Gottfried Arnold – Um die rechte Kraft des Leidens Jesu

Getreuester Immanuel! dein verdorbenes und elendestes, aber doch durch dich erkauftes geschöpf, das werk deiner Hände, wirft sich im geist nieder an dein Creutz, und dürstet nach der verborgenen Gnade und Kraft, die du in dein Leiden geleget hast. Die äusserliche Geschichte desselben ist zwar lieblich und erbaulich; aber was hilft sie mir ohne die inwendige Wirkung? Ich finde nicht ruhe, bis ich die frucht geniesse: gleichwie du nicht ruhetest, bis alles vollbracht war. Also verkläre mir doch deine heilige Paßion in meiner seele, und flösse mir das Leben ein, das darinnen verborgen liegt. Ich werfe mich mit stöhnen und sehnen meines geistes in deine ausgedehnte Armen, ja in deine tiefe Wunden hinein, und begehre mit allen kräften deines Todes kräftiglich theilhaftig zu werden. Oeffne mir doch deine hole Seite, und ziehe da hinein alle mein verlangen! denn ich wünschte gar zu gern, aller dinge über Dir zu vergessen und müßig zu gehen. Ja, ich kans nicht aussprechen, wie herzlich gern ich mich allein rühmen möchte in Deinem Creutz, daß mir die welt gecreutziget bliebe, und ich ih, mit allem ihren loben und schelten, bösen und guten gerüchten, lüsten und schrecken, vortheilen und beschädigungen. Alles diß mache doch ganz todt in mir, wie du allen dingen erstorben am Creutz hiengest. Verwunde, triff und zeichne mein herz mit deiner Wunden-Kraft so tief, so beständig und empfindlich, daß es mir eine quaal sei, einen augenblick ohne deine Gesellschaft zu leben, und ein Himmel, mit dir zu reden, zu wirken und zu leiden. Setze mich durch dein Leiden in eine solche Gnade und Liebe bei deinem Vater, daß ich nicht nach meinem, sondern nach deinem Verdienst von Ihm angesehen werde. Laß dein Blut für mich und in mir schreien, ja alle deine Wunden mich vertreten wieder alle meine feinde. Dein Geist mache sie mir zu sichern Felslöchern, darein ich zu fliehen mich stets übe, und also bewahret und erhalten werde. O meine einzige Hoffnung, gib mir eine selige Nachfolge in allen deinen heiligen Fußstapfen, die du nach dir gelassen hast. Zeige sie mir in allen meinen schritten, die ich zur Ewigkeit thue, und laß mich nicht im geringsten davon ausschweifen, noch die breite bahn der welt jemals mehr betreten. Du hast mich deinem Vater mit samt deinem Geist zu treuen Händen empfohlen: alda versiegele und zeichne, färbe und durchdringe meine seele mit deinem rosin-farben Blut, auf daß er sie darinne erkenne und aufnehme, wenn sie vom leibe scheidet. Begleite du sie vor deines Vaters Angesicht. Vertilge in mir die lust zur sünde, die du gebüssest hast. Hilf mir durch deine Geduld und Lammes-Natur alle mein elend überwinden, und kämpfe selbst in mir den guten kampf des Glaubens in der Kraft deines letzten streits. Dein ängstiges Seufzen unterhalte auch mein stöhnen zu dir bis ans ende. Unterdessen laß deine brünstige Liebe zu mir auch solche Liebe in mir wirken, Dir zu liebe alles anzunehmen, wie du es fügest, und alle anfechtungen in liebe zu besiegen. Deßwegen du mir auch in allen zu hülfe kommen wollest, und meine begierde mit dir allezeit stillen, daß ich unter deinem joch bleibe, und nach nichts anders mich umsehe. Schreibe deine Striemen und Nägel-Maale in meinen sinn zum andenken deiner Liebe, die mich auch dankbar mache und erleuchte, deiner Erlösung ewig zu geniessen, und zwar durch die Kraft aller und jeder deiner Leiden und Schmerzen, amen!

Martin Luther – In Kreuz und Anfechtung

Ich glaube an Jesum Christum, der ist mein einiger Helfer, denselben rufe ich an in allen Nöthen: Herr, so du willst, kannst du mir wohl helfen. So du aber nicht willst, will ich dieß Kreuz und Unglück um deines Namens willen gerne leiden.

Herr, ich bin ein armer Mensch. Es geht mir übel; aber dennoch glaube ich an dich, es gehe mir, wie es wolle. Hast du mein vergessen, so hast du mein vergessen, zürnest du, so zürne. Ich will aber darum kein Unchrist seyn, und aufhören, zu glauben, sondern will fest halten an dem, daß Christus für mich gestorben sen. Solches kann mir nicht fehlen, ob es gleich sonst Alles fehlet; Ursach: das Hauptstück, Gottes Verheißung muß bleiben, ob schon Alles zu Trümmern gehet.

