönes Erbtheil in Anspruch nimmt, ohne vorher zu bereuen, daß er jenen beschimpft hat. Wenn ichs recht erwäge, lieber Vater, habe ich denn nicht also gethan? Ich habe den Tod verdient, und begehrte das Leben; ich habe meinen König erzürnt, und nun bin ich so unverschämt seinen Schutz anzurufen; ich habe meinen Richter verachtet, und begehre ihn ohne weiteres zu meinem Helfer; ich habe frech meinem Vater den Gehorsam versagt, und mache noch Rechnung darauf ihn zum Schirmherrn zu haben.

Wehe mir, daß ich so spät zu ihm gehe, wehe, daß ich so langsam ihm zu eile, wehe mir, daß ich erst zu ihm laufe, nachdem ich verwundet bin. Da ich noch unverletzt dastand, verschmähte ich mich vor den Geschossen zu hüten, ich versäumte die Pfeile zu beachten, nun aber jetzt der nahende Tod mich in Unruhe. Ich habe mir Wunden über Wunden geschlagen, denn ich scheute mich nicht Sünden zu Sünden zu fügen. Ich habe meine Narben wieder zum Aufbrechen gebracht, denn ich habe meine alten Vergehungen in neuen Uebertretungen erneuert; sie waren unter Gottes segnender Hand geheilt, in wahnwitzigem Sinne habe ich sie wieder aufgerissen. Das Häutlein, das die Wunde überzogen hatte, verbarg das innere Verderben, aber, als den Eiter hervorbrach, vermoderte es; erneuerte Versündigung machte das mit geschenkte Erbarmen zu nichte. So habe ich an mir selber die Wahrheit des Wortes erfahren: „Wenn ein Gerechter Böses thut, so wird es ihm nicht helfen, daß er fromm gewesen ist.“ Hes. 33, 12. Wenn aber die Gerechtigkeit eines Gerechten, der zu Falle kommt, zu Schanden wird, wie viel mehr die Buße eines Sünders, der wieder umkehrt zu seinen früheren Sünden. Wie oft war ich dem Hunde gleich, der wieder fristet, was er gespeiet hat, und wie oft der Sau gleich, die nach der Schwemme sich wieder wälzet im Koth. Darum ist es mir kaum möglich ein Bekenntniß davon abzulegen, denn es ist unmöglich auch nur die Erinnerung davon zu bewahren, wie viele Einfältige unter den Sterblichen ich sündigen lehrte, je sie die Sünde nicht thun wollten, habe ich sie überredet, so sie ihr widerstrebten, habe ich sie gezwungen, so die willig dazu waren, habe ich sie bestärkt. Wie Vielen, die richtige Schritte thaten, habe ich Schlingen gestellt; sie suchten den Weg, ich grub ihnen Gruben; ich scheute mich nicht Böses zu vollbringen, ich fürchtete mich nicht der Gnadengaben Gottes zu vergessen. Aber du, der gerechte Richter, hat alle meine Sünde in einen Beutel versiegelt, du sahest alle meine Wege, und zähltest alle meine Schritte. Und doch schwiegst du beharrlich, du thatest deinen Mund nicht auf, und übtest Geduld. Wehe mir, wenn du schreien wirft wie eine Gebärerin. O Herr, du Gott aller Götter, hocherhaben über Alles, was Bosheit heißt, ich weiß es, daß du offenbarlich wirst kommen, ich weiß es, daß du nicht immer schweigen wird; dann wird vor dir ein Feuer anbrennen, und um dich her ein starker Sturm sich erheben, dann wirst du rufen dem Himmel oben, und der Erde unten, zu richten dein Volk. Ach, vor wie viel tausend Völkern werden alle meine Uebertretungen enthüllt, vor wie viel Legionen von Engeln werden alle meine Vergehungen offenbar werden, nicht nur die in Thaten, auch die in Worten und Gedanken. Die Zahl der Richter, vor denen ich rathlos stehen werde, wird gerade so groß sein, als die Zahl derer, die mich an guten Thaten übertrafen. So Viele mir das Beispiel eines guten Wandels darboten, gerade so Viele werden mich durch Vorwürfe beschämen. Gerade so viele Zeugen werden mich überweisen, so viele mich mahnten mit eindringlichen Worten, und mir ein Vorbild gaben durch ihre gerechten Werke. Herr, mein Gott, es fällt mir nichts ein, was ich sagen, es kommt mir nicht bei, was ich antworten könnte. Es ist mir, als ob ich schon vor jenem Gerichte stünde, mein Gewissen jetzt mir zu, es quälen mich selbst die verborgenen Sünden meines Herzens; mein Geist treibt mich in die Enge, mein Stolz verklagt mich, mein Neid verzehrt, die böse Begier brennt mich, Schwelgerei befleckt, Schlemmen entehrt, Trunkenheit schändet mich, meine Schmähsucht schilt, Ehrsucht stürzt, Habsucht fesselt, Streitsucht zerreißt mich, der Zorn verwirrt, der Leichtsinn fällt, die Faulheit erdrückt mich, meine Heuchelei täuscht, meine Schmeichelei betrügt mich, meine Gunterweisungen heben mich empor, meine Ränke werfen mich nieder. Siehe, Herr, der du mich erretten willst von diesen zänkischen Leuten, siehe, gerade mit ihnen habe ich mich zusammengelebt vom Tage meiner Geburt an, ihnen habe ich mich hingegeben, ihnen habe ich Treue gehalten; und gerade die, denen ich mich in Liebe zuneigte, verdammen mich, die ich lobte, machen mir Vorwürfe. Sie gerade waren die Freunde, denen ich im Schooße saß, die Lehrmeister, denen ich gehorchte, die Herren, denen ich diente, die Rathgeber, denen ich Glauben schenkte, die Bürger, unter denen ich wohnte, die Hausgenossen, mit denen ich alt wurde. Mein König und mein Gott, wehe mir, daß ich noch länger unter ihnen leben soll. Du mein Licht, wehe mir, daß ich gewohnt habe unter den Hütten Kedars. Hat der heilige David gesagt: „Es wird meiner Seele lange zu wohnen bei ihnen,“ wie viel mehr muß ich Unseliger sagen: „Es wird meiner Seele allzu lange.“ Gott, mein Hort, vor dir ist kein Lebendiger gerecht. Du meine Hoffnung, wenn du nicht Gnade für Recht ergehen lassen willst, so findest du unter den Menschenkindern nicht. Einen Gerechten; wenn du nicht in Barmherzigkeit dich des Gottlosen willst annehmen, so ist kein Frommer da, den du selig machen könntest. Aber ich glaube, Gott, mein Heil, was ich gehört habe, daß deine Güte mich zur Buße leitet. Du bist meine starke Burg, deine Lippen riefen mir zu, was Noth thut: „Es kann Niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat.