Thomas von Kempen – Ein Gebet des Demüthigen, aus tiefem Gefühle des eigenen Unwerthes

Mein Herr, was ist der Mensch, daß Du sein gedenkst, oder ein Menschensohn, daß Du ihn heimsuchest? Wie hätte der Mensch je verdienen können, daß Du ihm Deine Huld angedeihen ließest? Wie könnt‘ ich klagen, wenn Du mir Deine Huld entzögest? Was dürfte ich mit Grunde dagegen einwenden, wenn Du meine Bitten nicht erhörtest? Wahrhaftig, dies Eine kann und darf ich mit aller Wahrheit denken und sagen: Aus mir allein und ohne Dich, bin ich nichts, und vermag ich nichts und habe nichts Gutes an mir; aus mir allein, und ohne Dich bin ich brechlich und ohnmächtig zum Guten, und strebe immer nach dem, was nichts ist: und, wenn Deine Macht mich nicht unterstützet, Dein Licht mich nicht im Innern erleuchtet, so werde ich noch ganz lau und zuchtlos. Dank Dir für alles Gute, das ich zu Stande bringe, denn alles Gute kommet von Dir! Ich bin aus mir und vor Dir – eitel Nichts, ein Mensch unstät und schwach. Was habe ich nun für Grund und Recht, von mir selbst groß zu sprechen, oder andere von mir große sprechen zu lassen? Vielleicht – weil ich aus mir, Nichts bin? Ein Ruhm – auf Nichts gebaut – wäre doch unter allem, was eitel ist, das Eitelste. O, die eitele Ehre, sie ist wahrhaftig, die erste Eitelkeit, und eine Seelenpest, die alles Gute tödtet; denn sie entblößt uns von der Gnade des Himmels, und raubt uns das Kleinod der wahren, innern Herrlichkeit. Denn, sobald der Mensch an sich selbst sein Wohlgefallen findet, hast Du Mißfallen an ihm. Und, wenn er dem Lobe der Menschen nacheilet, so verliert er darüber den wahren Werth, den ihm nur die wahre Tugend verschaffen kann.

Georg Mohr – Eingeständnis eigener Schwäche

Almechtiger ewiger Got/ Ich armer betrübter mensch erkenne/ auß offenbarung deines göttlichen gestrengen urteyls/ Das ich auß krafft/ macht/ unnd wirckunge meiner verfluchten natur nichtes zuthun noch zu wöllen geweltig bin/ Welches vor dir O got meyn herr bewert bestendig und angenem were: Bekenne derhalben solchs mit bittrikeit meines hertzens/ Unnd kumm zu dir/ dieweyl außerhalb dein/ kein hylff/ kein trost/ kein Heil/ kein seligkeyt noch gerechtickeyt befunden wirt/ mit hertzlicher begyr nach deinen vetterlichen gnaden seufftzendt. O vcatter ym hymel/ Ich bithe dich durch dein vetterlichen Gütte unnd mylde gnad/ Erbarm dich uber mich/ biß mir gonstig und gnedig/ sende dein heyliges wort yn mein hertze/ mache das selbige/ Durch die krefftige wirckung des heiligen geystes/ lebendig/ krefftig unnd thettig ym grunde meynes hertzens/ Auff das ich allein/ allen trost/ alles heyl/ alle sicherheyt und gerechtigkeit mir auß deinem vetterlichen willen und gunst/ yn Christo Jhesu deinem geliebten son meynem heyland/ durch dein heiliges wort mildiglich vorsprochen und zugesaget/ yn eiynem vesten unwanckenden glauben bestendig/ erlangen möge/ Und also durch die widergeburt deß heyligen Geystes und götlichen worts/ Ich dyr eyn newgeborn angenem gehorsam und gefellig kyndt werde/ Und du mir ein hertzgeliebter holtseliger gonstiger außerwelter vatter Durch Jesum Christum unsern lieben herrn. A M E N.

