Um Gottes Gnade und Barmherzigkeit, welche ist das Fundament unsers Gebets.

Ach du barmherziger, gnädiger, langmüthiger, geduldiger Gott und Vater! Ich bekenne und klage dir mein Elend, daß ich mich durch meine vielfältigen Sünden von dir, von deiner Gnade und Liebe selbst abgewandt, und oft deine Gnade und Barmherzigkeit verachtet und versäumet habe. Ach, vergieb mir diese große schwere Sünde. Wende die Strafe von mir ab, da du dräuest, du wollest mit Verstockung und Blindheit schlagen, und sollen solche Verächter nimmermehr zu deiner Ruhe kommen, und dein Abendmahl schmecken. Ach sei mir gnädig: denn ich erkenne, daß ich so gar nichts bin außer dir, nichts denn Finsterniß und Irrthum, nichts denn ein faules Aas und Speise der Würmer, ein unreines Gefäß, ein Kind des Zorns und ewiger Verdammniß. Ich erkenne und bekenne, wo du mich mit deiner Gnade nicht erleuchtest, so muß ich ewig in Finsterniß bleiben. Wo du mich nicht lehrest, so bleibe ich unwissend in allen Dingen. Wo du mich nicht leitest, so irre ich. Wo du mich nicht reinigest, so bleibe ich ewig ein unrein stinkend Gefäß. Wo du mich nicht lebendig machest mit deinem Geist und Gnade, so bleibe ich ewig im Tode. Wo du mich nicht selig machest, so bleibe ich ewig verdammt. Ach ich bitte und flehe um deine Gnade, die alles gut machet, was in mir die böse Natur verderbt hat. Laß deine Gnade alles allein in mir wirken, und nicht meinen bösen Willen, mein Fleisch und Blut, mein böses Herz und Gemüth, sondern deinen Geist und Gnade. Deine Gnade stärke meinen Glauben, erwecke meine Liebe, erhalte meine Hoffnung. Laß deine Gnade sein meine Freude, meinen Ruhm, meinen Trost und Leben. Laß deine Gnade in mir wirken Sanftmuth, Demuth, Geduld, Gottesfurcht, Andacht und Gnade. Deine Gnade machet und wirket alles Gute; denn sie ist alles Gute. Ohne deine Gnade kann und mag ich nicht leben, auch nicht selig werden. Ach gieb mir ein solch Herz, daß ich allein an deiner Gnade hange, daß ich mir allein an deiner Gnade genügen lasse, ob ich sonst in der Welt weder Gut noch Ehre habe; denn deine Gnade ist der höchste und theuerste Schatz. Deine Gnade beselige mich mit geistlichen, himmlischen Gütern. Deine Gnade lehre mich, sie erleuchte mich, sie erhalte mich, sie heilige mich. Deine Gnade erfreue mich, und sei ein Licht meines Herzens, eine Regiererin meiner Gedanken, eine Rathgeberin in meinen Anschlägen, mein Trost in meiner Betrübniß, meine Freudigkeit in meinem Gewissen, meine Zuchtmeisterin in meinen Begierden, eine Mittlerin meiner Affecten, eine Hüterin meines Mundes, eine Pflegerin meiner Seele, eine Wärterin meines Leibes, eine Wächterin meiner Augen und Sinne. Laß mir deine Gnade vorleuchten in allen meinen Geschäften. Denn was bin ich ohne deine Gnade? Ein dürres Holz, darin kein Saft ist, daraus keine gute Frucht wächset, welches nur in’s Feuer gehöret. Laß deine Gnade stets auf mich warten und mich erhalten, daß ich nicht strauchle. Laß mich deine Gnade aufnehmen, wenn ich zu dir komme. Laß mich deine Gnade leiten, daß ich nicht irre, und laß sie mich wieder zurecht bringen, wenn ich irre gehe. Laß mich deine Gnade zähmen und regieren, wenn ich aus Ungeduld zu viel rede und thue. Laß deine Gnade in mir viel Frucht bringen. Laß mich deine Gnade wieder aufrichten, wenn ich falle. Laß deine Gnade mein Gewissen heilen, wenn es verwundet ist. Laß deine Gnade mir freundlich begegnen, wenn ich dich anrufe. Laß mich Gnade finden, wenn ich dein Angesicht suche. Laß mir deine Gnade aufthun, wenn ich anklopfe. Laß mich deine Gnade leiten und führen, wo ich gehe oder stehe, liege, oder sitze, wache oder schlafe, lebe oder sterbe. Laß mir Gutes und Barmherzigkeit nachfolgen in diesem und im ewigen Leben, durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.

