Augustinus, Aurelius – Soliloquien – XXXVII. Gebet zu der heiligen Dreieinigkeit.

O ihr drei gleiche und ewige Personen, o Du einiger und wahrer GOtt, Vater, Sohn und Heiliger Geist: der Du allein wohnst in der Ewigkeit und in einem Licht, da Niemand zukommen kann: der Du den Erdboden gegründet in Deiner Macht und den Umkreis der Erde regierst nach Deiner Vorsehung: Heilig, heilig, heilig bist Du HErr Zebaoth, erschrecklich und stark, gerecht und barmherzig, wunderbar, löblich und holdselig: Du bist Ein GOtt in drei Personen, ein einiges Wesen an Macht, Weisheit und Güte: Eine einige und unzerteilte Dreifaltigkeit! O öffne mir die Tore der Gerechtigkeit, dass ich da hineingehe und Dich, HErr, lobe!

Siehe, ich stehe vor Deiner Tür, Du höchster Hausvater, und klopfe an wie ein Bettler. Ach lass mir, der da anklopft, aufgetan werden, der Du gesprochen hast: Klopft an, so wird euch aufgetan! Denn, o Du allbarmherziger Vater, es klopft an Deiner Tür das vielfältige Verlangen meines seufzenden Herzens und das mannigfache Rufen der Tränen meiner Augen. O HErr, Dir ist offenbar all mein Verlangen, und mein Seufzen ist Dir nicht verborgen. Wende Du, HErr, Dein Angesicht nicht ferner von mir und weiche nicht in Deinem Grimm von Deinem Diener! Du Vater der Barmherzigkeit, höre das Geschrei Deines Waisen und reiche mir Deine hilfreiche Hand, dass sie mich herausziehe aus den tiefen Wassern und aus der Grube des Elends und aus dem Kot des Unflats, dass ich nie verderbe vor Deinen barmherzigen Augen, Deiner innersten Mildigkeit, sondern dass ich entrinne und zu Dir, meinem HErrn und Gott kommen möge, zu schauen Deines Reiches Schätze und allezeit zu sehen Dein Angesicht und Deinem heiligen Namen, o HErr, immerdar Lob zu sagen, der Du wunderbarliche Dinge tust, der Du mein Herz fröhlich machst mit Deinem Gedächtnis, der Du meine Jugend erleuchtest: ach, Da wollest mein Alter nicht verschmähen, sondern meine Gebeine fröhlich und meine grauen Haare wieder lebendig und jung machen, wie eines Adlers. Alle Ehr und Herrlichkeit, alles Lob und alle Kraft, alle Gewalt und Seligkeit, alle milde Gütigkeit sei GOtt dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, Amen.

Augustinus

O Herr, nimm dieses Herz von Stein und gib mir ein Herz von Fleisch und Blut: ein Herz, dich zu lieben und zu verehren, ein Herz, in dir mich zu freuen, dich nachzuahmen und dir zu gefallen um Christi willen. Amen.

Augustinus – Lobgebet

Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen; lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht was er dir Gutes gethan!
Dich lobe ich, Herr, den die Engel und seligen Geister anbeten und preisen, und ich vereine meine Stimme mit ihren Lobgesängen. Meine Seele schwebet empor über alles Geschaffene, und das Auge des Glaubens blicket auf dich, der Alles erschuf. Ich schwinge mich hinauf über das Niedre und mache Wohnung in der Höhe, daß ich dich schaue, o Sonne der Gerechtigkeit, du Licht aller Geister!
O möchte ich dich loben mit aller Kraft meiner Seele, gnadenvoller Gott, möchte ich würdig danken für alle Erweisungen deiner Barmherzigkeit. Unerreichbar ist meinen Gebeten deine Größe und Güte und dein allmächtiges Walten. Ich begehre dich zu loben, und mit starker Liebe dich zu umfassen. Mein Gott, mein Leben, meine Stärke, gib meinem Geiste Erleuchtung und meinem Herzen das Feuer der Andacht, und laß dir, Vater, wohlgefallen die Rede meines Mundes.
Heilige meine Seele und reinige mich von aller Befleckung, damit das reine Opfer meines Dankes dir wohlgefalle. Ergreife meine Seele und mache sie zu deiner Wohnung, auf daß ich dich erkenne und anbete in Geist und Wahrheit. Laß immerdar dein Lob in meinem Munde sein; denn wer ist dir gleich, o Herr, du Urquell alles Guten, und wer kann deinen Namen ausreden? Dir gebühret Ehrfurcht, Dank und Liebe, dir unserm Gott in Ewigkeit. Amen.

