Georg Friedrich Blaul – Das Gebet des Herrn

Allmächtiger, gütiger Gott, du liebreicher himmlischer Vater, der du nicht ferne bist von einem jeglichen unter uns, und verheißen hast, denen besonders nahe zu sein, die dich suchen, siehe, ich suche dich, lass dich finden; ich will zu dir beten, höre mich; lass dir das Opfer meines Herzens wohlgefallen, und neige dein Ohr zu meinem Gebet und Flehen. Dein Sohn aber, mein Herr und Meister Jesus Christus, sei mein Lehrer im Gebete, wie in allen Dingen, und nach seinem Willen und Beispiel rufe ich dich an:

Unser Vater der du bist in dem Himmel!

O wie tröstlich ist es mir, dass ich dich Vater nennen darf, dass ich weiß, du nimmst dich meiner liebreich an. Ach! ich bin zwar ein Gast und Fremdling auf Erden, aber ich bin nicht von dir hinausgestoßen aus dem Vaterhause, sondern dein väterliches Auge, das vom Himmel herab auf alle siehet, die auf Erden wohnen, wachet auch über mir, und wo ich auch sei, wird deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Und ob du gleich so hoch erhaben bist im Himmel, und in einem Lichte wohnest, da niemand zukommen kann, und ob ich gleich, meines Ungehorsames und meiner vielen Übertretungen wegen, nicht werth bin dein Kind zu heißen: so wirst du mich doch aus der Fremde in die himmlische Heimath, aus dem Diensthause in das Vaterhaus führen, wirst mich mit deinem Sohne Jesu Christo der vollen Kindschaft deines seligen Reiches theilhaftig machen. Du lieber, treuer Vater im Himmel, wie dank‘ ich dir, dass du mich mit allen Menschen zu deinem Kinde angenommen, dass ich in Freud‘ und Leid einen Zugang zu dir habe, und im Leben wie im Sterben an deinem treuen Vaterherzen Trost und Hoffnung finde. Ewig sei dafür gepriesen, und

geheiliget werde dein Name!

Ja, der Erdkreis falle nieder vor dir, und bete dich an, wie ich dich anbete, als den Seligen, den allein Gewaltigen, als den König der Könige und den Herrn aller Herren. Alle Welt lobe und verherrliche deinen großen Namen durch Gehorsam und Demuth vor dir, niemand suche seine, sondern jeder deine Ehre, und alle Welt rufe aus Herzensgrunde: Gott allein die Ehre! – Mich, o Herr, und alle Brüder heilige so in deiner Wahrheit, daß keiner deinen Namen freventlich missbrauche durch Fluch oder Schwur; und schaffe, dass wir alle nach Heiligung streben, wie du heilig bist, damit endlich

dein Reich komme.

Ja, Herr, dein Reich, das du durch Jesum Christum gestiftet, lass in hohem Glanze anbrechen. Es ist das Reich des Lichtes, es komme, um die Finsterniss in und außer uns zu besiegen. Es ist das Reich des Friedens, es komme, um die Zwietracht auf Erden und die bösen Kämpfe aus unserm Innern zu vertreiben. Es ist das Reich der Liebe, es komme, um alle Herzen für dich und die Brüder zu entzünden. Es ist das Reich der Wahrheit, es komme, um allen Schein, allen Irrthum und alle Lüge zu verbannen. Es ist das Reich der Gnade, es komme, um alle Schuld und Sünde gänzlich wegzutilgen. Es ist das Reich des Lebens, es komme, um dem Tode vollends die Macht zu nehmen, Christi Leben in alle Herzen zu gießen, und sie für das ewige Leben zu gewinnen. Ach Herr! wenn je dein Reich auf Erden sich in solcher Herrlichkeit entfalten kann, o so lass uns nicht länger seiner harren, lass es anbrechen, damit auch die andere Bitte in Erfüllung gehe:

Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel!

