Friedrich Arndt – Gebet

Herr, göttlicher Mittler, erbarmungsreicher Heiland, nimm uns gnädig an, heilige Dir selbst unsere Seelen, und verwirf uns arme Sünder nicht. Unsere Herzen sind bewegt von dem Anblick deiner liebenden Leiden und deiner leidenden Liebe, Du Mann der Liebe und der Schmerzen; o laß diese Bewegung bleiben, laß sie die stehende Grundstimmung unseres Inneren werden, laß Dein Marterbild und begleiten in die Freuden und Arbeiten, in die Schmerzen und Thränen des Lebens hinein. Wenn die Weltlust uns lockt, unsere Dir geweihete, Dir gehörende Seele vergiften will, und es darauf anlegt, uns von Dir wieder loszureißen und in ihren Jammer zurückzuziehen: Herr, tritt dann in Deiner Kreuzesgestalt vor unsere Seele, zeige uns deine Wunden und rufe uns zu: das that ich für dich, was thust du für mich? Wenn die Sünde, die Versuchung, der Unglaube, die Zweifellust, der Unfriede, die Thorheit und Klügelei uns nahet, und unsere Seele schwankt zwischen Deinem Gebot und der Lust der Sinne, wenn unser Gebet, unsere Liebe zu Dir ermatten will und der Kampf nachzulassen, der Feind zu siegen scheint: Herr, dann tritt in dem Bilde Deiner Leiden und Schmerzen vor uns hin, dann erinnere uns an Dein Kämpfen, Dein Ringen, Dein Bluten für uns, dann zeige uns den Preis, um deßwillen wir erlöset sind, und gieb uns neue Kraft und Stärke, daß wir das Feld behaupten und sprechen: wie könnt ich solch ein Uebel thun, und wider den Herrn meinen Gott sündigen? Wenn des Lebens Trübsale uns niederdrücken, die Noth steigt, die Menschen uns verlassen, die Unsrigen sterben, Alles um uns her die Oede und Wüstenei zu Werden droht, dann, Herr, ja dann laß uns sehen Deine Geduld, deine Ergebenheit, Deine Sanftmut und Liebe, Dein Gottvertrauen, und in dem Anschauen Deiner Herrlichkeit Frieden und Ruhe finden für unsere Seele. Wenn endlich unser Sterbestündlein schlägt und wir den letzten Gang gehen sollen, unsere Augen nicht mehr sehen werden, unser Ohr nicht mehr hören wird, unsere Lippen nicht mehr seufzen können, dann laß den Blick auf Dich, die Erinnerung an Deine letzten Worte unser Labsal sein in unserer allerletzten Noth, dann reiche uns Deine durchgrabene Hand führe uns durchs dunkle Todesthal und nimm uns auf in Deine ewige Herrlichkeit.

Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wenn ich den Tod soll leiden,
So tritt Du dann herfür;
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Aengsten
Kraft Deiner Angst und Pein.
Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und laß mich sehn Dein Bilde
In deiner Kreuzesnoth.
Da will ich nach Dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken
Wer so stirbt, der stirbt wohl. Amen.

Friedrich Arndt – Abendgebet am Samstag

Gott Vater, mein Anfang und Ende in allen meinen Dingen, wie ich diese Woche mit Deiner Gnade angefangen, also habe ich sie auch durch dieselbe zu Ende gebracht. Ach, welche Dankbarkeit, welche Liebe bin ich Dir, meinem Gott, schuldig für so viele unaussprechliche Wohlthaten, die ich zwischen diesem Anfang und Ende genossen habe! Du hast mir so viel Liebes erwiesen, da ich Dich doch beleidigt habe; Du bist so lange nahe bei mir gewesen, da ich doch meine Augen so oft von Dir abgewendet; Du hast Gutes, ich Böses gehäuft. Ach, ich kann die Größe Deiner Liebe nicht genugsam begreifen, aber auch leider die Menge meiner Uebertretungen nicht übersehen! Jedoch, o barmherziger Vater, nehme ich meine Zuflucht zu Deinen allertheuersten Verheißungen. Wo meine Sünde mächtig ist, da ist Deine Gnade noch viel mächtiger. Ach, Herr, der Du das Werk Deiner Hände nicht verschmähest, was erwartest Du anders von mir armen Sünder, als ein zerknirschtes Herz, welches sich gänzlich zu Dir bekehret, und von Deiner Gerechtigkeit zu Deiner Barmherzigkeit seine Zuflucht nimmt? Laß doch heute Deine Gnade sein wie ein Abendregen! So fern der Morgen ist vom Abend, so fern laß auch meine Sünde an diesem Sonnabend von mir sein. Gieb, daß ich das Ende dieser Woche also mache, daß ich nicht ein Ende nehme mit Schrecken, wie die Gottlosen, deren Ende ist die Verdammniß; sondern laß mich aus Gnaden davon bringen das Ende des Glaubens, welches ist der Seelen Seligkeit.