“ Joh. 6,44. Da du mich also gelehrt und mir in Gnaden so heilsame Unterweisung ertheilt hat, so bitte ich von Grund meines Herzens und aus der Tiefe meiner Seele dich, allmächtiger Vater, im Namen deines geliebten Sohnes, und dich, du liebreicher Sohn Gottes, rufe ich an im Namen des freudigen, des heiligen Geistes. Ziehe mich, bis ich dir nachlaufe und erquickt werde vom Geruch deiner Salben. Wie groß, o Herr, mein Gott, ist die Fülle deiner Lieblichkeit, die du verborgen hat denen, die dich fürchten. Du hast sie verborgen, um sie zu bewahren, nicht um sie zu verbergen. Du hast sie entzogen, um sie dadurch zu verdoppeln. Man pflegt wohl, was verborgen wird, um so eifriger zu suchen, und so man es findet, um so inniger zu lieben. Die Sehnsucht nach dir wird dadurch, daß sie nicht gleich befriedigt wird, nicht kleiner, sondern größer; ist doch die Liebe zu dir nicht flüchtiger Natur, sondern ewig. Die wahre Liebe zu dir kann nicht erkalten, sie wird immer heißer erglühen. Die Liebe zu dir ist kein faul und müßig Ding, dein zu gedenken ist mir süßer denn Honig, und über dich nachzusinnen süßer denn Honigseim. Von dir zu reden ist süße Labe, dich zu kennen vollkommner Trost, dir anzuhangen ist ewiges Leben, von dir geschieden zu sein ein immerwährendes Sterben. Du bist die lebendige Quelle für die, so nach dir dürsten, eine Speise, die nicht unter Händen verzehret wird derer, die nach dir hungert. Die dich suchen rühmen sich, und die dich finden freuen sich deiner. Dein Hauch erweckt die Todten, dein Blick heilt die Kranken, dein Licht vertreibt alle Dunkelheit, deine Beiwohnung verscheucht allen Trübsinn. Bei dir gibt es keine Traurigkeit, aller Schmerz ist ferne von dir; wer bei dir ist, kennt keine Klage, keine Blöße. Wo du bist, da ist keine drückende Armuth, kein Mangel an irgend einem Gute, da ist von Finsterniß und Zähneklappen der Hölle keine Rede; bei dir gibt es keine dunkeln Nächte, keinen frechen Aufruhr; verzehrender Hunger und Durst, peinigende Hitze und Kälte, Schwachheit des Leibes finden in deiner Nähe keine Stätte; da ist keine Spur von Seelenverderben, kein Neid, kein Streit, nicht ein Funke von Ehrgeiz; ganz fern liegt die bange Erwartung des Endes, die unruhige Sorge um das Todesstündlein, Mühsal des Greisenalters, Mattigkeit und Kränklichkeit; da weiß man nichts von den Unbilden der Witterung und vom Wechsel der Jahreszeiten. Das macht die gewaltige Größe deiner Liebe, die du verborgen hat denen, die dich fürchten, aber ihnen vollkommen offenbarest, so sie auf dich hoffen. Ach wie köstlich ist ein Verbergen, das die vollkommnere Fülle zu Wege bringt; fürwahr, es ist dies Verbergen nicht für Verlust zu achten, vielmehr für ein Bewahren, das zu vollkommenem Gewinn führt. Du König der Ehren, deine Befehle sind wahrhaftig und gerecht, sie sind mir köstlicher, denn Gold und viel feines Gold, süßer, denn Honig und Honigseim. Mein Gott, du mein Leben, ich bitte dich im Namen meines Erlösers, deines lieben Sohnes, verleihe mir in Gnaden, daß ich sie bewahre, denn ich weiß, ihre Bewahrung hat großen Lohn. Herr Gott, du mein Ruhm, du verschließest deinen Schatz, um das Verlangen darnach zu steigern; du verbirgt die Perle, um den Eifer des, der sie sucht, zu erhöhen; du zögert zu geben, um beten zu lehren; du thust, als ob du unser Bitten nicht hörtest, damit wir anhalten am Gebet. Kurzum, den Anfängern im Glauben gibst du deine Verheißungen, aber nur wenn sie beharren bis ans Ende, gibst du ihnen dein Heil. Ein glänzender Beweis dafür ist jenes Weib, das deinen Gesalbten und in Christo dich selber unter Thränen bei den Todten suchte mitten in der Finsterniß, mit der du sie umgeben hattest, auf daß sie das Suchen lernen sollte. Als sie aber suchte, verbargst du dich, um sie zur Beharrlichkeit anzuleiten. Sie beharrte im Hoffen und hoffte beharrlich, und weil sie in der Hoffnung beharrte, ward sie gewürdigt dich zu schauen. Das war ein seliges Schauen und Freude die Fülle, höchste Wonne und voll befriedigtes Verlangen. O du liebliches Antlitz, du herzerquicklicher Anblick. Du selige Hoffnung und du gesegnete Beharrlichkeit! Hätte sie nicht gehofft, konnte sie nicht ausharren; hätte sie nicht ausgeharrt, so würde sie die Frucht ihres Hoffens nicht empfangen haben. Darum also, Gott, mein Erbarmer, verbirgst du dich denen, die dich fürchten, auf daß du dich finden lässest von denen, die auf dich hoffen; darum trittst du ferne denen, die dich suchen, auf daß du ihnen deine Nähe offenbarest, so die beharren bis ans Ende. Die von dir weichen, werden umkommen, aber Keiner wird zu Schanden, der deiner harret. Alle, so dich fürchten, die hoffen auf dich, denn du bist ihre Hülfe und Schild. Die Furcht bahnt der Liebe den Weg. Du bist als Herr zu fürchten, als Vater zu lieben. Die heilige Furcht vor dir bleibt unser Geleitsmann, denn sie schafft es, daß die, in denen sie wohnt, heilig bleiben. Die dich fürchten, haben keinen Mangel, denn du hältst deine Augen offen über sie, und deine Ohren über ihrem Gebet. Du meine Zuflucht und Zuversicht, du mein Helfer und Erretter, gib mir solche Furcht, daß du mir Liebe schenken könnet; schaffe, daß ich mich also vor dir scheue, daß ich mich immer mehr nach dir sehne; und also laß mich unter denen sein, die dich fürchten, daß ich auch unter denen sei, die deine Gebote bewahren, auf daß ich würdig werde durch die Knechtschaft der Furcht zur Gnade der Liebe hindurchzudringen, und durch die selbige endlich hinanzugelangen zu deiner Herrlichkeit. Amen.