Ja, Vater, dein und nur dein Wille ist recht und gut. Darum gib deinen Geist in uns, mache solche Leute aus uns, die in deinen Geboten wandeln, deine Rechte halten, und darnach thun, damit wir, wie alle Engel und Seligen, keinen andern Wunsch haben, als deinen Willen zu thun, keine That begehen, als die dir wohlgefällig ist, und damit das Himmelreich schon auf Erden seinen Anfang nehme. – Doch was du auch beschlossen hast, Herr, dein, nicht unser Wille geschehe! Führe uns, wie du willst, auf rauhen oder ebenen Pfaden, du bist unser Vater, du liebst uns, und alle deine Wege werden einst in Seligkeit enden. Auch

unser tägliches Brod gib uns heute,

o Vater! Du bist ja der Ernährer und Versorger aller deiner Geschöpfe, darum lass uns nicht darben, sondern segne die Arbeit unserer Hände, und gib Gedeihen allem, was wir zu unserer Nahrung und Nothdurft brauchen. Nicht um Ueberfluss bitten wir dich, sondern nur dass du Mangel von uns fern haltest, und wir nicht täglich mit Sorge fragen müssen: Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? O Gott! unser Vertrauen zu dir ist ohne Gränzen, du hast uns bisher geholfen, du wirst uns auch ferner nicht verlassen, noch versäumen.

So unentbehrlich uns aber das tägliche Brod zum zeitlichen Leben ist, so sehr bedürfen wir deiner Vergebung zum ewigen Leben; darum bitten wir dich:

Vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern.

Voll Mängel und Fehler sind wir alle, denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. Aber deine Barmherzigkeit ist größer, denn aller Welt Sünde, und in Jesu Christo hast du bewiesen, dass du nicht Wohlgefallen hast an dem Tode des Sünders. In seinem Namen bitten wir dich: Lass Gnade für Recht ergehen, tilge unsre Sünden, und erlass uns gnädig die verdiente Strafe. Da du uns aber mit dem Maaße messen wirst, mit welchem wir messen, so mache unsere Herzen mild und versöhnlich, damit wir an unsern Nebenmenschen thun, was wir von dir verlangen, und das Wort Christi erfüllt werde: Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist, vergebet, so wird euch vergeben.

Und wenn wir dann frei geworden sind von Schuld, so

führe uns nicht in Versuchung.

Wir wissen zwar, dass du kein Versucher zum Bösen bist, sondern dass wir durch unsre eigene Lust gereizt und gelockt werden, aber wir wissen auch, dass die Reizungen zur Sünde in uns und außer uns unzählig, und unsre Kraft gar oft zum Widerstande zu schwach ist. Darum bitten wir dich, vermehre sie durch Kraft aus deiner Höhe, damit uns nichts mehr überwältige, und wir nimmermehr in eine Sünde willigen, noch thun wider dein Gebot. Wenn du aber unsere Standhaftigkeit im Glauben und in der Tugend prüfen willst, so versuche uns nicht über unsere Kraft, sondern lass die Versuchung so ein Ende gewinnen, dass wir’s tragen mögen, und lass uns immer gereinigter und geläuterter aus dem Feuer der Prüfung hervorgehen. Ja, Vater, führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Uebel!

Ach Herr! die Zahl der Übel auf Erden ist groß, und der Mensch muss immer im Streite sein mit ihnen. Sorge und Kummer, Krankheit und Noth, Armuth und mancherlei Elend haben ihre Wohnung unter uns aufgeschlagen. Wohl haben wir sie vielfach verschuldet, und dürfen nicht murren gegen deine Hand, welche sie uns auferlegt, aber bitten dürfen wir dich, du mögest uns diese Lasten erleichtern, unsre Hülfe sein in den Nöthen, die uns treffen, und uns, wenn es deine Weisheit uns unsre Besserung zulässt, endlich von jedem Übel erlösen. – Das größte aller Übel aber ist die Sünde. Hilf, dass wir zuerst von ihr ganz befreit werden, dann liegt auch deine Hand nicht mehr so schwer auf uns. Und wenn du uns endlich durch den Tod von allen Uebeln des Lebens erlösen wirst: so folgen wir deinem Rufe mit glaubensvoller Zuversicht, dass wir für die Leiden dieser Zeit entschädigt werden durch die Herrlichkeit in deinem Reiche. Erhöre unser Gebet, du kannst ja alle unsere Wünsche und Bitten erfüllen,

