Johann Friedrich Stark – Bitte um Sanftmut

O du liebreicher Gott! der du die Liebe selbst bist, und willst deine Liebe in mein Herz ausgießen durch den heiligen Geist. Ach! ich klage dir mit betrübter Seele, daß mein Herz oft gar widerspenstig und unbändig ist. Es sollen in demselben Demuth, Liebe, Sanftmuth und Gelassenheit seyn; aber ach! ich finde leider statt dieser christlichen und nothwendigen Tugend: Eigensinn, Haß, Zorn, Rachgier, Feindschaft, durch welche ich angetrieben werde, wieder zu schelten den, der mich schilt, Böses zu vergelten dem, der mit Unrecht thut, und Rache an dem auszuüben, der mich unbilliger Weise angegriffen hat. Wenn ich aber, o Gott! aus deinem heiligen Worte weiß, daß, die solches thun, nicht sollen ins Reich Gottes kommen, und daß dergleichen Aufführung gegen die Feinde nicht sey der Kinder Gottes und der wahren Christen Art: ach! so erschrecke ich über mich selbst, daß ich noch des Teufels Unart an mir habe, welcher rachgierig, boshaftig und unversöhnlich ist, und bitte dich, erbarme dich meiner, o du liebreicher Gott! und gieb mir deinen heiligen Geist, der mein Herz heilige und reinige von aller Bosheit und Rachgier. Hilf, daß ich allezeit sehen möge auf das Exempel meines Jesu, welcher nicht wieder schalt, da er gescholten wurde, und niemals seinen Feinden drohete, daß er sich an ihnen künftig rächen wollte, da er litt, stellte aber vielmehr alles dem heim, der da recht richtet. Ach! gieb mir auch einen solchen stillen, sanftmüthigen und friedfertigen Sinn, daß ich keinen Groll und Haß in meinem Herzen behalte, und die Sonne über meinem Zorn nicht untergehen lasse. Verleihe mir Kraft und Stärke, daß ich möge seyn wie ein Tauber, der nicht höret, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht aufthut, zur Zeit, wenn mich mein Feind schmähet. Hingegen gieb Gnade, daß ich mich freue, wenn es ihm wohl geht, ihm alles Gute wünsche, ja ihm gern helfe, und wohl thue, wenn es ihm übel gehen sollte. Bewahre mich, daß ich keine Feindschaft weder in Worten, Gebärden und Werken spüren lasse, sondern wie gegen Jedermann, so auch gegen meine Feinde in dem Herzen sey mitleidig, mit Worten freundlich und aufrichtig, mit Gebärden holdselig, und mit Werken wohlthätig, damit durch meine Unversöhnlichkeit mein Gebet nicht verhindert, und all mein Gottesdienst und Andacht nicht verwerflich werde. Gieb, daß ich von Herzen verzeihe und vergebe meinen Schuldigern, wie ich will, daß du mir meine Fehler und Missethaten verzeihen sollst, daß ich nicht täglich wider mich selbst beten möge. Laß auf mich den Segen kommen, welchen du den Sanftmüthigen verheißen hast. Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Bezwinge in mir durch deinen Geist die wider diese Tugend aufsteigende Lust, damit ich als dein Kind glaube, lebe und sterbe, und dermaleins durch deine Gnade in die Häuser des Friedens versetzt werde. O Seele! schaue Jesum an, hier kannst du recht erkennen, was wahre Demuth heißen kann, und was wir Sanftmuth nennen, er stellet sich zum Uster dar: wie Jesus nun gesinnet war, so sey du auch gesinnet. Das Böse sucht er alsobald mit Gutem zu vergelten, man hörte, wenn die Welt ihn schalt, ihn niemals wieder schelten; er giebt es seinem Vater hin, so sanft ist deines Jesu Sinn, so sey du auch gesinnet, Amen.