Hilarion, Metropolit von Kiew

Guter Hirte, der du dein Leben hingegeben hast für deine Schafe, verlaß uns nicht, wenn wir auch umherirren; verwirf uns nicht, obgleich wir in der Sünde verstrickt sind; verachte uns nicht, wenn wir auch eine kleine Herde sind. Rede du zu uns: Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Du menschenliebender Herr, du hast alle Macht über uns, ob wir leben oder sterben.
Stille den Zorn, Barmherziger, den wir mit unseren Taten verdient haben. Wir sind irdisch, zur Erde neigen wir uns; wir sind Knechte der Lüste des Fleisches; wir sind wie Flüchtlinge vor deinem Angesicht; wir sind Bettler und Übeltäter in unserem Leben und Wandel. Wir sind aber deine Geschöpfe, dein Eigentum, deshalb sei uns gnädig; errette, beschenke, behüte, besuche uns, erbarme dich unser. Wir erheben unsere Augen und Hände zu dir und bitten dich: reiß uns aus dem Unglück und entziehe uns der Macht der fremden Hände, auf daß dein Volk in seiner Verzagtheit nicht von deiner Gnade abfalle. Strafe wenig, aber erbarme dich viel; verwunde und betrübe wenig, aber heile wieder und mache fröhlich; denn unsere Natur kann ebensowenig deinen Zorn ertragen wie das Stroh die Feuerflamme. Herr, erbarme dich deines Volkes! Erhalte den Frieden, besänftige die Völker, erfülle das Land mit Überfluß, gib Weisheit den Fürsten und Regenten, zähme die Zungen, mehre die Kirchen und bewahre dein Eigentum.
Beschütze Männer und Frauen und Säuglinge gleichermaßen, behüte alle, die in der Arbeit stehen und die auf der Reise sind. Erbarme dich der Gefangenen, der Verbannten und der Eingekerkerten, der Hungrigen und Durstigen, der Nackten und Armen – alle tröste und laß ihnen die Freude der Seele und des Leibes zuteil werden, auf daß sie mit Lust dich freudig rühmen können, dich, unseren Herrn Jesus Christus, mit dem Vater und dem Heiligen Geist, der unteilbaren Dreieinigkeit, eine Gottheit, die da regiert im Himmel und auf Erden über Engel und Menschen, über die sichtbare und unsichtbare Kreatur, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Georg Friedrich Blaul – Allgemeine Fürbitte

Mein Herr und Heiland, Jesus Christus, du hohes Vorbild reiner und geheiligter Menschenliebe, lehre mich jetzt, in deinem sanftmüthigen Geiste mich zu erheben zu deinem Vater und zu meinem Vater, zu deinem Gott und zu meinem Gott, denn ich will beten, wie du so oft gebetet hast, nicht für mich allein, sondern für alle Menschen. – Und du, himmlischer Vater, du treuer Menschenhüter, lass mein Gebet nicht unerhört verhallen.

Ich bitte dich, sei der ganzen Menschheit segnend und beseligend nahe. Erleuchte alle Völker mit deinem Lichte, insbesondere aber deine Knechte, denen du die Beförderung des Heils der Völker in die Hand gegeben. Schutz und Heil von dir komme über unsern Landesherrn und sein ganzes Haus; Schutz und Heil über alle Regenten, die dich fürchten als ihren obersten Herrn, und das Wohl der Völker, als ihr höchstes Glück, im Herzen tragen. Segne alle Obrigkeit, die du verordnet, mit deinem Geiste, damit wir bei ihren weisen Anordnungen ein ruhiges und stilles Leben führen, in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Kehre ein mit deinem Segen unter jedem Dache, und lass die Bewohner schmecken, wie freundlich du bist. Gib ihnen allen ihr täglich Brod, sei ihre Stärke und Hülfe in den Arbeiten ihres Berufes. Schaffe jedes Haus um in einen Tempel der Eintracht und Zufriedenheit, wo Vater und Mutter sich herzlich lieben, die Kinder an Leib und Seele gedeihen, und fleißige und getreue Diener die Freundlichkeit ihrer Herrschaft rühmen. Wende Krieg und Seuchen, Hungersnoth und jede andere Gefahr von allen Ländern ab, und bewahre jeden Einzelnen vor Unglück. Hilf dem Sünder zur Buße, und dem Reuigen lass deine Gnade scheinen. Tröste die Wittwen und Waisen, und stehe den Armen und verlassenen bei. Heile und stärke die Kranken, verleihe den Sterbenden ein sanftes seliges Ende, den Todten eine fröhliche Auferstehung, und ein gnädiges Urtheil im Gerichte. Von einem jeglichen aber sei nicht ferne; heilige alle Freuden, und lege deine sanfte Hand auf jedes wunde Herz und auf jedes weinende Auge.

