Jesu Christe, du allmächtiger und allgütiger Herr,
wohl wünsche ich meinen Freunden deine Gunst und Gnade, aber du weißt auch, was
für Segenswünsche für meine Feinde in meinem Herzen ruhen. Denn du, Gott,
erforschest Herz und Nieren, du schauest hinab in meines Geistes geheime
Tiefen. Es ist dir offenbar, wenn du in die Seele deines Knechtes hinein eine
Saat gesät, die dir ein wohlgefälliges Opfer däucht, es bleibt dir nicht
verborgen, wenn wir, ich selbst und der mir feindlich gesinnte Bruder, eine
Saat dorthinein jäten, die mit Feuer verbrannt werden muß. Wende deine Augen
nicht ab, du gnadenreicher Gott, von dem, was du gesäet, du wollest vielmehr es
hegen und pflegen, segnen und behüten. Denn wie ich nichts Gutes zu beginnen
vermag ohne dich, so vermag ichs auch nicht hinauszuführen und zu vollenden
ohne deine Hülfe. Richte mich nicht, o barmherziger Gott, um des willen, das dir
mißfällt, sondern reiße aus, was du nicht gepflanzet hat, und rette meine
Seele, die du geschaffen hat. Ich vermag mich ja nicht besser zu machen ohne
dich; find wir gut, so hast du selbst uns dazu gemacht, und nicht wir selbst.
Meine Seele vermag nicht vor dir zu bestehen, wenn du sie nach ihrer Bosheit
richten wolltest. Darum, o Herr, der du allein mächtig, allein barmherzig bist,
laß all die Segenswünsche, die du selbst mir gegen meine Feinde ins Herz
gegeben, ihnen und dann hin wiederum auch mir zu gute kommen. Und wenn ich
ihnen ja einmal in meiner Unwissenheit, oder Schwachheit, oder Bosheit etwas
anwünschen sollte, was dem Gebot der Liebe widerspricht, das laß, o guter Gott,
weder ihnen, noch mir entgelten. Du bist das wahre Licht, erleuchte du ihre
Blindheit. Du bist die lautere Wahrheit, benimm du ihnen den Irrthum. Du bist
das wahrhaftige Leben, mache du ihre Seelen lebendig. Nun hast du aber durch
deinen Jünger, den du lieb hattest, das Wort geredet: „Wer nicht liebet,
der bleibet im Tode.“ 1. Joh. 3, 14. Darum bitte ich dich, o Herr, du
wollest ihnen gerade so viel Liebe gegen dich und den Nächsten schenken, als
sie nach deinem Willen haben sollen, damit sie sich nicht vor dir am Bruder
versündigen. Laß mich, du frommer Gott, ach laß mich meinen Brüdern nicht ein
Gift des Todes, ein Fels des Aergernisses, ein Stein des Anstoßes werden. Ich
habe schon genug daran, ja übergenug, o Herr, daß ich mir selbst zum Aergerniß
gereiche; schon meiner eigenen Sünde ist mir zu viel. So bittet dich denn dein
Knecht für seine Mitknechte flehentlich, du wollest verhüten, daß sie deine
Gnade, du großer, guter Gott, je mit Füßen treten um meine willen, sondern mit
dir versöhnt und mit mir im Frieden leben nach deinem Gebote und um
deinetwillen. Das sei die Buße, die der verborgene Mensch meines Herzens meinen
Mitknechten und Mitsündern, die mir feindlich sind, auferlegen soll. Das sei
die Strafe, die meine Seele für meine Mitknechte, die mich hassen, erbittet,
auf daß wir dich und uns unter einander lieben, so wie du willst und es uns
frommt, auf daß wir dir, dem guten Gott, ein jeder für sich und beide zusammen
Gehorsam leisten, und von dir, unserm gemeinsamen Herrn, gemeinsamen Lohn kraft
unserer Liebe gemeinsam erlangen mögen. Das sei die Rache, die über Alle kommen
müsse, die mir armen Sünder übelwollen und Uebles thun. Diese Rache, du
erbarmungsreicher Gott, laß auch über mich kommen, der ich an dir gesündigt
habe. So bitte ich denn, du mein gütiger Schöpfer und barmherziger Richter, ich
bitte die um deiner unausdenklichen Erbarmung willen, vergib mir alle meine
Schuld, gleichwie auch ich vor dir vergebe allen meinen Schuldigern. Und wenn
mein Geist das noch nicht, ja weil er es noch nicht in der vollkömmlichen Weise
thut, die vor dir besteht, so will ers doch thun, und thut sich Gewalt an, es
in deiner Kraft so gut er kann hinauszuführen; und auch dies Opfer laß dir
gefallen, und vergib mir um des willen meine Sünden vollkömmlich, und sei
meiner Seele gnädig so sehr du kannst.
Erhöre mich, erhöre, du großer guter Gott, an des
Liebesinbrunst sich meine hungrige Seele so gern weidet, obwohl sie deiner
nimmer satt zu werden vermag. Ich rufe dich an, o Herr, für den mein Mund
keinen Namen zu finden weiß, der meinem Herzen völlig genügte. Denn kein Wort
vermag ganz wiederzugeben, was du in Gnaden meiner Seele bist. So habe ich
denn, o Herr, gebetet, so gut ichs vermochte; hätte es gerne in besserer Weise
gethan, als ich vermochte. Ach erhöre, erhöre du, so gut du vermagst; du
vermagst ja, was du willst. Aus meiner Schwachheit und Sünde heraus habe ich
gebetet; ach erhöre, erhöre du, der du voller Kraft und voller Erbarmung bist.
Und nicht allein meinen Freunden, auch meinen Feinden wollest du geben, was ich
ihnen erbat; du weißt ja, was einem Jeglichen unter ihnen frommt, und was
deinem Willen gemäß ist, so wollest du sie denn Alle überschütten mit den
Gnadengaben deines Erbarmens. Und auch mir wollest du geben, nicht was mein
Herz will, und mein Mund bittet; sondern was ich nach deiner Weisheit und nach
deinem Willen wollen und bitten sollte, das verleihe mir allezeit, du Erlöser
der Welt, der du mit dem Vater und mit dem heiligen Geiste lebest und
regierest, wahrer Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.