Gottfried Arnold

Mach mir, o Herr Jesu, klar und lebendig deine ewige Erlösung, die du auch für mich erfunden hast, da du als mein Hoherpriester in das Heilige eingezogen bist, um mir die Stätte zu bereiten, da ich sein soll, wo du bist, wenn ich nur dein wahrer Jünger sein will. Du willst mich gerne aus der Hölle erlösen und vom Tode erretten, du willst auch meinem Tode den Stachel nehmen, daß er mir nicht schade. Warum sollte ich mich denn fürchten? Wird doch nur das Sterbliche an mir von dem Leben verschlungen und der arme Geist frei von den irdischen Banden, die ihn drücken? Ist doch der Tod nur dem natürlichen Menschen bitter und schrecklich, der Christum und dein Heil nicht kennt! Laß mir des Todes Bitterkeit vertreiben werden, ja versüße du mir sie selbst durch die Gemeinschaft deines Leidens und Sterbens. Du hast deinen Gläubigen den Tod in einen friedlichen Übergang aus der Zeit in die Ewigkeit und in eine selige Heimfahrt verwandelt, und sie werden nicht ins Gericht kommen, wenn sie sich hier richten und züchtigen lassen, sondern werden dem Gerichte entnommen, durch den Tod ins Leben zu dir hinüberdringen; so laß dein Leben allezeit, o Herr Jesu, in mir den Sieg behalten und den Tod verschlingen, nimm ihm seinen Stachel und laß mich meine Seele als eine Beute davon bringen, so will ich Gott Dank sagen, der uns den Sieg gegeben hat in Christo Jesu, unserm Herrn. Amen.

Gottfried Arnold – Um Segen für die Woche.

Bei diesem Anfang der Woche rufe ich zu dir, o heiliger Vater, im Namen Jesu Christi, du wollest mein Herz, Muth und Sinn mit deinem heiligen Geist erfüllen, damit ich allein das denke, rede und thue, was du selber in mir willst, und wirkest. Ach, vereinige meine Gedanken und Begierden mit dir durch die Liebe Christi, und reinige mein Gewissen durch sein Blut, damit ich in deinem heiligen Gehorsam einhergehe. Siehe, ich übergebe mich dir auf diese ganze Woche, ja auf mein ganzes Leben. Stärke mich mit deiner Kraft, mache mich aufrichtig, dir und meinem Nächsten in Liebe zu dienen. Lehre mich wider alle Verführungen meines verderbten Herzens und böser Menschen streiten. Mache mir die Eitelkeit recht bitter, daß du mir desto süßer werdest. Hilf mir die Last dieser Woche tragen. Leite mich, wie ein lieber Vater, und mache mich kindlich gehorsam. Sprich selbst deinen Segen über meine Arbeit, und gehe mir mit deiner Weisheit vor, damit ich fröhlich und getrost darin, aber auch gewissenhaft und treu sei. Ja werde du selbst in mir und allen meinen Dingen Anfang, Mittel und Ende, zu deinem Preis und meinem Heil. Amen.

Gottfried Arnold – Bitte um Weisheit

Herr Gott himmlischer Vater, du Brunnquell alles Heils und Segens, der du mir die Arbeit meines Berufs anbefohlen hast, und deine gefallene Creatur so gern wiederum durch deinen Sohn aus dem Fluch in deinen Segen versetzest: gib mir doch Weisheit und Verstand, in Allem recht nach deinem Willen zu handeln, deinem Namen zu Liebe und Lob, und meinem Nächsten, wie auch mir zu Gute. Und weil meine verderbte Natur mir an deinem Segen am meisten hinderlich ist, so bewahre mich doch vor allem Mißbrauch deiner Gaben zum Uebermuth, Geiz oder Wollust, damit ich mir selber nichts zuschreibe, sondern auf dich, den Ursprung alles Guten, allein sehe. Steure meinen eignen Willen, der deiner Regierung immer vorläuft, auf daß nur dein heiliger Wille an und in mir geschehe, und ich dem Exempel meines Heilandes folge, wie er auf der Welt gewandelt hat. Gieße du deine Sanftmuth und Demuth in mein Herz, damit ich in seiner Liebe gegen alle Menschen stehen könne, und du in mir wirkest was du willst, als in deinem armen Gefäß, daß du dir zu Ehren bereitet. Ja, vereinige mein Herz so kräftig mit dir, daß du mich brauchen könnest, wie du weißt, daß es mir heilsam sei. Ich ergebe dir Leib, Seel und Gemüth, Hab und Gut und was du mir gegeben hast. Ich entsage auch meinem eignen Willen, denn er ist meine Unruhe, und senke mich in die Kraft deines Wohlgefallens und Segens, darin mir allein wohl ist. Wirst du mit mir sein und mir Brod zu essen und Kleider anzuziehen geben, wie du denn treulich thust, so sollst du mein Gott sein immer und ewiglich. Amen.