Gott Sohn, meine Gerechtigkeit, Du bist des Gesetzes Ende: wer an Dich glaubt, der ist gerecht. Ich schließe mich beim Schluß der Woche in deine Wunden. Stelle mich Deinem himmlischen Vater vor in Deinem Blute; bekleide mich mit Deiner Gerechtigkeit; tilge meine Sünde durch Deine ewige Liebe. Ich befehle Dir Leib und Seele; Du hast beide erlöset, Du getreuer Gott! Zeichne mich in Deine durchgrabenen Hände! Laß heute Dein Haupt über mir voll Thaues, und Deine Locken voller Nachttropfen sein; gieb auch, daß ich allezeit unter den klugen Jungfrauen erfunden werde, und, wenn Du um Mitternacht kommst, mit dem Oel des Glaubens Dir entgegen gehen möge! Weil ich auch unter denen bin, auf welche das Ende der Welt kommen ist, so laß mich am Ende dieser Woche auf eine selige Bereitschaft bedacht sein, Deine Zukunft mit Freuden zu erwarten. Wie Du die Deinen bis an’s Ende geliebet, so bleibe auch bei uns bis an’s Ende der Welt, nach Deiner allgetreuesten Verheißung. Gieb uns Beständigkeit des Glaubens in der Liebe, und erfülle endlich Dein Wort an uns: „Wer beharret bis an’s Ende, der soll selig werden,“ – so wollen wir Dich ohne Ende rühmen dort, wo Deines Königreiches wird kein Ende sein.

Gott heiliger Geist, mein Lehrer, lehre mich heute inbrünstig beten: „Herr, lehre mich bedenken, daß es ein Ende mit mir haben muß, daß mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. Bereite mich alle Abende zum Tode, und laß mich niemals in Sicherheit zu Bette gehen. Gieb, daß ich allezeit warte auf die Offenbarung Jesu Christi, welcher auch mich wird fest behalten bis an’s Ende, daß ich unsträflich sei auf den Tag seiner Zukunft. Soll ich morgen leben, so erwecke mich zu einem geistlichen Leben. Morgen ist des Herrn Fest; bereite mich dazu in heiliger Furcht. Indessen versiegle meine Ruhe heute mit der Gnade und Liebe meines Jesu. Breite Deine Flügel über alle meine Angehörigen. Sei der Traurigen Licht in der Finsterniß; erleichtere die Last aller Müden; schaffe, daß bei den Kreuzträgern die Versuchung so ein Ende gewinne, daß sie es ertragen können. Laß heute alle Menschen an ihr Ende gedenken, so werden sie nimmermehr Uebles thun.

Heilige Dreieinigkeit, Deine Jahre nehmen kein Ende; aber bei uns ist nahe kommen das Ende aller Dinge. Ach, laß es nicht gar aus sein mit uns, sondern Deine Barmherzigkeit noch kein Ende haben! Und wann sich das Ende unseres Lebens herzunahen sollte, so laß uns kommen zum Anfange der großen, himmlischen Woche, die Du Deinem Erbe verheißen hast. Laß uns sterben des Todes der Gerechten, und unser Ende sein wie das Ende der Frommen; so heißet es: ende gut, Alles gut! Amen.

So ist die Woche nun beschlossen,
Und auch zugleich der Tag verflossen.
Wer weiß, wie nah mein Ende sei?
Nimm, Jesu, mich in Deine Hände,
So komme, wann Du willst, mein Ende,
Ich warte dessen ohne Scheu.
Denn was mein Ende hier auf Erden,
Das muß mir dort der Anfang werden.