Trost und Liebe

Jesu Christe, du Wort des Vaters, der du in diese Welt gekommen bist die Sünder selig zu machen, ich bitte dich, du wollest um deiner gnadenreichen Barmherzigkeit willen mein Leben reinigen, meinen Wandel bessern, meine Sitten sänftigen, wollest von mir thun, was mir schadet und dir mißfällt, wollest mir geben, woran du Wohlgefallen hat und was mir frommt. Wer anders kann rein machen, was unreinem Samen entsprossen ist, denn du allein? Du, der allmächtige Gott, bist gut und fromm, du machst die Gottlosen gerecht und gibt Leben denen, die in Sünden todt sind, du wandelst um, die da sündig sind, daß sie es nicht mehr sind. Darum thue ab von mir, was dir mißfällt an mir; denn deine Augen sehen an mir viel Unvollkommenheit. Ach greife mit frommer Hand mitten in mich hinein, und nimm aus mir heraus. Alles, was in mir dein frommes Auge beleidigt. Du weißt, o Herr, was an mir gesund und was krank ist. Das Eine wollest du bewahren, das Andere aber gesunden lassen. „Heile du mich, Herr, je werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“ Du bist es, der da heilet, was krank ist, und behütet, was gesund ist; du bist es, der mit Einem Winke wieder bauet, was in Schutt und Trümmern liegt. Willst du also auf deinen Acker, auf mein Herz guten Samen säen, so mußt du zuvor mit deiner frommen Hand das stachlichte Unkraut meiner Sünden ausreißen.