Augustinus – Liebe zu Jesus

JEsus Christus, du mein Verlangen und meine Liebe, neige dich zu mir, dich rufe ich an. Ich rufe dich in meine Seele, daß du in sie eintretest und sie besitzest ungetheilt und ohne Flecken. Denn dem reinsten Herrn gebühret eine reine Wohnung. Darum heilige mich und säubere mich mit deiner Gnadenkraft, damit ich ein würdiger Tempel für dich sei.

Ich liebe dich; o gieb mir, daß du all mein Denken seist und all meine Betrachtung. Dein Licht durchleuchte mich, daß ich unter deiner Leitung von Tugend zu Tugend fortwandle und endlich dich schaue und erkenne, gleich wie du mich erkennest. Selig sind die reines Herzens sind, weil sie Gott schauen werden. Darum bitte ich dich, o Herr, bei der Erbarmung, wodurch wir vom ewigen Tode erlöset sind, erweiche mein Herz durch deine Gnadenwirkung und laß mich durch das Feuer der Reue ein lebendiges Opfer vor dir werden. Gieb mir Demuth und Zerknirschung; gieb mir Freiheit von den Fesseln der Welt, und Vergessenheit der vergänglichen Dinge; laß mich nichts Zeitliches fürchten und flöße mir Liebe zu dir ein, die stark ist wie der Tod und dich ewig umfange.

Erwecke in mir einen strömenden Quell, der ins ewige Leben entfließet. Laß mich eingehen in deine Freude, daß ich nichts weiter fürchte. Leite mich, daß mir nichts mangele, und führe mich durch alle Finsternisse zu deinem ungetrübten Lichte!

Augustinus – Vor dem Abendmahl

Ich danke dir, lieber Herr Jesu Christe, für deine unaussprechliche Liebe, daß du das menschliche Geschlecht durch deinen heiligen Tod erlöset hast, und bitte dich demüthig, du wollest dein Blut nicht vergebens für mich armen Sünder lassen vergossen sein, sondern wollest meine Seele immer mit deinem Leibe speisen und meinen Geist mit deinem Blute erquicken, auf daß ich in deiner Erkenntniß, Liebe und Furcht, auch in einem christlichem Wandel zunehmen und ein reiches Lied deines Leibes und deiner heiligen Kirche sein und bleiben möge. Amen.

Augustinus – Auf Ostern

Du gütiger, frommer und getreuer Herr Jesu Christe, der du unserer Sünden halben gestorben bist und unserer Gerechtigkeit wegen bist wieder auferstanden: ich bitte dich durch deine heilige Auferstehung, daß du mich auch wollest erwecken aus dem Grabe der Sünden und Missethat, und mir deine Gnade verleihen, daß ich in der Auferstehung der Todten auch deiner Auferstehung möge theilhaftig werden. Amen.