Friedrich Arndt – Abendgebet am Freitag

Gott Vater, mein Geber alles Guten, was gebe ich Dir wieder für alle Deine Gaben, die ich diesen verfloßnen Tag von Dir empfangen habe? Ich bin ein Kind des Zorns von Natur, und dennoch hast Du mir Deine Gnade so reichlich erwiesen. Da ich nichts verdient, so hast Du mir Alles gegeben, was mir noth ist. Alle Wohlthaten, die Du über mich ausgeschüttet, sind Früchte Deiner erbarmenden Liebe. Alles Kreuz, das Du mir zugeschickt, ist eine Wirkung Deiner väterlichen Neigungen. Und diesen Augenblick muß ich sagen: Bis hieher hat mir der Herr geholfen! Ach, warum hab’ ich nicht Engelzungen, Deine Treue und Barmherzigkeit nach Würden zu erheben? Allein wie beschämt mich meine Sünde vor Deinem Angesichte, daß ich mich fürchten muß, mein Dankopfer werde Dir nicht gefällig sein! Es ist wahr, daß der Sünder vor Dir nicht bestehen kann; aber das ist auch gewiß, daß Du den Sünder in seiner Buße nicht verstoßen willst. Ich will Deine heilige Verheißung ergreifen, daß, wer an Jesum Christum glaubt, nicht soll verloren werden. In diesem Glauben rechtfertige mich; in diesem Glauben absolvire mich! Sei mir um Christi willen gnädig und barmherzig! Finsterniß bedeckt nun das Erdreich: Du aber decke mich mit Deiner allergetreuesten Liebe. Sende mir Deine Nachtwache bis zur fröhlichen Morgenwache.

Gott Sohn, mein Alles in Allem! Jedermann denkt jetzt an seine Ruhe; ich aber denke an meine Sünde. Ach, meine Gedanken sind heute nicht allemal Deine Gedanken, und meine Wege nicht immer Deine Wege gewesen. Ich weiß aber, daß Du nicht Gedanken des Leides, sondern Gedanken des Friedens über mich hast. O so denke an mich in Deiner Barmherzigkeit, wie Du am Kreuze des armen Schächers gedacht hast. Wirf meine Sünde in die Tiefe des Meers, daß ihrer nimmermehr gedacht werde. Gedenke, o Herr, der schweren zeit, darin der Leib gefangen liegt. Der Seele, die Du hast erlöset, gieb, Herr Jesu, Deinen Trost: tröste mich in dieser Nacht durch das Andenken Deiner Wunden. Weil Du mich in derselben von der Obrigkeit der Finsterniß errettet hast, so laß mich auch jetzt vor des Satans Grauen und Klauen sicher ruhen. Dein letztes Wort sei auch mein Wort: „Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist.“ sollte ich diese Nacht mein Haupt neigen müssen, so laß es Dir auf Deine blutige Brust fallen; soll mir mein Herz brechen, ach so breche es in Deiner geöffneten Seite! Das sei mein Weg in’s Paradies; ich küsse Deine hohepriesterlichen Wunden und sage: Dir leb’ ich, Dir sterb’ ich, Dein bin ich todt und lebendig.

Gott heiliger Geist, mein Vertreter, beschließ meine Seufzer mit Deinem Abba, besprenge sie mit dem Blute des unschuldigen Lammes, versiegle sie mit dem letzten Angstschrei meines sterbenden Jesu! Wenn ich jetzt mein Licht auslöschen werde, so sei das Licht in meinem Herzen; wenn ich meine Kleider ablege, so ziehe mich an mit Kraft aus der Höhe, daß ich wider alle listigen Anläufe des Satans bestehen möge; wenn ich die matten Glieder auf mein Lager werfe, so versichere meine Seele, daß ich in den Wunden meines Jesu ruhe. Laß auch mein Bette mir von meinem Grabe predigen, daß ich nicht in Sicherheit schlafe, wie die Jünger am Oelberge, sondern alle Augenblicke meines Endes warte. Stecke das Kreuz meines Erlösers als ein Siegeszeichen vor mein Bett: das soll meine Ruhe, das soll meine Ehre sein. Bekehre auch alle Feinde des Kreuzes Christi, daß sie sich unter dieses Panier sammeln und der Verdammniß entgehen mögen. Versiegle auch mit diesem Gnadenzeichen die Ruhe der Meinigen, und laß Keinen verloren gehen, den Du damit bezeichnet hast.

Heilige Dreieinigkeit, Deine Gnade sei unser Licht im Finstern; Deine Kraft sei unsere Stärke in der Schwachheit; Dein Schutz sei unser Schild in der Gefahr; so wird keine Plage zu unserer Hütte nahen. Sei mit uns, o Vater, in Deinem Sohne mit Deinem Geiste! Laß diese Schrift an unser Haus und Herz geschrieben sein: „Hier ist der Herr! Ist Gott für uns, wer will wider uns sein?“ Amen.

