Bernhard von Clairvaux

Ps. 91, 15 „Ich bin bei ihm in der Not.“ Es ist mir besser, in der Not sein, Herr, wenn du nur bei mir bist, als ohne dich zu herrschen, ohne dich Feste zu feiern, ohne dich geehrt zu werden. Es ist besser, in der Not von deinen Armen umfangen zu sein, besser, dich im glühenden Ofen der Trübsal bei mir zu haben, als selbst im Himmel zu sein ohne dich. Wenn ich dich nur habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Im Schmelztiegel wird das Gold erprobt, und in der Anfechtung der Not bewährt sich der Gerechte.

Bernhard von Clairvaux – Frieden

Du sprichst durch Deinen Propheten: Ich will meine Ehre keinem Anderen geben. Was willst Du denn geben, o Herr, was willst Du uns geben? Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nun, damit bin ich zufrieden. Dankbar nehme ich, was Du mir lässest und lasse, was Du Dir vorbehältst. So wird es mir gut sein. Ich entsage der Ehre, damit ich mir nicht anmaße, was nicht mein ist. Oder wer wollte es der Wand glauben, wenn sie den Sonnenstrahl zu gebären vorgebe, den sie durchs Fenster empfängt? Wer sollte nicht lachen, wenn sich die Wolken rühmten, als hätten sie den Regen erzeugt, der aus dem Meere kam? Den Frieden will ich, den Frieden begehre ich; Nichts weiter. Wem der Friede nicht genügt, dem genügst auch Du nicht, denn Du bist unser Friede, der aus beiden Eines gemacht hat. Das ist mir Noth, das ist mir aber auch genug, daß ich mit Dir versöhnt und Eins werde und Du mit mir. So soll es sein, wie die Engel sangen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!

Bernhard von Clairvaux – Kreuzigung

Wie schrecklich handelt mit Dir, o Herr, das böse und verkehrte Geschlecht! Und was thust Du, Da Deine Hände ausgespannt sind am Kreuze, da das Morgenopfer schon zum Abendopfer wird, rufest Du aus: Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! O wie bereit bist Du zum Vergeben! wie groß ist Deine Liebe, wie weit sind Deine Gedanken über unsere Gedanken, wie unwandelbar ist Dein Erbarmen selbst über die Gottlosen! Wunderbar Er ruft: Vergieb! die Juden: Kreuzige! O ihr Juden, rohe Steine seid ihr, aber ihr schlagt auf einen zarten Stein, aus dem Gnade erklingt und Oel der Liebe fließt. Mit welchem Strome der Lust wirst Du, o Herr, erst die tränken, die nach Dir sich sehnen, wenn Du schon die, welche Dich kreuzigen, mit dem Oele Deines Erbarmens überschüttest!

Bernhard von Clairvaux – Gebet

Komm, Erwartung der Völker, Herr Jesu, und erfreue uns durch deine göttliche Gegenwart! Wir bedürfen des Rates, der Hilfe, des Schutzes. Meinen wir auch aus uns selbst das Gute und Böse zu unterscheiden, fallen wir allzu leicht in Täuschung, lassen uns unvermerkt beschmeicheln. Wollen wir Gutes tun, fehlt uns die Kraft und Zuversicht. Mühen wir uns, dem Bösen zu widerstehen, machen wir allzuoft die traurige Erfahrung, daß wir schwach sind, und zuletzt unterliegen wir. So komm denn und heile unsere Blindheit, komm zu Hilfe unserem schwachen, unzulänglichen Menschenwesen. Komm, du Glanz der göttlichen Herrlichkeit! Komm, Gottes Kraft und Gottes Weisheit; wandle unsere Nacht zum Tag, schütze uns vor Gefahr, erleuchte die Blindheit, stärke den Mut in uns, führe uns treu an deiner Hand und leite uns deinem Willen gemäß auf dieser irdischen Pilgerschaft, bis du zuletzt uns aufnimmst in die ewige Stadt, die du selbst gegründet und aufgebaut hast.