Abraham Scultetus – Gebet zur 1. Hundertjahrfeier der Reformation

Allmächtiger / Barmhertziger / Getrewer Gott und Vatter / der du sambt deinem Sohn und Heiligen Geist regierest in ewigkeit: Wir arme Menschen / erkennen bey uns selbsten / und bekenne für dir / daß wir nicht werth seynd / zu dir unsere hertzen zu erheben / und unsern Mund aufzuthun: Aber im namen deines lieben Sohns Jesu Christi / unsers einigen Erlösers und Seligmachers / tretten wir für dich / und zweifffeln nicht / umb desselben leidens und sterbens willen / werde dir die rede unsers mundes gefällig sein. HERR unser Gott / groß sind deine wunder / und die gedancken die du an uns beweisest: Dir ist nichts gleich: wir wollen sie verkündigen / und davon sagen / wiewol sie nicht zu zehlen seynd. Dann du bist der HERR unser Gott / der unsere erste Eltern nach deinem ebenbild erschaffen / und dieselbige / nachdem sie durch den traurigen fall höchlich betrübet worden / durch die gnadenreiche verheissung des zukünfftigen Weibssamens höchlich erfrewet hast. Du bist der HERR unser Gott / der die verheissung vom künfftigen Heyland / den Ertzvättern und ihren nachkommen / von jahr zu jahr wiederholet / und dir allezeit under dem Jüdischen volck ein heuflein gesamlet hast / von welchem du erkandt und gepriesen würdest. Du bist der HERR unser Gott / der nach erfüllung der zeit / deinen sohn Jesum gesandt / geboren von einem weibe / unnd unter das gesetz gethan hast / auff daß er die / so unter dem gesetz waren / erlösete / daß wir die kindschafft empfingen: Der auch solch grosses heyl nicht allein den Juden / sondern durch die Apostel und ihre nachfolger / aller welt / und demnach auch unserm lieben vatterland Deutscher nation / vor viel hundert jahren hast lassen verkündigen.

Darfür dancken wir die / o trewer Gott / in der offentlichen gemeinde / unnd preisen deinen herrlichen namen. Bevorab aber dancken wir dir / daß / nach dem die reine Apostolische lehr / durch die schreckliche abgötterey und tyranney des Bapsts sehr vertunckelt / unnd das buch des Evangelions gleichsam verlohren worden / du vor hundert jahren / durch deine hierzu erwehlte werckzeuge / die uhralte Evangelische lehr wiederumb ans liecht gebracht / unnd viel land und leuthe / in flecken / stätten / Fürstentumben unnd Königreichen damit erleuchtet hast / daß nunmehr aufs new erfüllet ist / was vorlengst beym propheten Joele von den zeiten des newen Testaments ist verkündiget worden / daß söhne unnd töchter weissagen / die Eltesten träwme haben / unsere jünglinge gesichte sehen / unnd das gantze land deiner erkandtnuß voll ist / wie mit wasser des meers bedecket.

Nicht weniger dancken wir dir / daß du diese hundert jahr uber / die Kirche / welche du in unnd ausser Deutschland gnedig gesamlet / auch mächtig wider den Antichrist und seinen anhang / ja wider alle höllenpforten geschützt / geschirmet und erhalten: und daß du zu solchem ende trewe lehrer unnd prediger in deinen weinberg ausgesandt / auch Christliche Regenten und Obrigkeiten gegeben / und noch giebest / welche deiner Kirchen seugammen sind auff erden. Gelobet unnd gepreiset sey dein werther nahme / für diese unnd andere wolthaten in ewigkeit.