So ist der Freitag nun vorbei,
Und Du, mein Jesu, machst mich frei,
Daß ich in Deinen tiefen Wunden
Der Kinder Gottes Freiheit funden.
Gieb auch nunmehr durch Deine Macht
Zum Freitag eine freie Nacht.
Die Sonne geht zur Rüste,
Bleib bei mir, Jesu Christe:
So hab’ ich Licht und Leben,
Wenn mich die Nacht umgeben.

Friedrich Arndt – Abendgebet am Donnerstag

Gott Vater, mein höchstes Gut! Wie gut hast Du es abermal den vergangenen Tag mit mir gemacht! Deine Güte ist besser denn Leben. Wenn ich meine Unwürdigkeit mir der Größe Deiner Barmherzigkeit vergleiche, so muß ich mit Jakob sagen: Ich bin dessen nicht werth, was Du an mir gethan hast. Mit was für väterlicher Vorsorge hast Du mich berathen; mit was für getreuer Wachsamkeit hast Du mich so viel tausend Gefährlichkeiten entrissen; mit welcher Langmuth hast Du mich in meinen Sünden getragen; mit welcher Geduld und Liebe hast du mich zur Buße geleitet! Ach, gieb mir doch eine rechte Empfindung von der Größe dessen, was ich Dir schuldig bin. Ach wie erschrecke ich mich, wenn ich bei allem diesem Guten in meinem Fleiße nichts Gutes finde! Du hast mich wohl mit Wohlthaten überschüttet, aber ich habe Deine Gnade und Gabe gemißbraucht. Diese Seile der Liebe habe ich zerrissen. Meine Sünde ist jetzt vor mir, Dein Zorn über mir, die Angst der Hölle in mir. O Vater der Barmherzigkeit, wie sündlich ich auch bin, so nehme ich dennoch meine Zuflucht zu Dir. Bei Dir ist die Vergebung, daß man Dich fürchte. Ach, Herr, vergieb nach Deiner Liebe, die Du fest zu mir trägest!

Gott Sohn, meine einzige Zuflucht, zu Dir fliehe ich, verstoß mich nicht! Ich höre wohl an diesem Donnerstage Dein Gesetz donnern, aber auch Dein süßes Evangelium Friede und Gerechtigkeit predigen. habe ich schon große Ursach, traurig zu sein über meine Sünde, so habe ich doch noch viel größere Ursach, mich zu erfreuen über Deine Liebe, die mich nicht will lassen verloren gehen. Verwandle durch diese Liebe den Zorn Deines himmlischen Vaters in lauter Gnade, die Finsterniß der gegenwärtigen Nacht in lauter Licht, ja, meinen Tod, wenn er heute erfolgen sollte, in lauter Leben. Hast Du nicht, o Seelenfreund, wo Du Dein Haupt hinlegest, ach so lege es heute auf mein Herz; so werde ich in Dir ruhen, und Du in mir. Ich will Dich halten und nicht lassen, bis ich Dich in meine Kammer bringe. Ach, bist du bei mir drinnen, so werde ich wohl bleiben.

Gott heiliger Geist, mein Pfand und Siegel, versiegle mich auch heute mit dem Siegel der göttlichen Kindschaft. Erinnere mich meines Taufbundes, damit ich im Bündlein der Lebendigen eingebunden bleibe. Baue Dir auch im Schlafe einen Tempel in meinem Herzen und erfülle dasselbe mit süßen Träumen. Verlaß mich nicht, wann mich alle Menschen verlassen. Wenn ich von mir selbst nicht weiß. so denke Du an mich. Befreie meinen Geist von der Last aller irdischen Sorgen, welche uns oft die Nacht zum Tage machen. Verbanne aus meinen Gedanken alle unreinen Lüste, aus meinen Ohren alle bösen Zeitungen, aus meinen Augen alle Schreckbilder der Hölle. Wecke mich wieder zu einer glückseligen Stunde; ist aber mein letztes Stündlein vor der Thür, so laß meinen letzten Blick in die Wunden Jesu gehen. Nur selig, nur selig, – ob gleich plötzlich! Auf Christum und in Christo ist es am besten schlafen gehen.

Heilige Dreieinigkeit, laß auch heute die Meinen dieses Siegel haben: „Der Herr kennet die Seinen!“ Mache zunichte den Rath der Gottlosen; heilige die Ruhe aller Frommen; schütze die Wohnungen Jakobs; gieb uns diejenigen zu, die um Deinen Thron stehen; – so wollen wir uns morgen vor diesem Thron bücken und sagen: „Der Gott Israels ist mit uns, der Gott Jakobs schützet uns.“ In Deinem Namen sprechen wir indessen Amen.