Du allersüßester, gnädigster, liebreichster Heiland, der du mir theurer und begehrenswerther bist, lieblicher und schöner däucht, denn Alles, ich bitte dich, ergieße in meine Brust die Fülle deiner süßen Liebe, auf daß ich nach nichts Irdischem und Fleischlichem mehr dichten und trachten, sondern allein dich lieben, allein dich in meinem Herzen und Munde haben möge. Schreibe mit deinem Finger tief in meine Brust hinein das süße Gedächtniß deines Namens, der von Milch und Honig fließt, auf daß ich einer nimmer vergessen könne. Schreibe auf die Tafel meines Herzens deinen Willen und deine Gerechtigkeit, die mich gerecht macht, auf daß ich dich, o Herr, deß Lieblichkeit alles Denken übersteigt, auf daß ich deine Worte und Befehle immer und allethalben vor Augen habe. Entzünde meine Seele mit dem Feuer, das du auf Erden anzuzünden gekommen bist, und was wolltest du lieber, denn es brennete schon, auf daß ich dir täglich das mit Thränen gesalzene Opfer eines zerschlagenen Geistes und zerbrochenen Herzens darzu bringen vermöge. Du lieber gütiger Herr Jesu, gib mir, was ich begehre, wornach ich von ganzer Seele verlange, gib mir deine heilige und keusche Liebe. Sie ist es, die mich ausfüllen, beherrschen und ganz in Besitz nehmen soll. Gib mir auch das deutliche Zeichen deiner Liebe, den reichen Strom unablässig fließender Thränen. Sie gerade bezeugen mir, daß ich dich lieb habe; das gerade verräth und verkündet, wie sehr meine Seele dich liebt, wenn sie im überschwänglich süßen Gefühl deiner Liebe sich der Thränen nicht enthalten kann. Ich gedenke, o frommer Gott, jener frommen Frau, der Hanna, die zu deinem Hause kam sich einen Sohn zu erbitten. Die Schrift sagt von ihr, daß vor lauter Thränen und Beten ihr Antlitz einen vorigen Ausdruck gar nicht habe wieder gewinnen können. Wenn ich an solche Gebetskraft und Gebetsbeharrlichkeit denke, so schmerzt es mich sehr und betrübt es mich tief, daß ich Armer, wie ich klar erkenne, nur allzu weit hinter ihr zurückbleibe. Denn wenn also weinte, unablässig weinte eine Frau, die nach einem Sohne Verlangen trug, wie sehr erst müßte Betrübniß, anhaltende Betrübniß empfinden meine Seele, die zu Gott Verlangen und Liebe trägt, die zu Gott zu kommen sich sehnt? Wie müßte seufzen und weinen eine Seele, die Tag und Nacht ihren Gott sucht, die nichts Anderes lieben will, als Christum allein? Es wäre ein Wunder, wenn nicht schon längst ihre Thränen ihre Speise geworden wären Tag und Nacht. Darum wende dich zu mir und erbarme dich meiner, weil der Schmerz meines Herzens so groß ist. Gib mir deinen himmlischen Trost, und verwirf nicht die sündige Seele, für die du gestorben bist. Ach gib mir die Thränen, die aus tiefbewegter Seele kommen, auf daß du die Bande meiner Sünde zerschneiden, und mich auf ewig mit himmlischer Wonne erfüllen könnest. Ach, daß ich würdig würde doch wenigstens mit den frommen Frauen in deinem Reiche mein bescheiden Erbtheil dahinzunehmen, wenn mir nicht vergönnt ist, mit den großen und vollkommenen Männern zu erben, weil ich ihren Fußtapfen nicht nachzufolgen vermag.

Noch tritt mir vor die Seele die staunenswerthe Frömmigkeit jener andern Frau, die, obschon du im Grabe lagst, dennoch in herzlicher Liebe dich suchte. Die Jünger flohen, sie aber wich nicht vom Grabe. Betrübt und traurig blieb sie dort sitzen und weinte lange und viel. Und wenn sie dann nach reichlich vergossenen Thränen aufstand, durchforschte sie immer wieder aufs neue aufmerksamen Auges die Tiefe deines leeren Grabes, ob sie nicht doch irgendwo dich wahrzunehmen vermöchte, den sie mit glühendem Verlangen suchte. Ja als sie schon aber und abermal in das Grab eingetreten war und sich umgeschaut hatte, geschah ihrer überaus großen Liebe damit doch noch kein Genüge. Die Hauptsache bei jeglichem guten Werke bleibt die Beharrlichkeit. Und weil sie mehr Liebe hatte, als die Andern, und weil sie vor Liebe weinte, und weil sie unter Thränen suchte, und weil sie im Suchen ausharrte, ist sie auch von Allen zuerst gewürdigt worden dich zu finden, dich zu sehen, dich anzureden. Und nicht allein das, sie erhielt auch das Amt, die erste Botschaft von deiner glorreichen Auferstehung den Jüngern zu bringen, da du ihr den Auftrag und die freundliche Mahnung gabst: „Gehe hin, und verkündige es meinen Brüdern, daß sie gehen in Galiläa, daselbst werden sie mich sehen.“ Wenn nun also weinte, anhaltend weinte eine Frau, die den Lebendigen bei den Todten suchte, die dich mit der Hand des Glaubens erst berührte, wie sehr muß betrübt, unablässig betrübt sein eine Seele, die im Herzen glaubt und mit dem Munde bekennt, daß du ihr Erlöser schon längst im Himmel thronest und Alles regierest? Wie sehr muß seufzen und weinen eine Seele, die von ganzem Herzen dich liebt und von ganzem Gemüthe sehnlich darnach verlangt dich zu sehen?