Wir bitten dich / Barmhertziger Gott und Vatter / siehe ja nicht an den undanck des grossen hauffens / Siehe aber an die ehre deines werthen namens / unnd umb desselben willen samle dir auch ins künfftig / hie und anderstwo / eine Kirche / und schütze sie. Sende aus trewe arbeiter in deine erndte / unnd gib deinen reichen segen zu ihrer predigt: Hingegen rotte aus alle falsche lehrer / reissende wölffe und Miedlinge / welche ihre und nicht deine here / ihren nutz / und nicht der zuhörer heil und seeligkeit suchen. Verleihe auch allen Evangelischen die gnade / daß sie unter einander eins seyen / gleich wie du und dein Sohn Jesus eins sind / auf daß du nicht durch ihre innerliche uneinigkeit und trennung verursacht werdest / das reich der gnaden von ihnen zu nemmen / unnd es andern zu geben / die seine bessere früchte bringen. Laß dir in deinen ewigen Allmächtigen schutz befohlen seyn / die Römische Kayserliche Mayestät / die Königliche Würden in Groß-Britannien / alle andere Christliche Könige / Potentaten / Chur: und Fürsten des Reichs / insonderheit unsern gnedigsten LandsFürsten Pfaltzgraff Friederichen Churfürsten / sampt Ihrer Churfürstlichen Gnaden geliebten Ehegemahl / der hinderlassenen Churfürstlichen Fraw Wittiben / der jungen Herrschafft und Fräwlein / sampt dem gantzen Hochlöblichen Chur: und Fürstlichen Hauß der Pfaltzgraffen bey Rhein / dero Räthe und Amptleuthe: Gib Ihnen allen deine gnade / daß sie ihre gantze regierung dahin richten / daß der König aller Könige Jesus Christus / uber sie und ihre underthanen herrsche / unnd daß das reich des teuffels / welches ist das reich aller schanden unnd laster / je lenger je mehr / durch sie / als deine diener / zerstöret werde / unnd wir unter ihnen ein ruhiges und stilles leben führen mögen / in aller gottseeligkeit und erbarkeit. Sihe in gnaden an den haußstand / und behüte uns allesampt für krieg und blutvergiessen / vor thewrung und pestilentz / und vor allen andern landplagen.

Wir bitten dich auch / für alle unsere mitbrüder / die under der tyranney des Pabsts und Türckens verfolgung leiden / wollest sie mit deinem heiligen Geist trösten / und gnediglich erretten. Gestatte nicht / o Herr / daß deine Christenheit gar verwüstet werde / Laß nicht zu / daß die gedächtnuß deines namens auf erden vertilget werde / und daß der Antichrist sich zu deiner schmach und lästerung rühme. Erbarme dich auch über die / so noch im finsternuß und irrthumb stecken / und führe sie in das liecht deiner wahrheit / daß sie mit uns / und wir mit ihnen / dich unsern Gott und Vatter / sampt deinem Sohn Jesu Christo unserm Heyland / unn dem Heiligen Geist / recht erkennen / hertzlich lieben / eyferig ehren / hie zeitlich und dort ewiglich. Das wollestu thun / umb deines lieben Sohns Jesu Christi willen / in dessen befehl und namen / wir dich ferner also anruffen:

Unser Vatter / etc.

Abraham Scultetus – Neujahrsgebet

Wir dancken dir / barmhertziger Gott und Vatter / für alle deine Wolthaten / mit welchen du uns biß anhero reichlich uberschüttet hast. HERR mein Gott / groß sind deine Wunder / unnd die Gedancken / die du an uns beweisest / dir ist nichts gleich / ich wil sie verkündigen / und darvon reden / ob sie gleich nicht zu zehlen sind.

Dir dancken wir es / daß du vor hundert Jahren unsere lieben Vorfahren auß der schrecklichen Abgötterey deß Bapstthumbs geführet / und zu der Erkandtnuß deß wahren Diensts deines Namens beruffen hast.

Dir dancken wir es / daß du hin und wider dir ein angenehmes Volck wunderbarlich gesamlet / weißlich regieret / und mächtig erhalten hast. Bevorab aber dancken wir dir / daß du auch uns in diesen Landten zu der Gemeinschafft deines Sohns Jesu Christi beruffen / und uns noch zur zeit die Gnade verleihest / daß wir bey dem Krippelein deß newgebornen Kindleins Jesu sitzen / und nicht allein hören können / wie die Engel singen / unnd den Menschen Glück wüntschen uber der Geburt deines Sohns / sondern auch sehen / wie die Hirten ihn anbeten / wie Simeon und Hanna ihn küssen / wie die Weisen auß Morgenland mit Golde / Weyrauch unnd Myrrhen ihn verehren. Gelobet unnd gepreyset sey dein werther Nahme / vor diese und andere Wolthaten / in Ewigkeit.

Wir bitten dich / barmhertziger GOtt und Vatter / Du wollest auch ins künfftige bey uns Wunder thun / unnd allezeit dir bey uns eine Kirche samlen / und die du samlest / gnedig erhalten / damit deren je länger je mehr werden / die dich unnd deinen Sohn Jesum Christum recht erkennen / und hie zeitlich / wie auch dort ewiglich loben und preysen.