denn dein ist ja das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Gebet um das tägliche Brot

wenden, und dein Sohn, Jesus Christus, hat uns gelehret, nicht nur die geistigen, sondern auch die leiblichen Gaben mit demüthigem Sinne von dir zu erbitten. Siehe, darum komme ich zu dir mit meinem Gebete, obschon du weißt, was ich bedarf, ehe ich denn bitte. Gib auch mir mein tägliches Brod heute und alle Tage, die deine väterliche Huld mir noch schenken wird. Reichthum erflehe ich nicht von dir, aber auch vor Armuth und drückendem Mangel bewahre mich in Gnaden. Eines wie das Andere könnte mich leicht von deinem Wege verleiten. Die Vögel unter dem Himmel erwarten ihre Speise, die Blumen des Feldes ihr Kleid von dir – und nicht vergeblich. So lass auch mich nicht vergeblich harren auf meines Leibes Nahrung und Nothdurft, sondern segne die arbeit meiner Hände, und gib mir, bei getreuer Anwendung meiner Kräfte, was ich zum Leben nöthig habe. Hilf mir darum auch, vor verderblichem Müßiggange mich bewahren, und lass mich immer bedenken, dass du nur dem sein tägliches Brod mit rechtem Segen schenkest, der darum betet und arbeitet. Wenn aber meine Kraft ermattet, wenn Krankheit oder Alter meiner Arbeit ein Ziel setzt: o dann ziehe deine milde Hand nicht von mir ab, sondern schenke mir mein tägliches Brod, um deiner Güte und Barmherzigkeit willen. Erquicke mich aber auch täglich mit dem Brode des Lebens, mit dem reichen Troste des Evangeliums von Jesu Christo, das meiner Seele so unentbehrlich ist, damit ich erhalten werde zum ewigen Leben. Erhöre mich, Vater, um deiner ewigen Liebe willen. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Gebet um Kraft im Berufe

Es ist dein heiliger Wille, o Gott, dass wir auf Erden unser Brod nicht ohne Arbeit und Anstrengung essen; darum hast du jedem Menschen einen bestimmten Beruf zugewiesen. Ja, nicht für uns und die Unsrigen allein, sondern auch zum Wohle anderer Mitmenschen sollen wir täglich arbeiten. Aber ach! es wird mit oft so schwer, die Pflichten meines Berufes ganz und treu zu erfüllen; darum bitte ich dich täglich: Stehe mir mit deiner Hülfe bei, halte mich aufrecht mit Kraft aus deiner Fülle, damit ich unermüdet und unverdrossen arbeite für mich und Andere. Ich fühle es wohl, dass ohne Stärkung von dir die Lust an meinen Berufsgeschäften allmälig schwinden, und meine Kraft ermatten müsste; aber da du Aller Stärke bist, und mich bis heute aufrecht gehalten hast, so will ich auch fernerhin auf deine Hülfe Alles bauen. Der du so gern Segen verbreitest, lass auch meine Arbeit gesegnet sein, und solche Früchte bringen, welche dir wohlgefällig, mir und meinen Brüdern aber für Zeit und Ewigkeit förderlich sind. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Gebet um ein seliges Ende

Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss. Siehe, meine Tage sind einer Hand breit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Bewahre mich, o Gott, vor dieser Sicherheit, die niemals an das Ende denkt, und lass mich jeden Tag betrachten als ein Gnadengeschenk von dir, zur Vorbereitung auf den letzten meiner Tage. Ich weiß ja nicht, wann dieser kommen wird; du könntest mich schnell hinwegnehmen, und was wäre ich vor dir, wenn ich also sicher in meinen Sünden dahinstürbe? Deine Gnade zwar ist groß und bei dir viel Vergebung; wie sollt‘ ich aber mein Ende erst herankommen lassen, und nicht täglich diese Gnade finden? Nein, Herr, so wie ich bitte: Gib mir mein tägliches Brod! so bitte ich dich auch: Vergib mir meine Schuld! Führe mich in einem christlichen Wandel dem Ziele meiner Tage zu, im festen Glauben an die tröstlichen Verheißungen, die du durch Jesum Christum auch mir gegeben; und lass mich dann einen zufriedenen Rückblick auf mein vergangenes Leben werfen, den der Schmerz eines bösen Gewissens nicht trübt. Aber auch den bitteren Kelch eines langen körperlichen Leidens lass an mir vorüber gehen, wenn es möglich ist. Doch dein Wille geschehe! Rufe wann und wie du willst, ich bin bereit, und will mich immer mehr bereiten. Doch das darf ich wohl bitten, du wollest das Maaß deiner Gnade voll machen,

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt mich nehmen
Durch einen sanften Tod:
Lass, wenn du mich genommen,
Mich in den Himmel kommen,
Du, unser Herr und unser Gott.Amen.

Georg Friedrich Blaul – Morgengebet am Samstag

Erwachet, Harf‘ und Psalter,
Gott hat den Tag gemacht!
Dankt, danket dem Erhalter,
Dem Hüter in der Nacht;
Erwachet, ihn zu loben,
Gott hat den Tag gemacht!
Der Hüter sei erhoben,
Der Hüter in der Nacht.
Ja, du lieber Gott, du treuer Menschenhüter, dir sei Preis und Dank gebracht für deine grundlose Liebe und Treue, die du bis heute an mir bewiesen hast. Du hast mich noch an keinem Tage verlassen, bist noch in keiner Nacht von mir gewichen, und segnest mich allezeit mit irdischen und himmlischen Gütern. Dir danke ich meine Erschaffung, meine Erhaltung, meine Erlösung durch Jesum Christum; dir werde ich einst noch besser meine Berufung zum ewigen Leben danken, wenn du mich zu meinen Vätern versammeln wirst. Gib aber auch, dass ich immer das Ende bedenke, deine Gaben recht gebrauche, und so deiner Verheißungen immer würdiger werde.

Ach Herr! ich arbeite wohl die ganze Woche, aber wie wenig ich dir ähnlicher geworden bin, wenn der letzte Tag derselben herankommt, das erkenne ich jetzt wieder recht lebhaft. Und doch soll ich vollkommen werden, wie du, himmlischer Vater, vollkommen bist! – Verhilf du mir dazu! Behüte mich vor allem Argen in Gedanken, Wort und That; wecke dagegen alle Kraft zum Guten im meiner Seele auf, und stärke und vermehre sie noch durch deine Kraft, dann muss es mir gelingen. Heute lass mich neu beginnen, nach jenem Ziele zu laufen, und lass mich nicht mehr ermatten, noch aufhören, immer näher zu dir zu dringen. Vor Allem gib mir die Liebe in das Herz, die mich dir am ähnlichsten macht. Gib, dass meine Arbeit Wohlthaten verbreite unter den Meiningen und unter recht vielen Menschen. Wenn Unglückliche und Leidende mir begegnen, so schließe mein Herz auf, dass ich sie mitleidsvoll tröste, so viel ich vermag, dass ich den Dürftigen meine Hand öffne, wie du sie immerdar über mir offen hältst, und mich segnest mit jeglichem Gute.

