Ambrosius von Mailand – Bitte eines Bischofs um Vergebung

Mein Jesus, laß auch mich dir
die heiligen Füße waschen.
Seit du in meiner Seele wandelst,
hast du sie beschmutzt.
Laß mich den Schmutz entfernen,
den mein Tun auf deinen Weg warf.
Doch wo finde ich das lebendige Wasser,
mit dem ich dir die Füße waschen könnte?
Habe ich kein Wasser, so habe ich doch Tränen.
Benetzen sie deine Füße, dann werde ich selber rein.
Warum sprichst du zu mir:
»Ihr werden viele Sünden vergeben,
weil sie viel geliebt hat«?
Ich schulde mehr als andere und mehr vergabst du mir,
wurde ich doch aus dem Lärm der Gerichtshändel
und der Verantwortlichkeit
öffentlicher Verwaltungsarbeiten
zum Bischofsamt berufen.
Ich fürchte undankbar zu sein:
Du hast mir so viel vergeben,
und ich habe so wenig geliebt.
Bewahre dein Geschenk, schütze die Gabe,
die du dem Widerstrebenden verliehen hast.
Ich war mir der Unwürdigkeit für das Bischofsamt
bewußt,
hatte ich mich doch dem weltlichen Treiben ergeben.
Aber »durch deine Gnade bin ich, was ich bin«
Zwar bin ich der letzte aller Bischöfe
und der Geringste an Verdienst.
Weil ich aber für deine heilige Kirche arbeite,
schütze du diese Frucht.
Du hast den Verlorenen zur Bischofswürde berufen.
Laß nun den Bischof nicht verlorengehen.
Vor allem, gib mir die Gnade,
aus tiefstem Herzensgrund mit den Sündern Mitleid
zu haben.
Das ist wahre Tugend, steht doch geschrieben:
»Du hättest nicht frohlocken sollen
über Judas Söhne am Tage ihres Untergangs,
nicht harte Worte sprechen sollen
am Tage der Bedrängnis«.
Gib mir, daß ich Mitleid habe,
wenn die Sünde eines Gefallenen offenbar wird.
Laß mich dann nicht überheblich tadeln,
sondern trauern und weinen.
Laß mich mit den Tränen über andere
auch mich selbst beweinen und sprechen:
»Thamar ist gerechter als ich«.