Gottfried Arnold – Sehnsucht nach Gott

Unendliche Liebe in Christo Jesu, du Brunn aller Süßigkeit, dich suche und rufe ich jetzt und allezeit an in dem Verlangen meiner Seele. Komme mir doch entgegen mit deiner erquickenden Freundlichkeit, daß ich zu dir eilen möge. Ich kann dich ja nicht lieben noch aufnehmen ohne deine Gnade, die mich zu einem neuen Leben erwecken muß. Ach, laß dein Reich in mir offenbar werden, mit Gerechtigkeit im Glauben, mit Friede und Freude in deiner Liebe. Uebe du mich in täglicher Buße, damit ich mein Herz immer von neuem zu dir wenden möge, so oft es durch Abweichungen sich verirren mag. Siehe, da hast du meinen Willen; vereinige und verbinde ihn mit deinem. Werde mir doch in deiner Liebe süßer als alle Süßigkeit der Welt. Unterweise mich selbst durch dein Wort und Geist, wie ich dich lieben und in Liebe dir gehorchen solle. Meine Gedanken müssen am liebsten und öftersten zu dir gehn, mein Mund von dir voll werden, mein Wille alles Zeitliche gerne darüber vergessen. O gehe ein mit deiner Liebe in mein Innerstes, lasse eine ewige Lust zu himmlischen Dingen in mir erwecket werden, als einen Brunn, der ins ewige Leben fließe. Laß mich ohne dich nirgends verweilen und mir allenthalben bange werden, wo ich dich nicht finde. Aus treuer Liebe zu dir hilf mir die Anfeindungen dieser Welt freudig auf mich nehmen und mich deiner nicht schämen. Deine Liebe treibe aus mir und verdränge alle Menschenfurcht und Menschengefälligkeit, und schenke mir Lust, dir so anzuhangen, daß mich weder Hohes noch Tiefes, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgend eine Creatur von dir und deiner Liebe scheide. Amen.

Gottfried Arnold

Gott Vater, meine Hülfe, bis hieher hast du geholfen, du bist der Gott, der alle Hülfe thut. Mit Herz und Mund preise ich dich, daß du mich auf meinen Wegen treulich geleitet, väterlich versorget, mächtig beschützet und in den Seilen deiner Liebe wieder zu den lieben Meinigen geführet hast. Ich schwebte oft in Gefahr und Noth, allein da ich dir, du Hüter Israel, vertrauet, konnte mich nichts aus deiner Hand reißen. Du hast meinen Fuß aus dem Netze gezogen, daß ich errettet, ganz fröhlich rühmen kann. Dieis alles habe ich deiner mächtigen Vorsorge zu danken, und bitte dich nun herzlich, du wollest mich auch fernerhin in deinem göttlichen Schutz erhalten, in mir eine sehnliche Begierde nach dem himmlischen Vaterlande erwecken und gnädig verleihen, damit ich immer mehr Fleiß thue, meinen Beruf in Jesu feste zu machen, und wenn meine Pilgrimschaft einst zu Ende geht, mein Leib eine stille Herberge im Grabe, die Seele aber die Freude in den zubereiteten Wohnungen bei Jesu ewig genießen möge um seiner Liebe willen. Amen.
*Gottfried Arnold*

Gebetbuch,
enthaltend
die sämmtlichen Gebete und Seufzer
Dr. Martin Luther’S,
wie auch Gebete
von
Melanchthon, Bugenhaben, Matthesius, Habermann, Arnd
und anderen Gott-erleuchteten Männern.
Herausgegeben
vom
evangelischen Bücherverein
Berlin, 1849.
Im Magazin des Vereins, Klosterstraße No. 71

Gottfried Arnold – Gebet

Vater unseres Herrn Jesu Christi, wir bitten dich durch die Erscheinung deiner Gütigkeit und Menschenliebe, schenke uns deinen geliebten Sohn zum rechten Christgeschenke in unsere Herzen, damit du in ihm Wohlgefallen habest auch an uns. Schließ dein Vaterherz auf und gib uns dies ewige Gut geistlich, wie du es vormals leiblich gabest, da du es auf Erden sandtest. Mache uns seiner heiligen Menschwerdung in der Tat teilhaftig, daß wir alle die Seligkeit fassen und genießen, die du uns in ihm bereitet hast. O liebster Jesu, reiche uns deine Hand und rufe uns zu dir; du bist ja gekommen, uns zu dir zu ziehen aus diesem Tränental. Du höchstes Kleinod, du unsere Hoffnung, unser Heil, unser Alles! Entzünde alle Herzen mit der Flamme deiner göttlichen Huld, die dich aus der Herrlichkeit in unser Elend trieb; sie müsse uns inbrünstig und begierig machen, dich im Glauben zu ergreifen, mit Liebe zu empfangen, in unser Innerstes einzuschließen und zu bewahren, daß uns nichts von dir scheide. Gewinne doch Gestalt in uns in Sanftmut und Demut, in Selbstverleugnung und Armut des Geistes, in Gehorsam und Treue, in kindlich lauterem Sinn nach deinem Bilde. Gnade und Wahrheit ist durch dich geworden; so lasse sie auch in uns werden. Dem Frieden hast du gebracht; so sei er auch uns eigen. Die Sünder willst du selig machen; darum mache auch uns selig. Und weil du auf das Niedrige siehst, so laß uns auch in Mangel, in Verachtung und Schmach, in Verfolgung und Trübsal zufrieden sein, dir im Kreuze nachfolgen und mit deinem Leiden Gemeinschaft haben, auf daß wir auch die himmlische Herrlichkeit ererben und mit dir herrschen in Ewigkeit. Amen.

