Mechthild von Magdeburg

Herr, die Begierde, die ich zu dir habe, in deinem Zug; Herr, die Weisheit, die ich dann empfange in der Minne Flug; Herr, die Einigung, die ich dann habe in deinem Willen; Herr, die Stetigkeit, die ich dann erhalte nach deiner Gabe; Herr, die süße Erinnerung, wenn ich dein gedenke; Herr, die verwöhnte Minne, die ich zu dir habe. Das alles ist an sich so recht und vor deinen Augen, o Gott, so groß! Und wenn du es nicht wüßtest, Herr, so vermöchten es nicht alle Sandkörner, alle Wassertropfen, alles Gras und Laub, Stein und Holz, alle toten Kreaturen, es vermöchten das nicht Teufel, Heiden und alle deine Feinde, ja auch nicht alle deine Freunde, Menschen, Engel, Heilige im Himmel zu sagen. Wenn sie alle könnten und sprechen wollten und riefen ohne Unterlaß bis zum Jüngsten Tage; wahrlich, Herr, das weißt du wohl, sie vermöchten dir auch nicht halb zu verkünden die Meinung meiner Sehnsucht und die Not meiner Qual und das Jagen meines Herzens und das Sehnen meiner Seele nach dem Dufte deiner Salben und dem zubeschiedenen Anhangen an dir ohne Unterlaß. Amen.