Augustinus – Karfreitag

Ach Herr, du ewiger und gütiger Gott und Vater, siehe doch an deinen lieben Sohn, was er für große Schmerzen meinethalben hat müssen leiden! Ach, Vater, siehe doch, wer solches leidet, und gedenke doch gnädiglich, für wen er leidet. Ists nicht, ach treuester Vater, dein Sohn, das unschuldige Lamm Gottes, das du für den Knecht gegeben hast? Ist nicht das der Herr der Ehren und des Lebens, der wie ein Lamm zur Schlachtbank geführet und dir bis in den Tod gehorsam gewesen, ja den allerschmählichsten Tod auf sich genommen hat? Ach gedenke doch, o Gott, der du der Welt Leben begehrest, dein geliebter und einiger Sohn ists, den du aus deinem Herzen geboren und meiner Schachheit theilhaftig gemacht hast. Ach fürwahr, das ist deine Gottheit, die meine Natur an sich genommen und sich an das Kreuz hat lassen heften, und die schwere Strafe unserer Sünden getragen hat. Ach Herr, wende deine Augen auf dieses große Werk deiner Gnade und Gütigkeit. Siehe an deinen lieben Sohn, wie er an seinem ganzen Leibe ausgedehnt und ausgesprannt ist. Siehe an seine Hände, wie das Blut daraus wie aus einer Quelle fließet, und vergieb mir gnädiglich die Missethat, die meine Hände begangen haben. Siehe an, Herr, wie seine Seite durchstochen ist, und erquicke mich mit dem Blute, das daraus geflossen. Siehe an seine Füße, die doch nicht auf dem Wege der Sünde gegangen sind, sondern allezeit in deinem Gesetz gewandelt haben, wie dieselben mit Nägeln durchgraben sind, und verleihe mir Gnade, daß meine Füße in deinen Wegen gehen; thue weg von mir den Weg der Bosheit, und laß mich allezeit auf deiner Bahn wandeln. Amen.

Augustinus – Abendmahl

Du Sohn des lebendigen Gottes, der du, als das wahre Brod des Lebens, alle betrübte Seelen, geängstete Gewissen, hungrige und durstige Herzen mit deinem Leib und Blut sättigest, speisest und tränkst, auch zu dieser himmlischen Mahlzeit jedermann aufforderst und ladest: nimm mich auch in Gnaden an, erquicke und speise mit deinem wahren Leib und Blut meine arme Seele zum ewigen Leben. Amen.

Augustinus – Gebet zum Heiligen Geist

O Gott Heiliger Geist, der du in Einem Wesen mit Vater und Sohn, gleich ewig von dem Vater und Sohn ausgehest, der du über den Herrn Christum in der Gestalt einer Taube und über die Jünger in feurigen Zungen dich herabgelassen hast: dir sage ich Dank, dich lobe und preise ich, und bitte, du wollest von mir austreiben alle Finsterniß der Bosheit, und in mir anzünden das Licht deiner Gnade und ein Feuer deiner Liebe, der du lebest und regierest, wahrer Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Augustinus – Ostern

O du leutseliger und freundlicher Osterkönig, der du heute die beiden betrübten verirrten Jünger zurecht gebracht und getröstet hast: wir bekennen und klagen, daß auch unser Verstand in dem, was die Propheten gelehret haben, von Natur verfinstert ist, und wir von selbst im Geistlichen nichts Gutes zu verrichten vermöge, bitten dich deswegen, du wollest unserer Blindheit und Schwachheit aufhelfen, uns feurig im Glauben und brünstig in der Liebe machen, damit in unsern Herzen die rechte Erleuchtung deiner Erkenntniß entstehen möge. Und weil nunmehr die letzte Stunde sich nahet, und es Abend werden will und der Tag finster wird auf Erden, da deine liebe christliche Kirche von Ungläubigen und Irrgläubigen, falschen Brüdern und von der Welt und ihren Gewaltigen heftig angefochten wird: ach, so bleib bei uns, Herr! Eile uns beizustehen, Herr, unsere Hülfe! Und wenn der Abend unseres Lebens vorhanden ist, so bleibe bei uns und in uns, damit wir dahin mit Freuden fahren mögen, da wir ewig bei dir bleiben werden. Amen.