Augustinus – Liebe Gottes

Ich sage dir von Herzen Dank, mein lieber Vater, für das theure Blut deines lieben Sohnes, so er um meinetwillen vergossen hat, damit du uns noch täglich erquickest, heiligest und abwäschest in deiner heiligen Kirche, und deiner göttlichen Natur theilhaftig machst. Ich sage dir Dank für deine große unaussprechliche Liebe, der du uns also geliebet hast, die wirs doch nicht werth waren, daß du uns durch deinen eignen Sohn erlöset hast, durch den Hohenpriester, Mittler und getreuen Hirten, der sich dir zum Opfer gegeben hat, und seine Seele dargegeben für die Heerde seiner Schafe, der nun sitzet zu deiner Rechten und bittet für uns. Aber ich bitte und flehe auch zu dir, du gütiger und getreuer Gott, du Liebhaber der Menschen, du wollest mir deine Gnade geben, daß ich dich für alle solche deine Erbarmung mit deinem Sohn und heiligen Geist in allen Dingen von Herzen möge loben und preisen in Ewigkeit. Amen.

Anselm von Canterbury – Liebe

O lieber Herr Christus, verleihe mir Deine heilige und reine Liebe, daß sie mich ganz erfülle und beseele. Gieb mir aber auch das offenkundige Zeichen derselben, einen reichlichen Thränenquell, daß auch die Thränen es verrathen und aussprechen mögen, wie sehr ich Dich liebe. Ich erinnere mich der Hanna, jenes frommen Weibes, die zur Stiftshütte kam, um einen Sohn zu erbitten, von der die Schrift erzählt, daß sie geweint und gebetet habe. Aber eingedenk ihrer Inständigkeit werde ich tief beschämt, da ich sehe, daß ich Elender noch so gar darniederliege. Denn wenn sie im Gebete um den Sohn also weinte und weinend beharrte, wie müßte doch meine Seele klagen und klagend beharren, die Dich, o Herr, liebt und sich Dir zu nahen begehrt! Es kommt mir auch die wunderbare Frömmigkeit einer andern Frau ins Gedächtniß, die Dich, da Du im Grabe lagest, aus Liebe aufsuchte, die nicht zurückwich, als selbst die Jünger wichen. Trauernd und klagend saß sie vielmehr da, und weinte lange und viel, und wie sie aufstand, blickte sie, reichliche Thränen vergießend, immer wieder und wieder in die leere Gruft hinein, ob sie Dich etwa gewahren mochte. Und weil sie Dich vor Allen liebte, vor Liebe Thränen vergoß, unter Thränen Dich suchte und suchend beharrte, ward sie gewürdigt, Dich zuerst zu finden, zu sehen und mit Dir zu reden. Und nicht allein dieß, sie sollte auch Deinen Jüngern die erste Botschaft Deiner glorreichen Auferstehung bringen, indem Du ihr auftrugest: Gehe hin und sage meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen, daselbst werden sie mich finden. O lieber Herr, wie sie weinte, laß auch mich weinen, laß Thränen mein Brod Tag und Nacht werden, bis ich zu Dir komme und Dein heiliges Antlitz schaue.

Friedrich Arndt – Gebet

Herr, göttlicher Mittler, erbarmungsreicher Heiland, nimm uns gnädig an, heilige Dir selbst unsere Seelen, und verwirf uns arme Sünder nicht. Unsere Herzen sind bewegt von dem Anblick deiner liebenden Leiden und deiner leidenden Liebe, Du Mann der Liebe und der Schmerzen; o laß diese Bewegung bleiben, laß sie die stehende Grundstimmung unseres Inneren werden, laß Dein Marterbild und begleiten in die Freuden und Arbeiten, in die Schmerzen und Thränen des Lebens hinein. Wenn die Weltlust uns lockt, unsere Dir geweihete, Dir gehörende Seele vergiften will, und es darauf anlegt, uns von Dir wieder loszureißen und in ihren Jammer zurückzuziehen: Herr, tritt dann in Deiner Kreuzesgestalt vor unsere Seele, zeige uns deine Wunden und rufe uns zu: das that ich für dich, was thust du für mich? Wenn die Sünde, die Versuchung, der Unglaube, die Zweifellust, der Unfriede, die Thorheit und Klügelei uns nahet, und unsere Seele schwankt zwischen Deinem Gebot und der Lust der Sinne, wenn unser Gebet, unsere Liebe zu Dir ermatten will und der Kampf nachzulassen, der Feind zu siegen scheint: Herr, dann tritt in dem Bilde Deiner Leiden und Schmerzen vor uns hin, dann erinnere uns an Dein Kämpfen, Dein Ringen, Dein Bluten für uns, dann zeige uns den Preis, um deßwillen wir erlöset sind, und gieb uns neue Kraft und Stärke, daß wir das Feld behaupten und sprechen: wie könnt ich solch ein Uebel thun, und wider den Herrn meinen Gott sündigen? Wenn des Lebens Trübsale uns niederdrücken, die Noth steigt, die Menschen uns verlassen, die Unsrigen sterben, Alles um uns her die Oede und Wüstenei zu Werden droht, dann, Herr, ja dann laß uns sehen Deine Geduld, deine Ergebenheit, Deine Sanftmut und Liebe, Dein Gottvertrauen, und in dem Anschauen Deiner Herrlichkeit Frieden und Ruhe finden für unsere Seele. Wenn endlich unser Sterbestündlein schlägt und wir den letzten Gang gehen sollen, unsere Augen nicht mehr sehen werden, unser Ohr nicht mehr hören wird, unsere Lippen nicht mehr seufzen können, dann laß den Blick auf Dich, die Erinnerung an Deine letzten Worte unser Labsal sein in unserer allerletzten Noth, dann reiche uns Deine durchgrabene Hand führe uns durchs dunkle Todesthal und nimm uns auf in Deine ewige Herrlichkeit.

Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wenn ich den Tod soll leiden,
So tritt Du dann herfür;
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Aengsten
Kraft Deiner Angst und Pein.
Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und laß mich sehn Dein Bilde
In deiner Kreuzesnoth.
Da will ich nach Dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken
Wer so stirbt, der stirbt wohl. Amen.

Arnold von Basel – Die Liebe Gottes

O unerschöpfliche Liebe, die Alles übersteigt, Keines bedarf, und doch Allen reichlich giebt; die Herzen umwandelt und denen sich umsonst mittheilt, die nach ihr verlangen, die aus Menschen Götter macht, und Erde und Himmel verbindet, ohne die keiner glücklich und mit der Niemand unglücklich ist, ich weiß nicht, mit welchem Lobe ich Dich preisen soll, und doch kann ich Dein Lob nicht ganz verschweigen. Komm, v göttliche Liebe, in das Herz Deines Knechtes, das Du geschaffen hast, erfülle dein Gefäß, das Du gemacht, erweitere das Werk, das Du hergestellt, bringe zur Ruhe, was. Du unruhig gemacht und verwundet hast, besitze, was Du durch Dein eignes Blut erkauft, einige Dir ganz, was Du theilweise nach Dir gezogen hast. Denn Deine Lust ist es ja, o Herr, bei den Menschenkindern zu sein, und unser Reichthum ist es, Herr Jesu, bei Dir zu sein. Co wolle denn, lieber Herr, immer bei mir sein, daß ich stets bei Dir sein könne, und von Dir nimmer geschieden werde in Ewigkeit.

Bernhard von Clairvaux – Kreuzigung

Wie schrecklich handelt mit Dir, o Herr, das böse und verkehrte Geschlecht! Und was thust Du, Da Deine Hände ausgespannt sind am Kreuze, da das Morgenopfer schon zum Abendopfer wird, rufest Du aus: Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! O wie bereit bist Du zum Vergeben! wie groß ist Deine Liebe, wie weit sind Deine Gedanken über unsere Gedanken, wie unwandelbar ist Dein Erbarmen selbst über die Gottlosen! Wunderbar Er ruft: Vergieb! die Juden: Kreuzige! O ihr Juden, rohe Steine seid ihr, aber ihr schlagt auf einen zarten Stein, aus dem Gnade erklingt und Oel der Liebe fließt. Mit welchem Strome der Lust wirst Du, o Herr, erst die tränken, die nach Dir sich sehnen, wenn Du schon die, welche Dich kreuzigen, mit dem Oele Deines Erbarmens überschüttest!

Sören Aabye Kierkegaard – Liebe

Herr Jesus Christus! Du, der Du gewiß nicht auf die Welt kamst, um zu richten, Du warst doch dadurch, daß Du die Liebe warst, die nicht geliebt ward, das Gericht über die Welt. Wir nennen uns Christen, wir sagen, daß wir niemand wissen, zu dem wir gehen könnten, außer zu Dir – ach, zu wem sollen wir dann hingehen, wenn es, just durch Deine Liebe, auch für uns zum Gericht wird, daß wir wenig lieben? Zu wem, o Trostlosigkeit, wenn doch nicht zu Dir; zu wem, o Verzweiflung, wenn Du nicht doch erbarmend Dich unser annehmen wolltest, uns vergebend unsere große Sünde gegen Dich und gegen die Liebe, uns, die wir viel sündigten dadurch, daß wir wenig lieben!