Martin Luther – Ein ander Gebet.

Herr, ich will dich täglich loben,
Und deinen Namen rühmen immer und ewiglich.

Allmächtiger Gott, der du bist ein Beschützer aller, die auf dich hoffen, ohn welches Gnad Niemands ichts vermag, noch etwas für dir gilt, lasse deine Barmherzigkeit uns reichlich widerfahren, auf daß wir durch dein heiligs Eingeben denken, was recht ist, und durch deine Wirkung auch dasselbige vollbringen, umb Jesus Christus, deines Sohns, unsers Herrn willen, Amen.

Johann Friedrich Stark – Barmherzigkeit Gottes

O du barmherziger Gott! dessen Barmherzigkeit kein Ende hat, dessen Güte alle Morgen neu wird; siehe, ich bekümmerte und betrübte Seele trete vor dein allerheiligstes Angesicht, und schütte meinen großen Kummer und betrübtes Herz vor dir aus. Dir ist ja wohl bekannt mein Jammerstand und großes Elend, das mich getroffen hat, meine Seele ist betrübt, mein Geist geängstet, und Leiden hat mich umgeben ohne Zahl. Ich sehe mich um nach Helfern. Menschen wollen sich theils meiner nicht annehmen, theils wissen sie meine Noth nicht, theils mag ich es auch nicht offenbaren, aber dir, o Gott! klage ich es mit betrübtem Herzen, ich wiß, du bist barmherzig, und lässest dich unser Elend jammern. Es jammerte dich der betrübten Wittwe, die da weinte um ihr Kind; es jammerte dich des Volks, welches nichts zu Essen hatte, und dein Jammer war mit dem Erbarmen und Helfen verknüpft. O darum komme ich zu dir und spreche: ach erbarme dich über mich! Ach Gott! ich bin dein Geschöpf, darum wirst du das Werk deiner Hände nicht lassen. Ja, ich bin mehr, ich bin auch dein Kind, das du in der heiligen Taufe in die Arme deiner Barmherzigkeit aufgenommen hast, darum spreche ich: ach mein Vater! erbarme dich deines armen und verlassenen Kindes. Mein Jesu! ich bin ja mit deinem heiligen Blut erkauft: darum wirst du dich deines Eigenthums erbarmen. O du werther heiliger Geist! lege das Zeugniß in meine Seele, daß ich bei allem meinem Leiden dennoch ein Kind Gottes sey, und wenn ich im Beten matt werde, und fast nicht mehr beten kann, so schreie du in mir das Abba lieber Vater; siehe, ich sinke, ach biete mir deine Hand! ach Herr! nach deiner großen Barmherzigkeit stärke meinen Glauben, erhalte mich in meinem Elend, gieb mir alle Tage neue Kräfte, daß mein Glaube nicht aufhören, daß meine Hoffnung nicht sinken, noch mein Vertrauen auf dich schwach werden möge. Du hast mich ja noch niemals verlassen; ach! so verlaß mich jetzt auch nicht, hilf deinem Kinde, das zu deiner Barmherzigkeit allein seine Zuflucht nimmt. Ach! ich kenn‘ sein Vaterherz, er ist schon auf Hülf bedacht, meine Trübsal, Angst und Schmerz, und was mich sonst traurig macht, wird sich alsdann sogleich wenden, wenn er mir wird Hülfe senden, drum mein Vater! komm zu mir. Herz und Auge thränt nach dir, Amen.