Herr Gott, ich bin deine Kreatur: machs mit mir, wie du willst, es gilt mir gleich. Ich bin ja dein, das weiß ich. Und wenn du wolltest, daß ich diese Stunde sterben sollte, oder irgend ein groß Unglück leiden, so wollt ichs doch von Herzen gerne leiden. Ich will mein Leben, Ehre und Gut, und was ich habe, nimmermehr höher und größer achten, denn deinen Willen; der soll mir allzeit mein Leben lang Wohlgefallen.

Ich will (dieß) unserm Herrn Gott zu Lob und Ehren leiden; denn ich nicht allein dieses Leidens, sondern auch des Todes schuldig bin vor Gott. Meine Haut, Haar, und ganzer Körper ist schuldig. Darum will ichs in Gottes Gehorsam und Willen aufnehmen und dulden, es sey Trübsal oder Angst, oder Verfolgung, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert, Röm. 8,35; und wills in solchem Glauben leiden, daß Gott dadurch gelobet und gepreiset werde.

Schwach und krank sind wir, Vater! und ist die Anfechtung groß und manchfaltig, im Fleisch und in der Welt. O lieber Vater, halt uns, und laß uns nicht in Anfechtung fallen, und wider dich sündigen; sondern gieb uns Gnade, daß wir beständig bleiben und ritterlich fechten, bis an unser Ende. Denn ohne deine Gnade wir Nichts vermögen.

Matth. 7,13. Vater, führe uns nicht in Anfechtung! Nicht begehre ich aller Anfechtung ledig zu seyn; denn das wäre erschrecklich, und ärger denn zehn Anfechtungen; sondern daß ich nicht falle, und wider meinen Nächsten oder wider dich sündige.

Herr Gott, himmlischer Vater, du weißt, daß wir in so mancher und großer Gefahr nicht mögen bleiben. Verleihe uns, beide an Leib und Seel, Kraft, daß wir Alles, was uns um unsrer Sünde willen quält und anficht, durch deine Hülfe überwinden, um Jesu Christi, deines Sohnes, unsers Herrn willen. Amen.

Herr, allmächtiger Gott, der du der Elenden Seufzer nicht verschmähest, und der betrübten Herzen Verlangen nicht verachtest: siehe doch an unser Gebet, welches wir dir in unserer Noch fürbringen, und erhöre uns gnädiglich, daß Alles, so beides vom Teufel und Menschen wider uns strebt, zu nichte, und nach dem Rath deiner Güte zertrennet werde; auf daß wir von aller Anfechtung unversehrt dir in der Gemeine danken, und dich allzeit loben, durch Jesum Christ, deinen Sohn, unsern Herrn. Amen.

Lieber Vater, schlage und streiche getrost zu, ich habs, leider, wohl verschuldet. Doch lasse es eine Vaterruthe seyn; wie du denn alle deine Kinder, so du lieb hast, stäupest. Denn welche du um ihrer Sünde willen nicht strafest, sind nicht Kinder, sondern Bastarte, Hebt. 12, 8. Darum streiche, peitsche fing auf uns, gerechter Richter, doch auch barmherziger Vater; also aber, daß du dein göttlich Vaterherz von uns nicht wendest; auf daß wir dich hier und dort ewiglich loben und preisen mögen. Amen.

Ach Gott, straf mich nicht in deinem Zorn! Lasse es in Gnaden seyn, und zeitlich, sey Vater und nicht Richter! (Als auch Augustinus spricht:) Ach Gott zürne hier, haue hier, schlage hier, und schone unser dort! –

Luc. 11, 4. Dieweil denn das Uebel uns Anfechtung giebt, und mit Sünden anficht, so erlöse uns, lieber Vater, daraus, auf daß wir von allen Sünden und Uebel nach deinem göttlichen Willen erlöset, dir ein Reich seyn mögen, dich ewiglich zu loben, preisen und heiligen. Amen. Und dieweil du uns gelehret und geboten, zu beten, und Erhörung verheißen, hoffen wir, und sind gewiß, o allerliebster Vater! du wirst deiner Wahrheit zu Ehren dieß Alles uns gnädiglich und barmherzig geben.

Lieber Herr Gott, wie bin ich in so großer Angst und Beschwerung gewesen, darzu in großer Bestürzung; aber Gott sey Lob und Dank, ich bin nun herauskommen und bin genesen, meine Seele ist erlöset und errettet aus aller dieser Angst; nun danke ich dem Herrn meinem Gott.

1. Mos. 32, 21. Ey wie habe ich doch so einen gnädigen Gott. Ich war schon verzaget und gieng in die Hölle hinab; nun sehe ich aber, daß mir dieser Kampf zum Leben nütze gewesen ist. Ich hätte nimmermehr gemeinet, daß Gott so nahe bei mir wäre. Ach du himmlischer Vater! bist du mir so nahe, und ich wußte es nicht? Wie ist mir jetzund so wohl! Laß nun kommen alle Teufel, so fürchte ich mich nicht; denn ich habe den Herrn, meinen Gott. Zuvor habe ich ihm in den Rücken gesehen, in der Gestalt und Person eines Mannes, in welcher Person ich mich dünken ließ, daß er mir den Tod dräuete, und mein Herz war in großer Angst, daß er mich irgend in die Hölle würde stoßen: jetzt aber sehe ich nun sein Angesicht.