O Herr, du einige Zuflucht und Zuversicht der Elenden, dem kein Beter ohne gewisse Hoffnung auf Erbarmen naht, verleihe mir um deine und deines heiligen Namens willen die Gnade, daß ich, so oft ich über dich denke und rede, schreibe, lese und predige, so oft ich deiner gedenke, dir nahe trete, dir Preis und Bitte und Opfer bringe, so oft auch reiche und süße Thränen weinend vor deinem Antlitz stehe; ja, laß mir meine Thränen zur Speise werden Tag und Nacht. Hast du doch, du König der Herrlichkeit und Lehrmeister aller Tugenden, durch dein Wort und Beispiel uns seufzen und weinen gelehrt, denn du spricht: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.“ Du hast am Grabe deines Freundes geweint; du hast wie sehr geweint über die dem Untergange geweihte Stadt. Lieber Herr Jesu, so bitte ich dich denn um dieser deiner aller kostbarsten Thränen und um aller der Erbarmungen willen, mit denen du uns armen verlorenen Menschen so wundersam zu Hülfe kommen wolltest, gib mir die Gnadengabe der Thränen, nach der meine Seele so stark verlangt und begehrt. Kann ich sie doch nicht haben, ohne daß du sie mir gibst durch Wirken deines heiligen Geistes, der die harten Herzen der Sünder weich und weinen macht. Gib mir die Gnadengabe der Thränen, wie du sie unsern Vätern gegeben hat, deren Fußtapfen ich nachfolgen soll, auf daß ich um mich Leid tragen möge mein Lebelang, wie jene über sich Leid trugen Tag und Nacht. Gib mir von den Wassern über der Veste und von den Wassern unter der Veste, daß meine Thränen meine Speise seien Tag und Nacht. Und also laß mich dir, mein Gott, im Feuer der Buße ein Opfer werden von Fett und Mark; ich müsse mich dir auf dem Altare meines Herzens zu einem ganzen Opfer bringen, als ein fettes Brandopfer brennen dir zu einem süßen Geruch. Gib mir, du freundlicher Herr, das reiche, klare Brünnlein, in dem jenes unreine Opfer ohn Unterlaß gereinigt werden muß. Aber wenn ich auch kraft deiner Gnade mich dir ganz darzubringen vermag, so thue ich dennoch in meiner übergroßen Schwachheit täglich Sünde. Darum gib mir die Gnadengabe der Thränen, du gebenedeieter hochgeliebter Herr. Bereite deinem Knechte vor dir einen Tisch voll deiner großen süßen Liebe, voll des Gedächtnisses deiner Barmherzigkeit, und laß mich an ihm Sättigung finden so oft ich will. Verleihe mir nach deiner Treue und Güte, daß meinen Durst jener Kelch stille, der voll deiner Freude und Herrlichkeit ist, auf daß meine Seele nach dir verlange, und mein Geist in deiner Liebe brenne und nicht mehr gedenke an Eitelkeit und Elend. Ach du mein Gott, höre mich, du Licht meiner Augen, höre; höre, was ich bitte, und laß meine Bitte Erhörung finden. Du gnädiger Herr, der du so gern erhört, du wollest mir meine Bitte um meiner Sünden willen nicht versagen, sondern um deiner Güte willen in Gnaden gewähren, denn ich bin dein Knecht. O gib mir was ich bitte und weiß ich begehre, denn du bist mein Gott. Amen,

Für die Freunde

Jesu Christe, du holdseliger und gnädiger Herr, der du eine Liebe bewiesen, wie die Niemand größer, Niemand eben so groß zu hegen vermag, du brauchtet dem Tode nicht den Sold zu bezahlen, und hat doch deine fromme Seele für deine Knechte, die gesündigt haben, zum Opfer gegeben, ja selbst für deine Mörder gebetet, um sie also zu deinen Brüdern, um sie gerecht zu machen, und sie mit deinem barmherzigen Vater und mit dir zu versöhnen. Darum hast du auch, o Herr, deinen Freunden das Gebot gegeben, daß sie eine eben so starke Liebe erweisen sollen, wie du. O Herr, wie bist du so gut! Wie vermag ich nur deine unausdenkliche Liebe dir genugsam zu danken? Womit soll ich nur deine unermeßliche Wohlthat dir vergelten? Uebersteigt doch die süße Gabe deiner Güte alles Danken. Ueber ragt doch die Größe deiner Wohlthat alle Vergeltung. Was also kann ich dir zur Vergeltung geben, dir, der du mich schuft und mich neu geschaffen hast? Du bist der Herr, mein Gott, und bedarfst meiner Gaben nicht. Denn dein ist der Erdkreis und Alles, was darinnen ist. Was also vermag ich armer Bettler, ich, ein Wurm von Staub und Asche, dir meinen Gott Anderes zur Vergeltung zu bieten, als einen herzlichen Gehorsam gegen dein Gebot? Es ist aber dein Gebot, daß wir uns unter einander lieben sollen. Diesem deinem Gebote, der du als Mensch und Gott, als Herr und Freund so gut bist durch und durch, begehrt dein demüthiger und unnützer Knecht Gehorsam zu leisten. Du weißt, o Herr, daß ich ein heißes Verlangen trage nach der Freundlichkeit und Gütigkeit, nach der Liebe, die du befiehlt. Nach ihr sehne ich mich, sie suche ich, um ihretwillen klopft und ruft dein armer Bettler an der Thür deiner Barmherzigkeit. Und so weit ich schon aus deiner freigebigen Hand, die so gern und umsonst gibt, dies köstliche Almosen empfangen durfte, habe ich jeden einzelnen Menschen in dir und um deinetwillen lieb, wenn auch noch nicht in dem Grade, als ich sollte und gern wollte, darum bete ich für sie alle um dein Erbarmen. Da aber deine Liebe gar Viele in ganz sonderlicher Weise der Liebe meines Herzens befohlen hat, so spüre ich gegen sie eine noch wärmere Zuneigung, und möchte brünstigere Fürbitte für sie einlegen. So will denn, du frommer Gott, dein Knecht mit ganzem Ernst für seine Freunde beten, aber meine Sünde will mich hindern denen, die ich liebe, diesen Liebesdienst zu thun. Denn wenn ich nicht fertig werde für mich Vergebung zu erbitten, mit welcher Stirn darf ich mir herausnehmen dich für Andere um Gnade anzuflehen? Und wenn ich voll Angst und Sorge nach Andern ausschaue, die mich bei dir vertreten sollen, wie darf ich mit Zuversicht um Andrer willen vor dich treten? Was soll ich nur thun, o Herr, mein Gott, ja was soll ich thun? Du befiehlt mir für jene zu beten, und, weil ich sie liebe, will ich es auch, aber da mein Gewissen mich mahnt um meine eigene Sünde zu sorgen, scheue ich mich für Andere meine Stimme zu erheben. So muß ich wohl lassen, was du gebietet, weil ich that, was du verbietet? Oder soll ich gerade, weil ich ohne Scheu dein Verbot mißachtete, mit doppelter Treue dein Gebot befolgen? Vielleicht, daß mein Gehorsam meinen Ungehorsam gut machen, meine Liebe die Menge meiner Sünden bedecken kann.