Und so hilf mir nun diese Woche noch glücklich vollenden. Sei heute und fernerhin mein Schirm und Schild gegen alles, was mir schaden könnte; sei mir freundlich, fördere das Werk meiner Hände, noch mehr aber das Werk meiner Heiligung. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Morgengebet am Freitag

Wenn ich erwache, so rede ich von dir, mein Gott und Hort; dir gebühret vorerst Lob, Preis und Dank, ehe ich an etwas anderes denke. Dein treues Auge war über mir offen, und deine Rechte hat mich erhalten. Aus deiner Fülle habe ich Kraft genommen, mein irdisches Tagewerk mit neuem Muthe zu beginnen; nun gib aber auch, dass es einen gesegneten Fortgang habe. Ohne deine Hülfe müsste ich ermatten und erliegen, denn die Plage eines jeden Tages ist für menschliche Kraft gar oft zu schwer. Doch wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten, und von Herzen dir nachwandeln.

Und wenn auch Mühe und Arbeit mich noch so schwer drücken, wenn du mich selbst mit Leiden und Kummer heimsuchen solltest, so will ich doch nicht verzagen; auf Jesum Christum, meinen Herrn, will ich schauen, dem du an jenem großen Freitage mehr Kreuz auferlegtest, als ich und Andere zu tragen vermöchten. Ja, mein treuer Heiland, dein stilles Dulden ist mein Trost, der Muth und die Ergebung, womit du von Schmerz zu Schmerzen gingst, soll mein stetes Vorbild sein. Ich will um so unermüdeter sein, da du gearbeitet und gelitten hast, damit wir Frieden hätten, da du uns geoffenbaret, dass der Zeit Leiden nicht werth sind der Herrlichkeit, welche dort bereitet ist für die, denen du die Krone des Lebens geben willst.

So kommen denn über mich, was Gottes heiliger Wille ist. Ist es Segen und Wohlfahrt, so will ich mich mit Dank des guten Tages freuen, ist es aber Beschwerde, so will ich den bösen Tag auch für gut nehmen, weil du, Herr, ihn gegeben; und will Alles tragen, Alles dulden, Alles hoffen mit dir, mein göttlicher Freund und Erlöser, von dessen Liebe mich keine Freude, aber auch keine Trübsal scheidet. Ich vermag ja Alles durch den, der mich mächtig macht.

Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen,
Wenn ich in deiner Liebe ruh‘!
Ich traure nicht, was kann mich quälen?
Mein Trost, mein Licht, mein Heil bist du.
Bei dir vergess‘ ich meine Leiden;
Denn, o wie viele hohe Freuden
Genieß‘ ich nicht, vereint mit dir!
Hier ist mein Himmel schon auf Erden;
Wie könnt‘ ich jemals muthlos werden?
Bist du doch überall mit mir. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Morgengebet am Donnerstag

Herr, frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir schicken, denn ich habe neue Ursache, dich zu preisen und dir zu danken. Menschliche Kraft und menschliche Erbarmung ermatten nach und nach, Menschenliebe kann mit der Zeit aufhören, aber du, ewiger Gott, wirst nicht müde noch matt, und deines Erbarmens ist kein Ende. Wie sollte ich das nicht dankend rühmen, da dein väterliches Auge mich wieder eine Nacht hindurch behütet, und an Leib und Seele vor Schaden bewahret hat. Sei aber auch fernerhin meines Fußes Leuchte; denn obgleich es Tag ist, so gehe ich doch nicht sicher ohne dein Licht, ich bin dem Irrthum unterworfen, und Fehlen ist mein Erbtheil von Anbeginn. Sinnenreiz und Leidenschaft trüben so oft die Augen meines Geistes; ich strauchle so leicht, und du nur kannst mich vor dem Falle bewahren, ja ich falle so oft, und nur du kannst mich wieder aufrichten durch deinen Geist und durch den Frieden deines Sohnes Jesu Christi. Weiche darum auch heute und in alle Zukunft nicht von mir, sondern erleuchte mich, und lehre mich erkennen, was zu meinem Frieden dienet.