In Jesu Namen schlaf’ ich ein;
Der Feind mag lauter Donner spei’n,
Ich werde darum nicht erwachen.
Gott wendet einen jeden Schlag,
Und kann auf einen Donnerstag
Die angenehmste Stille machen.

Ihr blut’gen Wunden der leidenden Liebe,
Ich lege mein Herze mit Glauben in euch:
So hab’ ich ein Bette, dem Salomo gleich,
Und fürchte nicht, daß mich ein Unfall betrübe.

Friedrich Arndt – Abendgebet am Mittwoch

Gott Vater, mein Erretter, ich will Dir abermal ein Freudenopfer thun und Deinem Namen danken, daß er so tröstlich ist. Du rettest mich aus aller meiner Noth. Je mehr ich Tage hinter mich lege, je mehr erfahre ich Deine Treue, je mehr genieße ich Deine Liebe, je mehr schmecke ich Deine Freundlichkeit, je näher komme ich aber auch dem Tag, der allen meinen Tagen ein Ende macht. Ach, daß ich doch jeden, und also auch den heutigen Tag so zugebracht hätte, daß Deine Liebe nicht wäre beleidigt, Deine Gerechtigkeit nicht gereizt, mein Gewissen nicht beschwert, meine Strafe nicht gehäuft worden. Ach, ich erkenne die Finsterniß meines Herzens bei diesem dunkeln Abend. Wo soll ich hingehen vor Deinem Angesicht? Sollte mich nicht Dein Fluch treffen, daß meine Leuchte verlösche mitten in der Finsterniß? Ach, mein Gott, züchtige mich nicht nach Deiner Gerechtigkeit! Verwandle Deinen Richterstuhl in einen Gnadenstuhl! Laß meine Sünde wohl ferne von mir sein, Du aber sei nicht ferne von mir; vergieb und vergiß meine Schuld, gedenke aber an Deine Huld, und sei auch in der zukünftigen Nacht mein Gott, der sich über mich erbarmet!

Gott Sohn, mein Fürsprecher, tilge aus die Handschrift, die wider mich ist! Du Baum des Lebens mitten im Paradiese Gottes, laß mich heute unter Deinem Schatten ruhen! Ich suche auch des Nachts Dich, den meine Seele liebet. Ruhe bei mir, so schlafe ich selig. Wo ja meine Feinde nicht ruhen, so widerstehe ihnen mit Deinem Arme. Läge ich mitten unter den Löwen, so laß mich auch mitten unter den Engeln liegen, die ihren Rachen zuhalten; bin ich wie ein Mensch, der mitten im Meer schläft, so gieb mir dennoch eine Stille in meinem Herzen, daß meine Seele nicht unruhig sein dürfe. Verbirg mich heimlich in Deinem Gezelt, welches die Losung hat: die Liebe ist sein Panier über mir!

Gott, heiliger Geist, mein Redner, laß mich den Feierabend mit feurigem Gebete machen! bin ich heute kaltsinnig gewesen in meinem Christenthum, so entzünde Deine brünstige Liebe in mir, und laß das Fünklein meines Glaubens nicht in Asche ersticken. Habe ich gewandelt nach dem Fleische, so erneuere mich im Geist. Lege ich meine Kleider ab, so ziehe mir Jesum Christum an. Schließe ich meine Augen zu, so erwecke Du mein Gewissen. Seufze ich in der Nacht, so schreie Du selbst das Abba für mich. Rede ich mit meinem Herzen auf meinem Lager, so laß den Inhalt meines Gesprächs nichts als meinen Jesum sein. Will mich eine Furcht ankommen, so halte mir vor, daß ich nicht einen knechtischen, sondern einen kindlichen Geist empfangen habe, und mich also nicht fürchten dürfe.

Heilige Dreieinigkeit, auf Deine Gnade lege ich mich, hinter Deine Allmacht verberge ich mich. Verriegle mein Haus, versiegle mein Herz mit Deinem Schutze! Sei bei uns zur Rechten und zur Linken; sei meiner Freunde Freund, meiner Feinde Vergeber; erquicke alle Mühselige und Beladene. Gieb uns auf eine ruhige Nacht einen fröhlichen Morgen, bis endlich kein Mittwoch mehr sein wird, und wir Alle dort versammelt werden, wo das Lamm mitten auf dem Stuhl uns weiden wird. Dir sei Ehre in Zeit und Ewigkeit. Amen.

So bin ich nun in Gottes Hand,
Die alles Grauen hat verbannt.
Ich fürchte weder Noth noch Tod,
Denn wo ich bin, da ist mein Gott.

Mit Jesu will ich schlafen gehen,
Mit Jesu wieder auferstehn.