So bitte ich denn, du frommer treuer Gott, für die, die mich lieben um deinetwillen, und die ich liebe in dir; ich bitte für sie um so brünstiger, je mehr ihre Liebe zu mir und meine zu ihnen in deinen Augen eine ungefärbte ist. Also thue ich, o lieber Herr, nicht weil ich gerecht, und ohne Sorge um meine Sünden bin, sondern, weil die Liebe, die ich fühle, mich besorgt um Andere macht. Ach liebe du sie, du Urquell der Liebe, der du mir die Liebe in ihnen befiehlt und gibt. Und wenn mein Gebet es auch nicht werth ist, ihnen Segen zu bringen, weil es ein Sünder dir darbringt, so müsse es ihnen dennoch frommen, weil es auf deinen Befehl geschieht. Um deinetwillen also, du Schöpfer und Spender der Liebe, um deinet-, nicht um meinetwillen wollest du sie lieben, und schaffen, daß sie hienieden von ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Gemüthe dich lieben, und darum nur, was dir gefällt und ihnen selber heilsam ist, wollen, reden und thun. Nur allzu lau, o Herr, ist mein Gebet, weil meiner Liebe es allzusehr an Gluth gebricht. Du aber, der du so reich bist an Erbarmen, ach miß ihnen deine Wohlthat nicht nach der Lauigkeit meiner Inbrunst zu, sondern gleich wie deine Güte alle menschliche Liebe übersteigt, so müsse auch dein Gewähren weit hinausgehen über mein Bitten und Verstehen. So thu ihnen und gib ihnen, o Herr, was nach deinem Rathe ihnen zum Besten dient, und laß sie also allezeit und allenhalben deiner Leitung und deinem Schutze befohlen sein, bis sie eingehen zu deiner ewigen Ruhe und Herrlichkeit, der du lebest und regierest in Ewigkeit. Amen.