Johann Friedrich Stark – Bitte um Demut

Großer, heiliger und barmherziger Gott! der du bist der Hohe und Erhabene, vor dessen Thron alle Auserwählten in Demuth ihr Antlitz bedecken; ich bekenne und klage dir, daß ich von Natur zu eigener Ehre und zum Hochmuth geneigt bin. Es hat durch den Sündenfall der Satan mein Herz mit Hoffart, welche ein Anfang aller Sünde ist, vergiftet, daß ich oft vergesse, daß ich Staub und Asche bin. Ach mein Gott! gieb mir doch ein demüthig Herz, daß ich recht tief einsehen möge, wie ich von dir Leben, Segen, Odem und alles habe, damit ich mich unter deiner gewaltigen hand demüthigen, und nicht freventlich dich mit Worten, Gedanken oder Werken beleidigen möge. Lehre mich mein Elend und deine hohe Majestät erkennen, daß ich von mir nichts habe, als Sünde, Tod und Verdammniß, was ich aber Gutes an mir finde, daß ich solches empfangen habe, damit ich mit nichts prange, sondern alles als dein Geschenk ansehe, welches du mir bald wieder nehmen kannst, wenn ich deiner vergessen wollte. Pflanze die wahre Demuth in mein Herz, daß ich dir gehorchen, dich fürchten, ehren, dir dienen, dich anbeten, und allein loben und preisen möge. Pflanze auch in mein Herz die wahre Demuth gegen meinen Nächsten, daß ich ihn niemals gegen mich verachten, oder mich ihm vorziehen möge. Hilf, daß ich erwäge, wie dir die Hoffärtigen noch nie gefallen, aber daß du auf die demüthige Seele dein Licht, Trost, Gnade und Güte hast reichlich fließen lassen, wende von mir ab alle hoffärtigen Gedanken, gieb, daß ich mich hüte vor stolzen Worten, bewahre mich vor Ehrgeiz, Ruhmredigkeit, daraus nichts als Verachtung gegen den Nächsten entspringt. Drücke in mein Herz das Bild meines demüthigen Heilandes, der sich unter Engel und Menschen erniedrigt hat. Ist mein Nächster gering, so behüte mich, daß ich mich nicht über ihn erhebe; ist mein Nächster hoch, reich, geehrt, so laß mich dieses also ansehen, daß du ihn dazu gemacht, dazu erhoben, und dazu berufen habest, und mich darüber gegen dich nicht beschweren, oder ihm deine Gaben mißgönnen, vielmehr mich darüber erfreuen möge. Gieb mir deinen heiligen Geist, daß ich der Sünde des Hochmuths täglich absterbe, mich keiner Ehre würdig achte, und von Niemand Ehre begehre, sondern alle Ehr, allen Ruhm dir allein beilege. Gieb mir in wahrer Niedrigkeit des Herzens zu erkennen, daß alles, was ich bin und habe, durch deine Gnade mir gehöre, daß ich mich nichts als meiner Schwachheit rühme. Lehre mich durch solche Demuth in Frieden und Einigkeit mit Jedermann leben. Lasse mein Herz allezeit eine Wohnung des demüthigen Jesu seyn, so werde ich mich niemals erheben. Stolz und Hochmuth ist des Satans Sünd, davor bewahre mich in Gnaden. Und so dir ja gefallen sollte, mein Gott! mich in Spott und Verachtung fallen zu lassen, so gieb mir Kraft und Stärke, daß ich alles mit Demuth, Gelassenheit und Geduld ertragen möge, auch dieses zu meiner Demüthigung und desto größeren Behutsamkeit in meinem Wandel mir dienen lasse. Herr, Herr! verleihe mir Kraft und Stärke, durch deinen mächtigen Beistand dieses alles zu vollbringen. Selig sind die Demuth haben und sind allzeit arm im Geist, rühmen sich gar keiner Gaben, daß Gott wird allein gepreist, danken dem auch für und für, denn das Himmelreich ist ihr: Gott wird dort zu Ehren setzen, die sich selbst gering hie schätzen, Amen.