Sei auch im Zeitlichen meine Hülfe und mein Gott. Gib Muth und Freudigkeit zu meinem Tagewerke, fördere durch deine Hülfe die Arbeit meiner Hände, und lass Alles wohl gelingen, damit ich mein Brod nicht mit Seufzen essen müsse. Gib mir und Allen, mit denen ich heute zu verkehren habe, einen friedfertigen Sinn, damit wir uns des Namens deiner Kinder nicht unwürdig machen durch Unzufriedenheit und Zanksucht. Hast du mir eine Prüfung zugedacht, so gib, dass ich nicht darin zu Schanden werde, sondern vor dir und allen Menschen mit Ehren bestehe. Den ganzen Tag aber segne so, dass er nicht unter die verlorenen gehöre, die einst vor deinem Gerichte gegen mich zeugen werden. Gott und Vater, der du so gerne die Bitten deiner Kinder erhörest, und nicht ferne bist von denen, die dich suchen, siehe ich suche dich, lass dich finden; ich rufe zu dir, höre mich! Amen.

Georg Friedrich Blaul – Morgengebet am Mittwoch

Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe! höre meine Stimme; denn obschon ich Staub und Asche bin, so bin ich doch dein Kind und darf mich unterwinden, mit dir zu reden. Dank, inniger, herzlicher Dank ist es, was meine Seele in diesem Augenblicke bewegt, wenn auch Zunge und Lippe ihn nicht würdig genug auszusprechen vermögen. Du hast mich abermals sanft und sicher ruhen lassen unter dem Schatten deiner Flügel, und lässest nun dein Antlitz über mir leuchten in einem neuen, schönen Morgen. Wie gütig bist du, Herr! Aber wie mahnest du mich auch so ernst an diesem Morgen! Herr, ich verstehe dich; ich merke wohl, die Zeit eilt schnell dahin, und uns Menschen selbst lässest du dahinfahren wie einen Strom, wir selbst sind wie ein Schlaf und unser Leben wie ein kurzer Traum. Das alles sagt mir der heutige Tag. Mit ihm geht wieder eine halbe Woche unter, und wenn du Rechenschaft darüber forderst, was ich bis heute Gutes gethan, um wie viel ich selbst besser geworden: so vermag ich dir darauf kaum zu antworten. Ich hätte viel mehr Gutes thun, viel besser werden können, wenn ich meiner Pflichten und meines Heiles mehr eingedenk gewesen wäre, meine natürliche Trägheit kräftiger überwunden, und in Allem meinem Vorbilde Jesu Christo eifriger nachgestrebt hätte.

Doch ich bitte dich, Herr, verdamme mich deshalb nicht, sondern hilf meiner Schwachheit mächtig auf, und gib zum neuen, ernsteren Wollen das Vollbringen nach deinem Wohlgefallen. Räume darum alle Hindernisse weg, die meinen Lauf nach dem Ziele der Vollendung hemmen könnten. Vor allem hilf mir mein eigenes Herz bezwingen, das noch so träge zum Guten ist; fülle es an mit deiner Kraft, und lass mich von dieser Stunde an Gutes thun und nicht müde werden, damit ich zu seiner Zeit ärnten möge ohne Aufhören. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Morgengebet am Dienstag