Dank und Ruhm sei Dir bereit’t,
O Du Herr der Herrlichkeit,
Daß ich wieder einen Tag
Fröhlich hinterlegen mag.

Friedrich Arndt – Abendgebet am Dienstag

Gott Vater, mein Hort und Heil! Es ist abermal ein Tag zu Ende, aber Deine Güte nicht, welche kein Ende hat. Ach, daß doch meine Sünde auch ein Ende hätte, mit welcher ich diesen Tag mein Gewissen beschwert habe! O ich elender Mensch, wer will mich erlösen von dem Leibe des Todes? Ich habe leider an diesem Dienstage meine Glieder sehr wenig begeben zum Dienste der Gerechtigkeit, daß sie heilig würden. ich hätte Dir allein dienen sollen; denn Niemand kann zween Herren dienen. Aber so habe ich dem Geschöpfe mehr gedient, als dem Schöpfer. Ich bin der Sünde Knecht (Magd) worden und habe sie lassen herrschen in meinem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten. Was habe ich nun zu der Zeit für Frucht? Derer ich mich schämen muß, denn das Ende derselben ist der Tod. Ach, Vater, strafe mich nicht, wie ich’s verdienet habe; laß auch an diesem Dienstage das Verdienst Deines Sohnes gelten für alle meine Sünde. Weil es dunkel wird, so stelle meine Sünde nicht in’s Licht vor Deinem Angesicht, sondern laß sie in den Wunden Jesu vergraben sein.

Gott Sohn, mein Herr und mein Gott, Du bist unter uns wie ein Diener gewesen und hast Knechtsgestalt an Dich genommen, daß Du uns von der Sünden Knechtschaft befreien und zur himmlischen Freiheit der Kinder Gottes bringen möchtest. Ach, befreie mich auch heute von dem Dienst der Ungerechtigkeit, daß ich hinfort der Sünde nicht mehr diene. Gieb mir Deine dienstbaren Geister zu, die um Deinen Thron stehen. Steure, o Du Löwe vom Stamme Juda, dem brüllenden Löwen, der mich zu verschlingen sucht. Hast Du mich heute mit Deinen Augen geleitet, so drücke auch nun selber meine müden Augen zu. Bewahre mich und das Meinige, denn es ist das Deinige. Wende ab Wassers und Feuersnoth, denn Du bist der Nothhelfer. Behüte vor Grauen und Erschrecken, Deine Hand kann Alles ändern. Du hast mir heute viel Gutes erwiesen, ach, setze auch dieses hinzu, daß ich ein Dir versöhntes Herz zur Ruhe bringen möge. Soll etwa das Bette zu meinem Grabe werden, so laß mich an Dein Grab gedenken und meine Seele in Deine Wunden betten.

Gott heiliger Geist, mein Licht vom Licht, laß mir Dein Gnadenlicht nicht mit der Sonne untergehen! Schlafen die Augen, so laß doch mein Gewissen wachen. Laß mich mein Lager lieber mit Thränen, als mit Sünden beflecken; behüte mich vor ärgerlichen und entsetzlichen Träumen; mache mein Herz zu Deinem Heiligthum und heilige es in meiner Ruhe durch Deine süßen Regungen. Befreie mein Gemüth von der Last aller irdischen Sorgen, und laß mich keine als menschliche Versuchung betreten. So oft ich einen Dienstag beschließe, so oft gieb mir zu bedenken, daß dieses Leben nur ein Diensthaus sei, damit ich mich freue, den Dienst der Eitelkeit abzulegen, und mich stets bereite, Dir dermaleinst im ewigen Lichte zu dienen. Erhalte mich in Deinem Dienste getreu bis in den Tod, auf daß, wo mein Jesus ist, auch ich, sein Diener, alsdann sein möge.

Heilige Dreieinigkeit, offenbare Deine Herrlichkeit auch diese Nacht an mir und allen Menschen, die Deiner Macht vertrauen, Deine Gnade suchen, Deines Schutzes bedürfen. Gedenke an Deine Verheißung: „Ich will Dich nicht verlassen, noch versäumen.“ Sei Du, großer Gott, bei Deinem kleinen Häuflein, Du reicher Gott bei den Armen, Du starker Gott bei den Schwachen, Du Vater des Trostes bei den Betrübten, Du Arzt Israels bei den Kranken, Du ewiges Leben bei den Sterbenden. Verhilf uns Allen endlich dahin, wo keine Nacht mehr ist, sondern lauter Licht immer und ewiglich. Amen.

