Martin Luther – Ermuthigung zum Gebet

Lieber Gott! du weißt, daß ich ja nicht von mir selbst und aus eigenem Vermessen, noch auf meine Würdigkeit vor dich komme; denn so ich das wollte ansehen, so dürfte ich die Augen nicht vor dir aufheben, und wüßte nicht, wie ich anfahen sollte, zu beten; sondern darauf komme ich, daß du selbst geboten hast und ernstlich forderst, daß wir dich sollen anrufen, und auch Verheißung zugesagt hast; darzu deinen eigenen Sohn gesandt, der uns gelehrt, was wir beten sollen, und die Worte vorgesprochen hat. Darum weiß ich, daß dir solch Gebet gefället; und mein Vermessen, daß ich mich Gottes Kind vor dir rühmen darf, scheine wie groß es wolle, so muß ich dir gehorsam seyn, der du es so haben willst, damit ich dich nicht Lügen strafe, und mich über andere Sünden noch schwerer gegen dich versündige, beyde mit Verachten deines Gebots, und Unglauben an deine Verheißung.

Lieber Herr Gott, ich soll und will beten auf dein Gebot und Verheißung; kann ichs nicht gut machen, und nicht taugt und gilt in meinem Namen, so laß es gelten und gut seyn in meines Herrn Christi Namen.

Herr! es ist deine Ehre, dadurch du gerühmt wirst, daß ich von dir bitte. Darum, lieber Herr, siehe nicht an, daß ich unwürdig bin, sondern daß ich deiner Hülfe nothdürftig bin, und du der rechte einige Nothhelfer bist aller Sünder. Darum dir geschiehts zu Ehren, daß ich dich anrufe; so kann ich deiner Hülfe auch nicht gerathen. Herr! hie komm ich, ob ich wohl unwürdig bin, aber siehe meine Noth an und meinen Jammer, und hilf um deiner Ehre willen.

Lieber Gott und Vater! Ich weiß, daß du mich lieb hast; denn ich habe deinen Sohn und meinen Erlöser, Jesum Christum, lieb. In solchem Vertrauen und Zuversicht will ich dich jetzund tröstlich bitten, du wollest mich erhören, und mir geben, was ich bitte. Nicht, daß ich so heilig oder fromm sey; sondern daß ich weiß, daß du um deines Sohnes Jesu Christi willen gern alles geben und schenken willst. In desselben Namen trete ich jetzt für dich, und bitt‘ und zweifle gar nicht, mein Gebet (ich sey meiner Person halber, wie ich wolle) sey Ja, und gewiß erhöret.

Ich sey wer ich wolle, so frag ich nichts darnach, denn ob ich gleich ein Sünder bin, so weiß ich doch, daß darum mein Herr Christus nicht ein Sünder ist, sondern er bleibt gerecht und gnädig; darum will ich getrost zu ihm Elisen und schreien, und mich sonst an nichts kehren; denn ich habe jetzt nicht Weile, zu disputiren, ob ich gewählet sey oder nicht; das aber fühle ich, daß ich Hülfe bedarf, komme derhalben, und suche sie in aller Demuth. – Wo will ich sonst nehmen und suchen, denn bei dir im Himmel durch deinen Sohn, meinen Erlöser, Christum Jesum?

Matth. 21, 22. Mein Gott Himmels und der Erden, du hast uns geboten zu glauben, die Bitte werde erhöret, so in Christi deines lieben Sohnes Namen geschieht. Darauf bitte ich, und verlasse mich, du werdest mich nicht lassen, und einen rechten Glauben geben, daß es gewiß sey alles das, ich bitte um deines Sohnes willen, Amen.