Wahrlich! wahrlich! es ist also, wie die Männer nach deinem Herzen, o Gott, schon vor Jahrtausenden rühmten: Deine Treue ist groß, deine Barmherzigkeit währet ewig und deine Gnade für und für. Wenn es Abend wird, habe ich Ursache, dir zu danken, und wenn der Tag am Himmel herauf kommt, muss ich dich preisen, denn du lässest deine Güte neu werden über mir mit jedem Morgen. Durch Ruhe und Schlaf erquickt und gestärkt bin ich erwacht, und sehe mein Haus bewahrt und die Meiningen alle wohl erhalten. – Von ganzer Seele danke ich dir dafür, du liebreicher Vater im Himmel. Vollende nun auch für diesen ganzen Tag das Werk deiner überschwänglichen Güte. Gib Kraft und Gedeihen zu dem nützlichen Werke, das ich nun beginnen will; bewahre meinen Fuß, dass er nicht von dem Pfade des Rechtes weiche; mein Auge, dass es sich nicht nach Verbotenem gelüsten lasse; meine Hand, dass sie nichts Übles thue, und meine Lippen, dass sie nicht trügen. Mitten in meiner Arbeit sei du mir allezeit vor Augen und im Herzen. Vermehre meine Kenntniss von allem Schönen und Nützlichen, noch weit mehr aber die Erkenntniss deines heiligen Willens und die Liebe zu dir, zu Jesu Christo und zu allen Brüdern. Lass mein Herz nicht nur an meinem Wohlergehen und an dem Gedeihen meiner Angehörigen sich erfreuen, sondern lass mich Glück und Zufriedenheit auf den Angesichtern aller lesen, die mir heute begegnen werden. Und wenn du mich selbst gebrauchen kannst als Werkzeug zur Verbreitung solches Glückes und solcher Zufriedenheit: so würdige mich dessen, damit ich meinen Brüdern einen Theil dessen abragen könne, was ich dir in so hohem Maaße schuldig bin. – Wie du mich aber auch diesen Tag hindurch führest, führe mich nur so, dass ich am Abend rühmen möge: Es hat Alles ein glückliches Ende genommen, der Herr war mir gnädig. Gib, dass du mich nicht als faulen und ungetreuen Knecht erfindest, und entziehe mir die beseligende Hoffnung nicht, dass ich einst eingehen darf zu meines Herrn Freude. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Morgengebet am Montag

Dass ich noch lebe und gesund bin, ist allein das Werk deiner Liebe, o Gott, die mich in dieser Nacht sorgsam und treu behütet hat. Darum schlage ich das Auge zuerst zu dir auf, und erhebe Herz und Hand, um dir zu danken. Nimm meinen schwachen Dank huldreich auf, denn obgleich ich es ganz erkenne, wie langmüthig und freundlich du gegen mich warst und bist: so ist mein menschlich Wort doch viel zu schwach, dir so zu danken, wie sich’s gebührte. Doch du erforschest ja mein Herz, und weißt, wie ich es meine.

Mit meinem Danke aber lass eine neue Bitte zu deinem Throne dringen. Hilf mir diese neue Woche mit frohem Muthe beginnen, und sei in derselben mein Schutz und meine Stärke, wie du es mir bisher gewesen. Bewahre mich vor aller Gefahr und vor allem Schaden an Leib und Seele, und thue dessgleichen auch an den Meinigen. Lass Krankheit und allerlei Noth und Übel fern von mir sein, am fernsten aber das größte aller Übel, die Sünde. Schenke mit darum deinen heiligen Geist, und lass ihn bei mir bleiben nicht nur in dieser Woche, sondern ewiglich, damit er mich tröste, wo ich des Trostes bedarf, damit er mich in alle Wahrheit leite, wo menschliche Einsicht nicht ausreicht, damit er meinen Fuß vor dem Falle bewahre, wenn ich strauchle, damit er mich aufrichte, wenn ich aus Irrthum oder Schwachheit falle. O Herr, thue solche Barmherzigkeit an mir, obgleich ich sie nicht verdiene. Erleucht mich stets mit deinem himmlischen Lichte, erquicke mich mit deinem göttlichen Troste, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.

Solche Zuversicht habe ich zu dir, mein Gott und Herr, und gehe nun mit Muth und Freudigkeit an das Werk meines Berufes. Meines Herzens Wunsch und Entschluss ist, dass ich alles, was ich unternehme, in deinem Namen thue, dir zum Preise, mir und Andern zum Nutzen und Segen. Ich vertraue dabei nicht auf meine eigene Kraft, denn ich weiß, dass damit allein nichts gethan ist: ich vertraue aber auf dich, von dem alle gute und alle vollkommene Gabe kommt. Ja, Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Amen.