Bonifacius Stölzlin – Herzliches Verlangen nach dem ewigen Leben.

O du Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes! o du Brunnquell des Lebens! wann soll ich trinken von dem lebendigen Wasser deines Trostes? wann soll ich gehen aus diesem elenden Jammertal und deine Herrlichkeit schauen? Mein Herr und mein Gott! wie sehnt sich meine Seele, wie dürstet sie nach dir, wann soll ich kommen und erscheinen vor deinem Angesicht? Herr Jesu, mein Trost, meine Freude, meine Wonne, du Allerliebster, du Allerschönster, du Allerholdseligster in meinen Augen, lass mich bald sehen den Tag der ewigen Wonne, den Tag der Freuden und des Heils, welchen du uns bereitet hast, daran wir uns freuen und fröhlich sein sollen. Komm, lieber Herr Jesu, komm und verziehe nicht, komm, mein Herr und Heiland, mein Licht und mein Erlöser! führe meine Seele aus dem Kerker dieses Elendes und bringe mich an den Ort, da sein wird Freude die Fülle und liebliches Wesen immer und ewig. Du hast ja gesagt: Ich will zu euch kommen und euch zu mir nehmen, auf dass ihr seid wo ich bin. Ach mein Herr! komm nur bald und nimm mich zu dir, auf dass der Erlöste sei bei seinem Erlöser, das Kind bei seinem Vater, der Geheiligte bei dem Allerheiligsten. Du hast gebeten: Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen. Der Vater hat dir mich auch gegeben, und dich mir, darum lass auch mich deine Herrlichkeit bald sehen und mich von dir in Ewigkeit nicht geschieden werden. Durch dich bin ich ja ein Kind des himmlischen Vaters geworden, darum hilf mir bald zu der seligen Erbschaft. Du hast mir das Pfand des ewigen Erbes, den Heiligen Geist gegeben, darum gib mir auch bald das unvergängliche, unverwelkliche und unbefleckte Erbe selbst, das mir und allen Gläubigen in dem Himmel behalten wird, und lass mich erlangen meines Glaubens Ende, der Seelen Seligkeit, um deines hochteuren Verdienstes und heilvollen Jesus-Namens willen.

Gebet eines armen Taglöhners.

O du allweiser und gerechter Gott, dieweil ich erkenne, daß du mich in diesen Stand gesetzet, daß ich ein Taglöhner und Arbeiter sein, Andern mit meiner Arbeit dienen, und damit meine Nahrung suchen soll, so bin ich wohl damit zufrieden, und denke nicht nach einem höhern Dinge. Allein ich bitte dich demüthiglich, weil dir Glaube und Geduld wohlgefallen, du wollest die Geduld in mein Herz pflanzen, daß ich bei aller Mühe und Beschwerung, Kummer und Elend, meine Seele in Geduld fasse, und mich deines gnädigen Beistandes jederzeit getroste. Ach Herr, versiegle diesen Trost in meinem Herzen, daß bei dir kein Ansehen der Person sei, sondern aus allerlei Völkern, wer dich fürchte und recht thue, dir angenehm sei, daß du auch auf die Armen ein gnädiges Aufsehen habest und ihr Schutz seiest in der Noth. Gieb mir auch Gesundheit, Kraft und Stärke, meine Nahrung ehrlich zu gewinnen und alle Beschwerden zu überwinden, bis ich einmal werde dahin kommen, da keine Mühe, Arbeit, Sorge und Angst, sondern ewige Ruhe und Sicherheit, und der Auserwählten Lohn groß sein wird; um des theuren Verdienstes Jesu Christi willen. Amen.

Bonifacius Stölzlin – Abendgebet

O du wunderbarer Gott! der du den Mond und die Sterne nach ihrem Lauf der Nacht zum Licht gegeben. Ich danke dir herzlich dafür, und bitte dich demüthig, du wollest mit deinem göttlichen Licht und Glanz mich allezeit erleuchten und einen hellen Schein deiner Erkenntniß in mein Herz geben, daß ich nicht wanke, sondern im Glauben, Lehre, Liebe, Hoffnung und Geduld bis an mein seliges Ende beständig aushalte und die Krone des ewigen Lebens erlange durch Jesum Christum. Amen.
*B. Stölzlin*

Gebetbuch,
enthaltend
die sämmtlichen Gebete und Seufzer
Dr. Martin Luther’S,
wie auch Gebete
von
Melanchthon, Bugenhaben, Matthesius, Habermann, Arnd
und anderen Gott-erleuchteten Männern.
Herausgegeben
vom
evangelischen Bücherverein
Berlin, 1849.
Im Magazin des Vereins, Klosterstraße No. 71

Bonifacius Stölzlin

O du großer Gott! der du die Sterne bereitest, zählest und kennest, laß auch mich dir in Gnaden befohlen sein, zeichne mich mit deiner Hand und gedenke allezeit meiner nach deiner großen Barmherzigkeit, um Jesu Christi willen. Amen.

Bonifacius Stölzlin – Lob Gottes

O du ewiger Vater des Lichts! wie groß ist deine Treue und unaussprechlich deine Güte, wie unerforschlich deine Barmherzigkeit, daß du deine Sonne lässest aufgehen über die Bösen und über die Guten; erleuchtest und erwärmest damit den Erdboden, machest fruchtbar und fröhlich alles, was da webet und lebet. Ach lieber Gott! laß mich dieses Sonnenlichtes allezeit mit fröhlichen Augen und gutem Gewissen anschauen, und hilf mir, daß ich dich bald in deinem unwandelbaren Lichte sehen und mich in dir ewiglich freuen möge. Amen.

Bonifacius Stölzlin

Gnädiger Gott! brich mit deiner Gnade hervor wie die schöne Morgenröthe, und laß auch mein Licht, Glück und Wohlfahrt hervorbrechen und meine Besserung schnell wachsen, um Jesu Christi willen. Amen, Amen.
*B. Stölzlin*

/Mag. Bonifacius Stölzlin, geb. zu Giengen in Schwaben den 7. Juni 1603, starb als Pfarrer zu Kuchheim im Ulm’schen den 22. April 1677/