Komm, süßer Schlaf, erquicke mich,
Mein müder Leib begehret dich.
Wirf meine Glieder sanfte hin,
Laß alle Schrecken von mir fliehn,
Bis daß die Nacht ihr Ende find’t;
Gott selber ruft: nun schlaf mein Kind!
Die Last ist aus, nun kommt die Lust,
Die mir in sanfter Ruh bewußt;
Mit Jesu wach’ und schlaf’ ich ein:
Wie sollt’ ich denn nicht fröhlich sein!

Friedrich Arndt – Abendgebet am Montag

Gott Vater, meine Stärke, Dank sei Dir, daß Du mich stark gemacht, des Tages Last und Hitze zu tragen. Lob sei Dir, daß Du ein väterliches Aufsehn auf mich gehabt und mich in meinem Berufe mannichfaltig gesegnet hast. Groß sind Deine Wunder und Wohlthaten; ich will sie verkündigen und davon sagen, wiewohl sie nicht zu zählen sind. Du hast mir heute viel Gutes gethan; allein ich habe dir leider viel Böses dafür bewiesen. Mein Gewissen zeigt mir mehr Flecken, als der Mond in seinem Licht; ja, dieser Montag überzeugt mich einer großen Finsterniß meines Herzens. Mein Mund beklaget es, mein Herz bereuet es. Ach, richte, Herr, Dein Angesicht nicht wider mich, sondern auf mich, sei mir Sünder gnädig! Errette mich von der Obrigkeit der Finsterniß, und laß mich nicht im Schatten des Todes sitzen; überschatte mich aber mit Deiner Rechten in der gegenwärtigen Nacht, und laß meine Zuversicht unter Deinen Flügeln sein. Sei mir eine feurige Mauer um mich her, mein Schild wider alles Schrecken, meine Ruhe in der Unruhe, mein Leben, wenn ich als Todter liegen werde.

Gott Sohn, mein Heil, ach nimm doch alles Unheil von mir, welches meine Sünde heute angerichtet! Heile die Wunden meines Gewissens, daß ich nicht heulen dürfe vor Unruhe meines Herzens. Streich Dein Blut an die Pfosten meiner Kammer, daß der Würgengel vorübergehe. Ich will mein Herz mit Deinem theuern Namen versiegeln. Laß dieses meine Losung, laß dieses mein Zeichen sein, daß ich Dir zugehöre und der Satan keinen Theil an mir habe. Bleibe bei mir, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget. Sehe ich um mein Lager nichts, als ein finsteres Aegypten, so laß doch ein lichtes Gosen durch Deinen Glanz in meinem Herzen sein. Denn auch Finsterniß ist nicht finster bei Dir, und die Nacht leuchtet wie der Tag, wo Du bist, o Du Licht vom Lichte! Himmlischer Salomo, stärke Deine Starken um mein Bette, und laß mich mit Augen des Geistes sehen, daß derer mehr, die bei mir sind, als derer, die wider mich sind! Du Engel des großen Raths, laß mich nicht der Engel mangeln, sondern berathe Leib und Seele mit Deinen heiligen Wächtern, daß ich bei Deinem Schutz sicher ruhen möge!

Gott, heiliger Geist, mein Trost, habe Dank, daß Du viel Gutes heute in mir gewirkt hast; sei gepriesen, daß Du heute viel Böses in mir verhindert hast. Es ist Dein, was ich Löbliches heute gethan habe; mein aber, was gefehlet und versehen ist. Habe ich heute den Tempel meines Herzens verunreinigt, ach, so weiche darum nicht von mir! Heilige und reinige ihn wiederum in dem Blute des Lammes; setze das Siegle wiederum auf mein Herz, welches ich durch meine Sünde abgerissen; überschatte mich heute, Du Kraft des Höchsten; bezeuge in mir die göttliche Kindschaft; zeige mir im Schlafe die himmlische Erbschaft, bereite mich durch Erblickung des Todes zu meines Lebens seliger Endschaft.

Heilige Dreieinigkeit, von Dir sind alle Dinge, und wir in Dir. O Du unerforschliche Tiefe des Reichthums, erbarme Dich heute über Reiche und Arme; habe ein Aufsehn auf Deine Auserwählten; behüte Verwandte und Bekannte; schütze Einheimische und Fremde; segne Freunde und Feinde; sei aller Nothleidenden Gott, aller Betrübten Trost, aller Schlafenden Hüter und Wächter! Niemand ist gut, als Du einiger Gott, also verleihe auch uns Allen in Dir eine gute Nacht. Amen.