Behüte uns auch ins künfftige vor Krieg und Blutvergiessen / vor Thewrung unnd Pestilentz / und andern Landplagen.

Wehre und stewre dem Bapst / und seinem Anhang / und mache alle ihre blutdürstige Rahtschläge zu wasser. Hingegen segne die Römische Keyserl. Maiestät / die Königliche Würde in Groß-Britannia / wie auch alle andere Christliche Könige / Potentaten / Chur: und Fürsten deß Reichs / Insonderheit und mit nahmen unsern gnedigsten Lands Fürsten Pfaltzgrav Friederichen / Churfürsten / sampt Ihrer Churfl. Gn. geliebtem Ehegemahl / der hinderlassenen Churfrüstl. Fraw Wittib / der jungen Herrschafft unnd Fräwlein / und dem gantzen Hochlöblichen Chur: und Fürstlichem Hause der Pfaltzgraven bey Rhein / dero Räthen und Amptleuten.

Versorge alle Wittwen und Waisen / erfülle unsere Leiber mit guter Gesundheit / unnd unser gantzes Leben mit Christlicher Zucht und Erbarkeit.

Hilff heut allen Verfolgten und Bedrangten / daß sie Jesus mehr erfrewe / als sie alle Welt betrüben kan.

Endlich / wann die kurtze Jahr unsers Lebens verflossen seyn / so erquicke uns vor / ehe dann wir heimfahren / und nimb uns mit Gnaden auff / auß der alten Welt in die newe Welt / da weder Sonn noch Mond scheinen wird / sondern du selbst Sonn / Mond / und alles in allem seyn wirst.

Unser Vatter / etc.

Abraham Scultetus – Gebet nach dem Gottesdienst

Allmächtiger / Barmhertziger / Getrewer Gott und Vatter / Wir sagen dir lob und danck für die grosse gnade / daß wir auch in diesem ort zusammen kommen / dein wort erklären / und daraus eine lehr nach der andern / einen trost nach dem andern / eine vermahnung nach der andern / zur ehre deines Namens / und unser auferbawung / nemen können. Insonderheit dancken wir dir / daß du uns unterweisest in deinem wort / wo die ware Kirche zu finden sey: nemblich / allein an dem orte / da man dir nach deinem worte / willen und wolgefallen / dienet. Thue auf / o HERRE Gott / die augen aller deren / welche sich biß anhero den eusserlichen schein haben blenden lassen: auf daß sie ins künftig auf die inwendige herrligkeit deiner Tochter achtung geben / dein wort lieb gewinnen / dich in warem glauben anruffen / und in hofnung der zukünftigen herrligkeit alles menschliche elende mit frölicher gedult ertragen. Laß dir in gnaden befohlen seyn die Königliche Mayestät in Gros Britannien / und dann die Königliche Mayestät in Böheim: Erfülle sie beyde mit dem Geist der weisheit und verstands / beständiger gesundheit und langem leben. Insonderheit wollestu / o Herre Gott / selbst der regierung unsers Königs glücklicher anfang / heiliges mittel / und seliges ende seyn / auf daß unter derselbigen / was biß anhero betrübt gewesen / sich widerumb erfrewe / und was gleichsam halb todt gewesen / widerumb lebendig werde. Dergleichen befehlen wir dir Ihrer Königlichen Mayestät Königliche Gemahlin / Fraw Mutter / Herrn Bruder / Junge Herrschaft und Fräwlin / sambt allen an und zuverwandten / wie auch beyde Fürstliche Herren Stadthalter in der Undern und Obern Churfürstlichen Pfaltz / sambt allen Räthen und Amptleuten. Segne die Löbliche Stände der Cron Böhemb / und deroselben inverleibten Länder / Mährern / Schlesien / und Laußnitz. Wapne die Kriegshaupter mit einem Heldenmut / daß sie für das Vatterland ritterlich kämpffen. Tröste alle die / so drangsal in diesen beschwerlichen läuften leiden. Stercke / was schwach ist: Heile / was kranck ist: Erquicke / was angefochten ist. Letztlich / wann wir aus diesem leben scheiden sollen / so erfrewe uns zuvor mit den schönen gedancken des in uns verborgenen lebens / welches bald darauf mit Christo wird offenbar werden: auf daß wir mitten in dem tode wissen / tod sey doch leben / finsternuß sey doch licht / trawrigkeit sey doch frewde / und die verlassene erde sey warhaftig der eingenommene himmel.