Und wie ich für alle Menschen bitte, so insbesondere für meine Feinde: Vater, vergib ihnen wie ich ihnen vergebe, und rechne ihnen ihre Sünden nicht zu. Tilge aber allen Hass und alle Rachsucht aus ihrem Gemüthe, gib ihnen ein neues, friedliches und versöhnliches Herz, damit sie nicht länger in ihrem Grolle auf Verderben sinnen, und endlich in die eigene Grube fallen.

Alles Gute aber, o Gott, was du deinen Menschenkindern zugedacht hast, allen Segen, alle Hülfe, allen Trost und alle Vergebung schütte im reichsten Maaße aus über die, welche durch Bande des Blutes und der Freundschaft mit mir verbunden sind. Vor Allem aber erhalte sie bei dem Einigen, dass sie deinen Namen fürchten, gib ihnen deinen heiligen Geist, und mache sie durch thätigen Glauben an Jesum Christum tüchtig, deines Reiches selige Erben zu werden. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Fürbitte für Ungläubige

Bleibe, o Herr, bei uns, denn es ist Nacht; und es ist schwer, den Tag über die Freude deines zukünftigen Königreiches den einschläfernden Zeiten entgegenzusetzen, wo die Bruderliebe erkaltet. Unsere Kinder und Hausleute und viele Gemeindeglieder haben noch keine geöffneten Ohren für die Herrlichkeit deines Reiches. Gedenke an deinen Bund. Das Land ist allenthalben jämmerlich verheert. Wenn aber Menschen wider dich wüten, so legst du uns Ehre ein. Auch das tobende Sinnen und Wüten der Menschen muss dich bekennen. O Herr, wir nehmen mit Unrecht Anstoß an der Verwirrung der Zeit. Denn du wirst lauter Wunder deines Reiches daraus machen, die wir jetzt nicht sehen können. Dein Heil ist unter allem diesen nahe denen, die dich fürchten. Sie trösten sich des Jerusalems, das droben ist. Wohl dem Volk, welches die Zeichen deiner Gegenwart versteht! Sie können über deinen Namen den ganzen Tag frohlocken und in deiner Gerechtigkeit herrlich sein. Das Reich Christi ist der Anfang und das Ziel der Schöpfung auf Erden; es besteht und dauert durch alles hindurch. Die Himmel werden deine Gerechtigkeit verkündigen und alle Völker werden deine Herrlichkeit sehen. Amen.

Friedrich Christoph von Oetinger – Fürbitte im Glaubenskampf

O Jesu, es ist Zeit, jetzt ist es Zeit, mich mit Wahrheit zu umgürten und die Gerechtigkeit als einen Panzer anzulegen, den Helm des Heils, das Schwert des Geistes und den Schild des Glaubens zu gebrauchen. Wie aber? Herr, ich bete zu dir, ich rufe dich an. Lehre mich segnen meine Feinde. Doch du willst ja, daß diese Bösen in sich gehen und ihre Bosheit fühlen. Behalte ihnen ihre Sünden, bis sie Buße tun. O Herr, hilf mir, mach mich los von allem Zweifel. Ich muß werden wie ein Tier vor dir. Du allein hilfst heraus aus diesem Schlamm, da man nicht gewiss treten kann, da man glaubt und zweifelt, da man vergibt und zürnt, da man dein Recht und deine Erbarmung anfleht. O Gott, o Jesu, heute früh nahte ich mich vor deinem Gnadenthron, aber ich hatte keine Kraft zu beten. Die satanischen Anfälle der vielen Gedanken halten mich ab und schwächen das Gebet. Ich vergesse auch, dass ich in einem solchen Kampf mit dem Satan bin. Ich übe mich nicht genug, die Wahrheit umgürtet zu haben, die zu diesen Versuchungen gehört. Ich sehe, dass ich mich viel zu stark auf Wahrheit verlasse, die ich noch nicht bereitet habe als einen Gurt wider die Zerstreuung. O lehre du mich, mein Jesu, wider Satan streiten. Ach Jesu, soll ich denn nicht festen Grund bekommen in dieser zweifelhaften Sache? Offenbare es doch, dass ich Ruhe habe, weil es aber nicht schnell geht, lass mich dein harren und nichts tun, bis du deinen Willen zu erkennen gibst. Amen.