Für die Feinde

Jesu Christe, du allmächtiger und allgütiger Herr, wohl wünsche ich meinen Freunden deine Gunst und Gnade, aber du weißt auch, was für Segenswünsche für meine Feinde in meinem Herzen ruhen. Denn du, Gott, erforschest Herz und Nieren, du schauest hinab in meines Geistes geheime Tiefen. Es ist dir offenbar, wenn du in die Seele deines Knechtes hinein eine Saat gesät, die dir ein wohlgefälliges Opfer däucht, es bleibt dir nicht verborgen, wenn wir, ich selbst und der mir feindlich gesinnte Bruder, eine Saat dorthinein jäten, die mit Feuer verbrannt werden muß. Wende deine Augen nicht ab, du gnadenreicher Gott, von dem, was du gesäet, du wollest vielmehr es hegen und pflegen, segnen und behüten. Denn wie ich nichts Gutes zu beginnen vermag ohne dich, so vermag ichs auch nicht hinauszuführen und zu vollenden ohne deine Hülfe. Richte mich nicht, o barmherziger Gott, um des willen, das dir mißfällt, sondern reiße aus, was du nicht gepflanzet hat, und rette meine Seele, die du geschaffen hat. Ich vermag mich ja nicht besser zu machen ohne dich; find wir gut, so hast du selbst uns dazu gemacht, und nicht wir selbst. Meine Seele vermag nicht vor dir zu bestehen, wenn du sie nach ihrer Bosheit richten wolltest. Darum, o Herr, der du allein mächtig, allein barmherzig bist, laß all die Segenswünsche, die du selbst mir gegen meine Feinde ins Herz gegeben, ihnen und dann hin wiederum auch mir zu gute kommen. Und wenn ich ihnen ja einmal in meiner Unwissenheit, oder Schwachheit, oder Bosheit etwas anwünschen sollte, was dem Gebot der Liebe widerspricht, das laß, o guter Gott, weder ihnen, noch mir entgelten. Du bist das wahre Licht, erleuchte du ihre Blindheit. Du bist die lautere Wahrheit, benimm du ihnen den Irrthum. Du bist das wahrhaftige Leben, mache du ihre Seelen lebendig. Nun hast du aber durch deinen Jünger, den du lieb hattest, das Wort geredet: „Wer nicht liebet, der bleibet im Tode.“ 1. Joh. 3, 14. Darum bitte ich dich, o Herr, du wollest ihnen gerade so viel Liebe gegen dich und den Nächsten schenken, als sie nach deinem Willen haben sollen, damit sie sich nicht vor dir am Bruder versündigen. Laß mich, du frommer Gott, ach laß mich meinen Brüdern nicht ein Gift des Todes, ein Fels des Aergernisses, ein Stein des Anstoßes werden. Ich habe schon genug daran, ja übergenug, o Herr, daß ich mir selbst zum Aergerniß gereiche; schon meiner eigenen Sünde ist mir zu viel. So bittet dich denn dein Knecht für seine Mitknechte flehentlich, du wollest verhüten, daß sie deine Gnade, du großer, guter Gott, je mit Füßen treten um meine willen, sondern mit dir versöhnt und mit mir im Frieden leben nach deinem Gebote und um deinetwillen. Das sei die Buße, die der verborgene Mensch meines Herzens meinen Mitknechten und Mitsündern, die mir feindlich sind, auferlegen soll. Das sei die Strafe, die meine Seele für meine Mitknechte, die mich hassen, erbittet, auf daß wir dich und uns unter einander lieben, so wie du willst und es uns frommt, auf daß wir dir, dem guten Gott, ein jeder für sich und beide zusammen Gehorsam leisten, und von dir, unserm gemeinsamen Herrn, gemeinsamen Lohn kraft unserer Liebe gemeinsam erlangen mögen. Das sei die Rache, die über Alle kommen müsse, die mir armen Sünder übelwollen und Uebles thun. Diese Rache, du erbarmungsreicher Gott, laß auch über mich kommen, der ich an dir gesündigt habe. So bitte ich denn, du mein gütiger Schöpfer und barmherziger Richter, ich bitte die um deiner unausdenklichen Erbarmung willen, vergib mir alle meine Schuld, gleichwie auch ich vor dir vergebe allen meinen Schuldigern. Und wenn mein Geist das noch nicht, ja weil er es noch nicht in der vollkömmlichen Weise thut, die vor dir besteht, so will ers doch thun, und thut sich Gewalt an, es in deiner Kraft so gut er kann hinauszuführen; und auch dies Opfer laß dir gefallen, und vergib mir um des willen meine Sünden vollkömmlich, und sei meiner Seele gnädig so sehr du kannst.

Erhöre mich, erhöre, du großer guter Gott, an des Liebesinbrunst sich meine hungrige Seele so gern weidet, obwohl sie deiner nimmer satt zu werden vermag. Ich rufe dich an, o Herr, für den mein Mund keinen Namen zu finden weiß, der meinem Herzen völlig genügte. Denn kein Wort vermag ganz wiederzugeben, was du in Gnaden meiner Seele bist. So habe ich denn, o Herr, gebetet, so gut ichs vermochte; hätte es gerne in besserer Weise gethan, als ich vermochte. Ach erhöre, erhöre du, so gut du vermagst; du vermagst ja, was du willst. Aus meiner Schwachheit und Sünde heraus habe ich gebetet; ach erhöre, erhöre du, der du voller Kraft und voller Erbarmung bist. Und nicht allein meinen Freunden, auch meinen Feinden wollest du geben, was ich ihnen erbat; du weißt ja, was einem Jeglichen unter ihnen frommt, und was deinem Willen gemäß ist, so wollest du sie denn Alle überschütten mit den Gnadengaben deines Erbarmens. Und auch mir wollest du geben, nicht was mein Herz will, und mein Mund bittet; sondern was ich nach deiner Weisheit und nach deinem Willen wollen und bitten sollte, das verleihe mir allezeit, du Erlöser der Welt, der du mit dem Vater und mit dem heiligen Geiste lebest und regierest, wahrer Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Gebet in Kriegszeiten.

O Gott, der du Macht hat über die Geister Aller, die Fleisch sind, der du groß von Rath und unbegreiflich in deinen Gedanken bist, dessen Augen offen stehen über alle Wege der Kinder Adams, daß du einem Jeglichen vergeltest nach seinen Werken und nach der Frucht seines Wandels, wir armen elenden Sünder werfen uns nieder zu den Füßen deiner göttlichen Majestät, und bekennen uns schuldig aller Sünden aller Menschen, die von Anfang der Welt bis auf diese Stunde begangen worden sind, und bitten um ihrer aller willen demüthig um Gnade.

O Herr, gedenke nicht der Sünden unserer Jugend; eile uns beizustehen nach deiner Barmherzigkeit, denn wir sind arm und elend. O Herr, strafe uns nicht in deinem Zorn, und züchtige uns nicht in deinem Grimm.

