Heiliger, unwandelbarer Gott, bei Dir ist kein Wechsel des Lichtes und der Finsternis, Deine Gesetze sind ewig und unveränderlich, wie Du selbst bist, und Deine Gebote können nicht überwältigt werden von den Mächten der Hölle. Die wundervollen Kräfte der Natur sind unabweichbar der Ordnung unterworfen, die auf ewige Zeiten Deine Weisheit ihnen anwies. Das unerschütterliche Gewölbe des Himmels, welches die Nacht durchfunkelt, ist die strahlende Veste, in der Deine Herrlichkeit thront. Keine jener Welten weicht je aus der Bahn, die Dein Gesetz ihr vorschrieb. So wandellos, wie Deine Macht und Weisheit, ist auch Deine Liebe! Deiner unendlichen Herrschaft Majestät gleicht auch Deine Vaterhuld, welche für alle Deine, mit Gefühl begabten, Geschöpfe ein großes Freudenmahl bereitet hat. Mit welchen Worten soll ich Dich anbeten, mit welcher Feier Dich preisen? Ein heiliges Erstaunen erfüllt meine Seele, dies o Herr! sei mein demutsvolles Gebet, dies sei die geweihte Feier, die aus meinem Herzen zu Dir emporsteigt; und das innigste Bestreben, unserm Heilande, diesem unsern göttlichen Vorbilde immer ähnlicher zu werden, sei das Opfer, welches ich vor Deinem Thron, o Du Heiligster, Dir darzubringen wage! Deine Hand, Allweiser, hat alle ihre Werke fest gegründet; nur der Mensch, den Du mit klarem Selbstbewusstsein, mit der Freiheit begabt hast, ist wandelbar und wankend in seinem Wollen und Tun: unentschlüssig in jenem, und leicht ermüdet in diesem. O wie demütigt dies mein zagendes Herz! Deine Gnade, erbarmender Vater der Liebe, lass mit mir sein! Der Geist Deiner Kraft stärke und beseele meinen Mut, dass ich unerschüttert im Guten beharren und nie ermüden möge, Gerechtigkeit, und anspruchsloses Wohlwollen zu üben, gegen Jedermann. So wie Deine Barmherzigkeit über alle Menschen, auch selbst über die Bösen sich erstreckt, so soll auch meine Menschenliebe allgemein und ohne Ausschließung sein. Ein von Dir erleuchteter Weiser spricht: „Der Gerechte erbarmet sich auch seines Tieres!“ Um wieviel näher stehen meinem Herzen meine Mitmenschen! Selbst in dem Übelwollenden, der mir wehe tat, darf ich das Wesen meines Geschlechts nicht verkennen.
Dein Wort, o Herr, sei meine Stütze, wenn meine heiligsten Vorsätze wanken, es stärke und kräftige meinen Mut, zu beharren in allem was recht ist; besonders wenn die Stunde der Anfechtung naht, stehe mir dann bei der Trost Deiner Verheißung, auf dass ich nie unfreundlich und ungeduldig verzage.
Ein Blick in die mich umgebende Natur, die oft scheinbar widerstrebende Mittel und Kräfte für ihre große Haushaltung anwendet, erwecke mein gläubiges Vertrauen zu Dir, Du ewige Weisheit, damit ich inne werden möge, dass alle Dinge, selbst feindliche Berührungen, denen die Gott lieben, zum Besten dienen müssen. In diesem Leben müssen dem beschränkten Blicke Verworrenheiten begegnen, damit das Herz ihre Ausgleichung jenseits erwarte. Nur Anfänge bieten sich hienieden dar, deren Entwickelung jenes Leben auf sich nimmt. Da wird dann mein Glaube zum Schauen; da werde ich die rauen Felsenwege segnen, die zu den Auen des Friedens mich führten. Nur möge meine Seele sich standhaft bewahren, keine Verschuldung auf sich zu laden; und wo meine Schwachheit fehlte, da sei mein Bestreben bereit, zu verbessern, zu vergüten, was von mir nicht recht getan war. Mit diesem Vorsatz trete ich nach dieser stillen Stunde der Andacht, in das handelnde Leben. Unterstütze Du, Gott der Barmherzigkeit, mit Deiner Kraft meinen Willen, festzuhalten an dem Gesetz, welches Du in das Gewissen mir schriebst. Mein ganzes Leben sei ein betendes Anschauen Deiner unendlichen Gnade und Güte, so wie Dein heiliges Walten eine fortgesetzte Wohltat ist, für alle Deine Geschöpfe.
O, Du Wesen aller Wesen! \\
Deine Güt‘ und Herrlichkeit \\
Füllt das weite Reich der Zeit; \\
Auch der Mensch ist auserlesen, \\
Von der niedern Erde schon \\
Aufzuschau’n zu Deinem Thron. \\