Gottfried Arnold – Um die rechte Kraft des Leidens Jesu

Getreuester Immanuel! dein verdorbenes und elendestes, aber doch durch dich erkauftes geschöpf, das werk deiner Hände, wirft sich im geist nieder an dein Creutz, und dürstet nach der verborgenen Gnade und Kraft, die du in dein Leiden geleget hast. Die äusserliche Geschichte desselben ist zwar lieblich und erbaulich; aber was hilft sie mir ohne die inwendige Wirkung? Ich finde nicht ruhe, bis ich die frucht geniesse: gleichwie du nicht ruhetest, bis alles vollbracht war. Also verkläre mir doch deine heilige Paßion in meiner seele, und flösse mir das Leben ein, das darinnen verborgen liegt. Ich werfe mich mit stöhnen und sehnen meines geistes in deine ausgedehnte Armen, ja in deine tiefe Wunden hinein, und begehre mit allen kräften deines Todes kräftiglich theilhaftig zu werden. Oeffne mir doch deine hole Seite, und ziehe da hinein alle mein verlangen! denn ich wünschte gar zu gern, aller dinge über Dir zu vergessen und müßig zu gehen. Ja, ich kans nicht aussprechen, wie herzlich gern ich mich allein rühmen möchte in Deinem Creutz, daß mir die welt gecreutziget bliebe, und ich ih, mit allem ihren loben und schelten, bösen und guten gerüchten, lüsten und schrecken, vortheilen und beschädigungen. Alles diß mache doch ganz todt in mir, wie du allen dingen erstorben am Creutz hiengest. Verwunde, triff und zeichne mein herz mit deiner Wunden-Kraft so tief, so beständig und empfindlich, daß es mir eine quaal sei, einen augenblick ohne deine Gesellschaft zu leben, und ein Himmel, mit dir zu reden, zu wirken und zu leiden. Setze mich durch dein Leiden in eine solche Gnade und Liebe bei deinem Vater, daß ich nicht nach meinem, sondern nach deinem Verdienst von Ihm angesehen werde. Laß dein Blut für mich und in mir schreien, ja alle deine Wunden mich vertreten wieder alle meine feinde. Dein Geist mache sie mir zu sichern Felslöchern, darein ich zu fliehen mich stets übe, und also bewahret und erhalten werde. O meine einzige Hoffnung, gib mir eine selige Nachfolge in allen deinen heiligen Fußstapfen, die du nach dir gelassen hast. Zeige sie mir in allen meinen schritten, die ich zur Ewigkeit thue, und laß mich nicht im geringsten davon ausschweifen, noch die breite bahn der welt jemals mehr betreten. Du hast mich deinem Vater mit samt deinem Geist zu treuen Händen empfohlen: alda versiegele und zeichne, färbe und durchdringe meine seele mit deinem rosin-farben Blut, auf daß er sie darinne erkenne und aufnehme, wenn sie vom leibe scheidet. Begleite du sie vor deines Vaters Angesicht. Vertilge in mir die lust zur sünde, die du gebüssest hast. Hilf mir durch deine Geduld und Lammes-Natur alle mein elend überwinden, und kämpfe selbst in mir den guten kampf des Glaubens in der Kraft deines letzten streits. Dein ängstiges Seufzen unterhalte auch mein stöhnen zu dir bis ans ende. Unterdessen laß deine brünstige Liebe zu mir auch solche Liebe in mir wirken, Dir zu liebe alles anzunehmen, wie du es fügest, und alle anfechtungen in liebe zu besiegen. Deßwegen du mir auch in allen zu hülfe kommen wollest, und meine begierde mit dir allezeit stillen, daß ich unter deinem joch bleibe, und nach nichts anders mich umsehe. Schreibe deine Striemen und Nägel-Maale in meinen sinn zum andenken deiner Liebe, die mich auch dankbar mache und erleuchte, deiner Erlösung ewig zu geniessen, und zwar durch die Kraft aller und jeder deiner Leiden und Schmerzen, amen!