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Herr Jesus Christus! Die Vögel hatten Nester, die Füchse hatten Gruben, und Du hattest nicht, wo Du Dein Haupt hinlegen konntest, obdachlos warst Du in der Welt – selber doch die Deckung, die einzige, wo der Sünder hinfliehen konnte. Oh, und so bist Du ja noch am heutigen Tage die Deckung; wenn der Sünder flieht zu Dir, deckt er sich bei Dir, ist gedeckt in Dir: da ist er ewig wohl verwahrt, da deckt „die Liebe“ der Sünden Menge.

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Herr Jesus Christus, damit wir recht Dich um Falles bitten können, bitten wir Dich zuerst um eines: hilf uns, daß wir Dich lieben, vermehre die Liebe, entstamme sie, läutere sie. O, diese Bitte wirst Du erhören, Du, der Du ja nicht, grausam, die Liebe so bist, daß du nur ihr Gegenstand bist, gleichgültig, ob einer Dich liebt oder nicht; Du, der Du ja nicht, im Zorn, die Liebe so bist, daß Du nur der Richter bist, eifernd, wer Dich liebt und wer nicht. Nein, so bist Du nicht, so flößtest Du auch nur Furcht und Angst ein, so wäre es furchtbar, „zu Dir zu kommen“, furchtbar, „in Dir zu bleiben“, so wärest Du ja nicht selbst die vollkommene Liebe, welche die Furcht austreibt. Nein, erbarmend, oder liebevoll, oder in Liebe bist Du die Liebe so, daß Du selber die Liebe erzeugst, die Dich liebt, sie empor liebst, daß sie Dich hoch liebe.

Philipp Jakob Spener – Dank für Christi Liebe

Ach, liebster Jesu, der du uns nicht nur die Seligkeit mit deinem Leiden und Tod erworben hast, sondern sie auch mit dir selbst, in so vielen Gütern, uns schenkest, gepriesen sei deine ewige Liebe, davon wir alles Solches geniessen. Lass uns aber diese theure Seligkeit weder versäumen noch verstossen, sondern sie zuerst lebendig erkennen, damit wir deren Würde zu schätzen lernen und desto herzlicher uns darnach bestreben. Ach so sei denn wahrhaftig unsere Gerechtigkeit vor Gottes Thron, unser Sieg und Freiheit von allen Feinden, unser saftgebender Weinstock zur Bringung vieler Frucht, unser Trost und Beistand in den Leiden, unser Leben in dem Tod und unsere Herrlichkeit in der Ewigkeit. So sind wir recht selig in dir, Amen; ja in dir, Amen.

Johann Friedrich Stark – Liebe Gottes

Der Herr ist bei mir, darum fürchte ich mich nicht. Du bist mein Hort, mein Fels, meine Burg und mein Erretter. Also seufze ich, mein Gott! in meiner jetzigen Betrübniß und Angst der Seele. Ach Herr, Herr! du weißt ja wohl, wie weh mir ums Herz ist, wie voller Leiden und Schmerzen ich bin. Aber ich weiß auch, daß mich diese Noth nicht unterdrücken wird, wenn du mir beistehst. Ach! verbirg doch dein Angesicht nicht länger vor mir. Du hast mir von Jugend auf viel Liebes und Gutes erwiesen; ach! mit solcher Liebe umfasse mich auch jetzt in der Betrübniß meiner Seele. Ein Schäflein flieht, wenn es gejagt wird, zu seinem Hirten; ein Kind, wenn es geängstet wird, geht zu seinem Vater; darum komme ich auch, mein Hirte und mein Vater! zu dir. O großer Gott! du hast mir deinen Beistand versprochen, ich bin bei dir in der Noth, ich will dich herausreißen; fürchte dich nicht, ich bin bei dir, weiche nicht, ich bin dein Gott, ich stärke dich, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit; ich will dich nicht verlassen, noch versäumen. Nun, o großer Gott! jetzt habe ich Hülfe vonnöthen, jetzt stehe mir bei, jetzt weiche nicht von mir, jetzt verlaß mich nicht. Umfasse mich mit deinen Liebes-Armen, erhalte mich, daß ich nicht sinke, erquicke mich in meinem Leiden, laß mich hören Freud und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. Beweise auch an mir, was Andere so vielfältig von deiner Liebe und Güte rühmen, damit ich mit ihnen deinen großen Namen preisen möge. O du Gott der Liebe! versiegle den Trost in meinem Herzen, du habest mein nicht vergessen, so wenig wie ein Vater seines Kindes vergessen kann. Treuer Vater! siehe, dein Kind ist betrübt, erfreue es, es ist voller Angst, erbarme dich und hilf ihm. Ich will, dieweil ich lebe noch, das Kreuz dir fröhlich tragen nach, mein Gott, mach mich dazu bereit, es dient zum Besten allezeit, Amen.