Zu guter Nacht! Mein Jesus wacht,
Daß mir die Nacht kein Grauen macht.
Jetzt schließt die Ruh mein’ Augen zu:
Mein Gott ist mein und ich bin Sein!
Das soll die letzte Losung sein.
Die Nacht verläßt des Tages Licht,
Mein Gott, nimm Deinen Gang mir nicht.
Zeuch Du in meinem Herzen ein,
So hab’ ich immer Sonnenschein.

Friedrich Arndt – Abendgebet am Sonntag

Gott Vater, mein Wächter, Du Hüter Israel, ich nehme meine Zuflucht an diesem Abend zu Deinen offnen Augen. Du schläfst noch schlummerst nicht: ich aber muß beides thun, daß der müde Leib erquickt werde. Erleuchte demnach meine Augen, daß ich nicht im Tod entschlafe. ich habe heute die Wunder in Deinem Gesetze gesehen. Wie deutlich hast Du mich gelehret, wie väterlich ermahnt, wie treulich gewarnt, wie herzlich getröstet! Aber ich erschrecke, wenn ich dagegen auf mich sehe. Wie sparsam hab’ ich Dich gehört, wie lau Dich geliebt, wie ungern bin ich Dir gefolgt, wie muthwillig habe ich Deinen Zug verachtet! Ach, laß mich das Wort, das ich verachtet habe, nicht richten an jenem Tage! Laß nicht die Sonne über meiner Bosheit und meinem Zorne untergehen! Gnade für Recht bitte ich; Erbarmen für Züchtigung. Sei auch in der Finsterniß mein Licht, daß ich morgen zu einem neuen Licht und Wandel auferstehe.

Gottes Sohn, mein Hirt, mache mir jetzt in Deinem Blute eine schöne Abendröthe. Dein Schäflein legt sich in Deinen Schooß; Dein Küchlein wirft sich unter Deine Flügel; Dein Jünger schmieget sich an Deine Brust. Bewahre mich, wie Deinen Augapfel; setze mich wie ein Siegel auf Deinen Arm; halte mich wie einen Ring an Deinem Finger. Laß Deine Liebe meinen Traum und Dein Wort das Gespräch meines Herzens auf meinem Lager sein. Deine Linke lege sich unter mein Haupt, und Deine Rechte herze mich. Kleide mich aus von den heutigen Sünden, und kleide mich an mit dem Purpur Deines Verdienstes. In diesem Schlafkleide werde ich süß ruhen, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in meinem Herzen.

Gott heiliger Geist, mein Beistand, versiegle in mir, was ich diesen Tag gehört habe. Du hast mir Himmel und Hölle vorgestellt, Segen und Fluch angekündigt, Leben und Tod zur Wahl gegeben: laß mich also wählen, daß ich das Beste und Einige erwählen möge. Sei in mir ein Brunnen des lebendigen Wassers, das in’s ewige Leben quillt. Zertheile in mir die angeborne Finsterniß durch Dein himmlisches Licht, lösche dagegen die Liebe der Welt in meinem Herzen aus. Laß mich diese bevorstehende Nacht in Deiner Liebe einschlafen und in derselben auch wiederum fröhlich erwachen. Ermuntere meine Seele durch heilige Bewegungen, daß sie stets zu Dir erwache, obgleich der Leib schläft. Zeige mir auch im Bette meinen Sarg und in meinem Schlafe den Tod, daß mich der letzte Schlaf nicht übereilen, sondern wachend und betend finden möge. Tröste die Betrübten, beruhige die Unruhigen, bekehre die Boshaftigen.

Heilige Dreieinigkeit, meiner Väter Gott, erbarme Dich der Meinen und aller Menschen! Laß Deinen heiligen Sonntag überall Strahlen der Liebe und Gnade zurücklassen; Deine Sonne gehe Keinem unter, der Dich nur erkennet und liebet. Niemand ist gut, denn Du, einiger Gott. Laß uns von Dir nichts trennen, o Du unzertrennliches Wesen, bis wir zu dem ewigen Sabbath kommen und das dreimal Heilig unaufhörlich rufen werden. Amen.

Schleuß dich, o Herzenstempel, zu,
Denn Gott hat in dir seine Ruh;
Die Ueberschrift steht an der Thür:
Gott Vater, Sohn und Geist ist hier.
Herr Zebaoth, Dein Ruhm verdient,
Daß er in meinem Herzen grünt,
Da es ein Tag dem andern Tage,
Und eine Nacht der andern sage:
Drum nimm auch diesen Abend an,
Was Deinen Ruhm vermehren kann.