So du willst, Herr, Sünde zurechnen, wer wird bestehen? Herr, kehre dich doch wieder zu uns und sei deinen Knechten gnädig. O Herr, der du stärker bist, als alle Bosheit der Menschen, wir erkennen und beweinen unsere Missethaten, mit denen wir dich zum Zorn gereizet und gar wohl verdienet haben alles das Uebel, das über uns gekommen ist und kommen wird, daß die Feinde in unser Land brechen und wollen dein Erbtheil zu nichte machen und zu Boden schlagen dein Volk, das nach deinem Namen genannt ist. O Herr, wir leiden, was wir verdient haben, denn wir haben gesündigt gegen unsern Bruder, gegen Christum unsern Herrn, wir haben gegen sein Leiden und sein Verdienst uns undankbar bewiesen, und sein nicht so gedacht, wie wir sollten. Aber du Herr, der du nicht willst den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, siehe uns an mit den Augen deiner Barmherzigkeit, und laß dein Erbtheil nicht in die Schmach gerathen, und laß nicht über uns herrschen diese ehebrecherische Art. Du, Herr, hat über uns aufgehen lassen das Licht des evangelischen Glaubens, der schon die Apostel erfüllte, du hast ihn unseren Vätern gegeben und unsere Väter haben ihn uns verkündigt. Um des Bekenntnisses willen unseres Glaubens verfolgen uns jene, die wollen uns von der Erde vertilgen, und die Erkenntniß deines heiligen Namens mit der Wurzel ausrotten. Aber du, Herr, weißt, daß sie auf Böses sinnen, darum verwirre sie durch deine Kraft, und ende deinen guten Engel vor uns her, daß sie erschrecken vor deinem gewaltigen Arm, und daß sich fürchten, die mit Lästern daherziehen gegen dein heiliges Volk, wirf zu Boden, die uns unterdrücken und mit hohen Worten uns schmähen, und schirme dein Erbtheil. Barmherziger Gott, .heiliger Vater, wir sagen dir Dank für diese Züchtigung, die wir als deine Söhne von deiner Hand empfangen und durch die du deine sonderliche Liebe gegen uns erweisest, denn du willst in der Anfechtung unsern Glauben bewähren und uns den Willen stärken für dich zu leiden. Weiß doch jeder, der dich liebt, aufs Gewisseste, daß der Mann, der die Anfechtung erduldet hat, gekrönet und aus der Trübsal er rettet wird. Denn du hast nicht Lust an unserm Verderben, sondern nach dem Ungewitter machst du es ganz stille, und nach dem Weinen und Klagen erfüllest du uns mit Freuden. Du bist gerecht, Herr, du bist gerecht, und alle deine Gerichte sind gerecht, und alle deine Wege sind Barmherzigkeit und Wahrheit. Und nun, Herr, gedenke unserer im Besten, und strafe uns nicht um unserer Sünden willen, und gedenke nicht unserer und unserer Väter Miethaien. Denn weil wir deinen Geboten nicht gehorcht haben, darum sind wir dahingegeben zum Raube, zum Gefängniß und zum Tode und Gespötte. Nun, Herr, schwer sind deine Gerichte, weil wir nicht nach deinen Geboten gethan und nicht rechtschaffen gewandelt haben vor dir. Aber du, Herr, sei gnädig unsern Sünden um deines Namens willen, nach dem wir genannt sind, den wir in guten und in bösen Tagen mit Herz und Mund bekennen. Nur verleihe uns Beständigkeit und Muth, denn es liegt nichts an unserem Wollen und Laufen, Alles aber, o Herr, an deinem Erbarmen.

Jene kommen zu uns mit Wagen und Rossen, mit Schwert und Spieß, wir aber hoffen auf deinen Namen, laß nicht zu schanden werden, die auf deinen Namen und deine Wahrheit trauen.

Ihre Gottlosigkeit und Blindheit erbarmt uns, o Herr; und wir bitten deine milde Güte, ists möglich, so gib ihnen ein bußfertiges, erleuchtetes, demüthiges Herz, daß sie dich, den wahren Gott erkennen und den du um unseres Heiles willen gesandt hat, Jesum Christum, für den wir unser ganzes Blut zu vergießen bereit sind, gleich wie er das seine vergossen hat um unserer Sünden und unseres Heiles willen.

Da wir aber Menschen sind, die eingedenk sind ihrer menschlichen Schwachheit, so bekennen wir, daß wir nichts vermögen aus uns selber, denn alle unsere Kraft und Stärke kommt von dir; darum bitten wir, sende uns Hülfe von deinem Heiligthum, lege uns an die Waffen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, daß wir allen unsern Feinden Widerstand thun können; daß uns keine Versuchung, keine Trübsal, keine Noth von dir trennen möge, o gütiger Gott.

Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst, oder Blöße, oder Hunger, oder Fährlichkeit, oder Verfolgung, oder Schwert? In dem Allem überwinden wir weit, um des willen, der uns geliebt hat, und hat uns gewaschen mit seinem Blute und uns berufen zur Hoffnung des ewigen Erbes; ihm sind wir schuldig tausend Verfolgungen, tausend Nöthe, tausend Tode zu leiden. Ja, auch den Tod wollen wir, wenn es noth thut, gern und fröhlich für dich erleiden, und ihn dir als eine Gabe  darbringen, die wir dir schuldig sind.

Dein Wille, o Herr, geschehe hier in der Zeit und dort in Ewigkeit. Wir sind deine Gefäße; was ists, wenn du uns zerbricht? Nur mache uns  aus Sterblichen zu Unsterblichen, aus Irdischen zu Himmlischen. Es geschehe dein Wille, er geschehe, weil wir ihm nicht widersprechen können und wollen und dürfen; das aber ist unser Gebet, daß wir nach dem Elende dieses Lebens ruhen mögen in dir, der du das Leben bist und die ewige Ruhe. Amen.